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    Heute erstmals im TV: Verstörend, wunderschön & und ein Liebesbrief an einen der krassesten Filmemacher überhaupt
    Daniel Fabian
    Daniel Fabian
    -Redakteur
    Kino aus aller Welt ist wie reisen, ohne vom Sofa aufzustehen. Fremde Kulturen und neue Sichtweisen – davon kann man nie genug haben.

    Luis Buñuel ist bekannt für seine (alb-)traumähnlichen, verschachtelten Filme – und gehört fraglos zu den bedeutendsten surrealistischen Filmemachern aller Zeiten. Für Fans des Spaniers läuft „Buñuel - Im Labyrinth der Schildkröten“ heute im TV.

    Wanda Visión

    +++ Meinung +++

    Meine Liebe für Luis Buñuel wurde eigentlich erst vor ein, zwei Jahren entfacht, als ich auf der Suche nach filmischen Bildungslücken unter anderem auf den spanischen Surrealisten stieß. Als Fan von Filmemachern wie David Lynch („Mulholland Drive“) und Quentin Dupieux („Rubber“) war meine Neugier schnell geweckt – und meine Liebe für das verrückte Treiben des Regie-Genies direkt mit dem ersten Film entfacht:

    Der diskrete Charme der Bourgeoisie“ erzählt von einem eleganten Abendessen einiger Leute aus der Oberschicht, bei dem immer wieder irgendwas dazwischen kommt – und sich in einer unglaublich cleveren, einzigartig-verschachtelten Erzählung Gangster und Terroristen, Sex und Religion, und vieles mehr auf mehreren Traumebenen begegnen.

    Ich war auf Anhieb fasziniert davon, wie unverfroren und selbstverständlich Buñuel die mir bekannten Regeln des Kinos durch den Fleischwolf drehte und die vermeintlichen Grenzen der Filmkunst sprengte, als wäre es das Normalste der Welt. Seitdem bin ich eifrig dabei, die Filme des spanischen Regie-Wunderkinds nach und nach abzuarbeiten. Darüber gibt es mit „Buñuel - Im Labyrinth der Schildkröten“ jetzt aber auch noch eine wunderschöne Hommage an diesen außergewöhnlichen Künstler, die ich allen Fans des abseitigen Kinos ans Herz legen will.

    arte zeigt „Buñuel - Im Labyrinth der Schildkröten“ am 30. September 2021 ab 23.15 Uhr. Dazu gibt es den Film auch in der Mediathek des Senders.

    Ein wunderschöner Animationsfilm – mit Schocker-Charakter

    Regisseur Salvador Simó erzählt in seinem gerade einmal 70 Minuten (ohne Abspann)  langen, wundervoll animierten Film die wahre Geschichte hinter Buñuels Film „Land ohne Brot“ (1933), den der kurz zuvor in Verruf geratene Spanier nur mit Hilfe eines Kumpels finanziert bekam. Der versprach ihm nämlich, dass er sein nächstes Projekt bezahlen würde, sollte er im Lotto gewinnen. Und er gewann tatsächlich.

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    Schon damals war Buñuel kurz davor, seine Karriere an den Nagel zu hängen – bis das Glücksspiel-Wunder seiner Karriere doch noch einmal den nötigen Auftrieb, um nicht nur ein kontrovers diskutierter, sondern auch noch ein erfolgreicher und anerkannter Filmemacher zu werden. Auf „Land ohne Brot“ reagierte sein Publikum damals aber dennoch vor allem auf eine Weise: mit blankem Entsetzen!

    Denn aus dem vermeintlichen Dokumentarfilm, in dessen Zentrum die Armut und die Hoffnungslosigkeit der Menschen der spanischen Region Las Hurdes stehen sollte, wurde am Ende ein umstrittener, zuweilen arg inszenierter Schocker, für den Buñuel vor laufender Kamera sogar Tiere tötete.

    Buñuel verstehen

    Die teils drastischen Originalbilder aus dem Film – etwa von einem festgebundenen Esel, der von einem Bienenschwarm „hingerichtet“ wird oder von einer die Klippen hinabfallenden Ziege, bei der man selbst mittels Pistole nachhalf (genau genommen sogar gleich mehrere, um verschiedene Blickwinkel zu bekommen – man hatte ja nur eine Kamera zur Verfügung) – fanden im starken Kontrast zum minimalistischen Animationsstil von „Im Labyrinth der Schildkröten“ unverändert den Weg in die malerische Hommage, die allein deswegen aber schon nichts für Kinder ist. Nur für den Fall, dass das Siegel „Animationsfilm“ das vielleicht vermuten ließ.

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    Vor allem aber hilft Simós Film dabei, den Regie-Rabauken Buñuel zu verstehen – sofern man das überhaupt kann, will oder soll. Wenn in einem Café gleich zu Beginn etwa darüber diskutiert wird, was man von surrealer Kunst überhaupt hätte, wenn man sie doch nicht einmal, werden die Motive von Buñuel als Filmemacher immer klarer.

    Und was in einer Erzählung, die sich mit Buñuels Anfangsjahren beschäftigt, natürlich auch nicht fehlen darf, ist die Beziehung zu seinem einstigen Freund, Surrealismus-Ikone Salvador Dalí, der immerhin das Drehbuch zu Buñuelss Regiedebüt („Ein andalusischer Hund“) lieferte, bevor die beiden nach ihrer zweiten Zusammenarbeit („Das goldene Zeitalter“) allerdings getrennte Wege gingen.

    Spannend erzählt und originell inszeniert, widmet sich „Buñuel - Im Labyrinth der Schildkröten“ einem kleinen, verrückten Stück Filmgeschichte – und fällt dabei deutlich zugänglicher als die meisten Werke des Meisters persönlich aus. Ein Film, nach dem man Luis Buñuel vielleicht etwas besser versteht – und der erst recht Lust darauf macht, sich näher mit einem der spannendsten Regisseure des 20. Jahrhundert zu beschäftigen.

    Dieser Artikel basiert auf einem älteren Beitrag zu „Buñuel - Im Labyrinth der Schildkröten“, der anlässlich der heutigen Free-TV-Premiere aktualisiert wurde.

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