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    Der wahre Horror hinter "Last Night In Soho": Darum ist Edgar Wrights neuer Thriller so wichtig
    Björn Becher
    Björn Becher
    -Mitglied der Chefredaktion
    Fan von Hochspannungskino, Thriller dabei lieber als Horror und eine besonders große Liebe für Klassiker von Hitchcock und das Kino der 70er & 80er - vor allem aus Europa.

    Mit „Last Night In Soho“ legt „Baby Driver“- und „Shaun Of The Dead“-Regisseur Edgar Wright einen der Horrorfilme des Jahres vor. Sein stylisher Thriller bietet dabei nicht nur erstklassigen Leinwandgrusel, sondern hat auch einen starken Hintergrund.

    Universal Pictures

    Im Mittelpunkt von „Last Night In Soho“ steht die junge Eloise (Thomasin McKenzie), die sich ihren größten Wunsch erfüllen kann: in London Modedesign zu studieren. Doch kurz nach der Ankunft in der Großstadt beginnen Träume, in denen sie in eine Welt eintaucht, die sie über alles liebt: die Swinging Sixties. Dort sieht sie das Leben des aufstrebenden Starlets Sandy (Anya Taylor-Joy), die so selbstbewusst scheint, wie es Eloise gerne wäre. Doch bald muss sie erkennen, dass die Sechziger ihre Schattenseiten haben – und der Horror der Vergangenheit erreicht ziemlich schnell auch die Gegenwart.

    „Last Night In Soho“ bietet all das, was man sich von einem Film von Edgar Wright erwartet: Stylishe Bilder und ein unglaublich cooler Soundtrack sorgen so mal wieder für ein rauschhaftes Erlebnis. Gemeinsam mit Eloise will man sich zu Beginn förmlich von dieser Sechziger-Traumwelt, die sie entdeckt, mitreißen lassen. Doch früh deuten Regisseur Edgar Wright und die für „1917“ oscarnominierte Drehbuchautorin Krysty Wilson-Cairns an, dass hinter all der Schönheit schreckliche Geheimnisse lauern.

    Effektives Leinwandgruseln mit Botschaft

    Dabei setzen Wright und Wilson-Cairns nicht nur auf effektiven Leinwand-Grusel. Natürlich gibt es furchteinflößende Momente mit unheimlichen Gestalten und zudem gleich mehrere unglaublich intensive Messerszenen. Doch was „Last Night In Soho“ so besonders macht, ist der wahre Horror, der all die gelungenen Schockmomente begleitet.

    Schon zu Beginn des Films ragt eine Szene heraus. Wenn Eloise nach London kommt, macht sie ihre erste unheimliche Begegnung mit einem sexistischen Taxifahrer. Am Ende lässt sie sich kurz vor ihrem Ziel absetzen, um ihre wahre Adresse zu verheimlichen. Ähnliche Szenen dürften viele Zuschauerinnen schon erlebt haben – wie auch Autorin Wilson-Cairns selbst.

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    Sie verriet, dass sie in das Skript viele eigene Erfahrungen als junge Frau in London eingebaut habe – nicht nur den creepy Taxifahrer, sondern auch zum Beispiel die schrecklichen Anmachen in einer Bar, die Eloise später als dort arbeitende Servicekraft erlebt. Wie ihre Hauptfigur hat auch Wilson-Cairns in einem Lokal in Soho gearbeitet und nach eigener Aussage eine Menge „ziemlich schrecklicher Dinge gesehen, die wirklich furchteinflößend waren“.

    Dieser wahre Hintergrund macht „Last Night In Soho“ so stark. Denn so sehr wie wir uns auch vor den übernatürlichen Elementen gruseln, ist der Horror doch viel intensiver, wenn er einen realen Kern hat. Das Publikum kann sich viel besser damit identifizieren und das macht „Last Night In Soho“ nicht nur sehenswert, sondern auch so wichtig!

    Der #meeToo-Horrorfilm

    Nicht umsonst bezeichnen wir „Last Night In Soho“ im Fazit unserer FILMSTARTS-Kritik als „an die Nieren gehenden, durchgehend elektrisierten #metoo-Horrorfilm“. Edgar Wright agiert hier jedoch nicht plakativ mit dem Holzhammer, sondern webt diese Botschaft in einen spannenden Horror-Thriller ein, bei dem natürlich auch Genre-Fans voll auf ihre Kosten kommen. Nachdem er schon in Parodien wie „Shaun Of The Dead“ und „Hot Fuzz“ seine Vorliebe für das Zitieren anderer Filme unter Beweis stellt, verbeugt er sich nun auch in seinem ersten Horrorthriller vor Klassikern des Genres.

    Und auf ähnlich gelungene Art belässt er es nicht dabei zu zeigen, was in der Gegenwart noch falsch läuft. Mit seinen zwei starken Frauenfiguren im Zentrum rechnet Edgar Wright nämlich daneben auch mit den verklärten Swinging Sixties ab – allerdings ohne sie komplett zu zerstören. Wie seine Hauptfigur Eloise liebt er diese Zeitperiode eigentlich und erweckt sie so auch bunt und schillernd zum Leben.

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    Doch weil über die Traumwelt bald die düsteren Seiten hereinbrechen, zeigt er auch, dass damals eben nicht alles wunderbar war. Was Sandy in der Vergangenheit an Männerhass und Sexismus aushalten muss, öffnet Eloise die Augen. Es sind eben nicht die guten alten Zeiten, die man einfach nur romantisieren darf. Auch das ist eine wichtige Botschaft von „Last Night In Soho“: „Früher war alles besser“, ist eine ziemlich gefährliche (und falsche) Aussage!

     

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