Mein Konto
    "Cowboy Bebop": Die Netflix-Serie behebt das größte Problem des Animes
    Benjamin Hecht
    Benjamin Hecht
    -Redakteur
    Mit „One Piece“ und „Dragon Ball“ aufgewachsen, schaut Benjamin noch heute gerne Anime-Serien. Seine Favoriten: „Death Note“ und „Cowboy Bebop“.

    Es gibt nicht viel, was in Netflix' „Cowboy Bebop“ besser ist als in der Anime-Vorlage. Doch immerhin degradiert die Realserie die weibliche Hauptfigur Faye Valentine nicht zum Sexobjekt – und ist dem Original zumindest in dieser Hinsicht überlegen.

    GEOFFREY SHORT/NETFLIX

    +++ Meinung +++

    Der Anime „Cowboy Bebop“ ist für mich eine fast perfekte Serie, aber eben nur fast. Denn auch das ansonsten so stilsichere und tiefsinnige Sci-Fi-Meisterwerk hat ein Problem: Die weiblichen Formen von Faye Valentine und anderen Frauenfiguren werden dem Anime-Publikum teils auf sehr plumpe Art ins Gesicht gehalten.

    Mich stört nicht, dass Faye im Anime als attraktive Frau dargestellt wird, die sie sich sehr freizügig kleidet. Das passt zu ihrem Charakter und ich kann mir zumindest vorstellen, dass sie als Kopfgeldjägerin eben sehr davon profitiert, sich selbst als Sexobjekt zu präsentieren, um Männer um die Finger zu wickeln und an Informationen oder Personen heranzukommen, die sonst für sie unerreichbar wären.

    Was mich allerdings stört, ist, dass die Kamera dieses Spiel mitspielt und uns als Publikum immer mal wieder die Perspektive des Male Gaze, also des triebgesteuerten Blicks eines gaffenden männlichen Beobachters, aufzwängt.

    Eine solche Art der Inszenierung ist bei Animes leider keine Seltenheit und im Vergleich zu einigen anderen Genre-Vertretern sind es bei „Cowboy Bebop“ dann doch vergleichsweise wenige Momente, in denen das passiert. Doch in dieser sonst so genialen Serie trüben niveaulose Einstellungen wie folgende eben den Gesamteindruck:

    Dybex

    Ich meine, ich liebe „Cowboy Bebop“, aber was ist das denn bitte? Diese Einstellung soll Fayes Ich-Perspektive zeigen, nachdem sie aus dem Koma erwacht. Sie öffnet ihre Augen und das Erste, was sie sieht, sind ihre gigantischen Brüste.

    Dass dieser Blickwinkel überhaupt nicht zur vorherigen Einstellung passt, in der Faye flach auf dem Rücken liegt und erstmal den Kopf sehr unnatürlich anheben müsste, um überhaupt eine solche Sicht auf ihr Dekolleté zu bekommen, spielte für die Macher keine Rolle, es ging ihnen wohl einzig und allein um die sexualisierte Darstellung einer weiblichen Figur  – und ja, ich schreibe hier bewusst Macher, weil es sich bei dem Storyboard-Zeichner (Tensai Okamura) und dem Regisseur dieser Folge (Kunihiro Mori) ausschließlich um Männer handelt.

    Netflix behandelt Faye Valentine mit mehr Respekt

    Netflix' „Cowboy Bebop“ unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von der Anime-Version, und obwohl ich mit der Live-Action-Adaption insgesamt nicht viel anfangen kann, war Daniella Pineda aufgrund ihrer enormen Spielfreude für mich eines der Highlights.

    Im Gegensatz zu Spike (John Cho) und Jet (Mustafa Shakir) ist Faye auch die einzige der drei Hauptfiguren, deren Kleidung sich deutlich von der Vorlage unterscheidet – und ich finde das gut so. Denn schon im Anime hat es mich gestört, dass Fayes Hauptoutfit extrem unpraktisch zu sein scheint, um damit zu kämpfen. Die Jacke darf natürlich jeder und jede so tragen wie er oder sie möchte. Aber bleibt man so nicht überall hängen und schränkt die eigene Beweglichkeit enorm ein?

    Dybex

    Auch hier drängt sich der Verdacht auf, dass die Figur einfach möglichst sexy gestaltet wurde, ohne Rücksicht auf Glaubwürdigkeit. Im Gegensatz dazu wirkt das Standardoutfit von Faye in der Netflix-Version deutlich robuster und kampftauglicher (siehe Titelbild über dem Artikel). Außerdem wird in der Serie darauf verzichtet, Faye mit pornoartigen Kameraeinstellungen zum Sexobjekt verkommen zu lassen, was durchaus ironisch ist, da sie in der Netflix-Variante tatsächlich Sex hat, im Anime aber nicht.

    Allgemein wird in der Neuauflage Sex viel häufiger thematisiert als im Anime, ob nun Spike und Jet einen Abstecher in den Strip-Club machen und eine Domina befragen, während diese einen Kunden auspeitscht, oder Fayes Pseudo-Mutter für ein erotisches Rollenspiel mit ihrem Liebhaber über Leichen geht. Doch in der Netflix-Version wird Sex vor allem als humoristisches Mittel genutzt und nicht dazu, die männlichen Zuschauer aufzugeilen.

    Ich weiß nicht, wie ich auf die oben gezeigten Anime-Darstellungen reagieren würde, wenn ich eine Frau wäre. Als Mann kann ich nur sagen, dass es echt nervt, wenn eine Serie, die mich einfach nur gut unterhalten soll, ständig auf plumpe und offensive Weise versucht, mich sexuell zu erregen. Das hat dann ungefähr das Niveau eines Pop-Up-Fensters im Internet, das einen mit versauten Browserspielen oder Singles aus der Nachbarschaft locken will. Dass Netflix in dieser Hinsicht einen anderen Weg einschlägt, halte ich für eine lobenswerte, aber auch für die einzige Verbesserung gegenüber dem Anime.

    Der Anime ist trotzdem besser

    Trotz meiner deutlichen Kritik an der Darstellung von Faye im Original handelt es sich dabei um Meckern auf hohem Niveau. Denn erstens sind es (von Fayes Outfit mal abgesehen) nur einige vereinzelte Momente, die mich im Anime abgeschreckt haben, und zweitens hat das Original sonst fast gar keine Schwächen, dafür aber jede Menge Stärken. Für mich ist die oben beschriebene Problematik noch lange kein Grund, die Netflix-Serie dem Anime vorzuziehen. Die Neuauflage hat schließlich ihre ganz eigenen Probleme, wie auch unser Video-Redakteur Sebastian findet:

    Sci-Fi vs. Fantasy: "Cowboy Bebop" und "Das Rad der Zeit"

    Unsere Kolleg*innen von Moviepilot diskutieren in ihrem Podcast Streamgestöber spoilerfrei, ob die Netflix' Sci-Fi-Adaption von „Cowboy Bebop“ sowie die oft als möglicher „Game Of Thrones“-Ersatz betitelte Fantasy-Serie „Das Rad der Zeit“ auf Amazon Prime Video wirklich die von vielen erwarteten Highlights sind:

    facebook Tweet
    Ähnliche Nachrichten
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top