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    Stone
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Stone
    Von Carsten Baumgardt

    Fans von Robert De Niro und Edward Norton hatten sich schon anno 2001 diebisch auf das erste Aufeinandertreffen der vielleicht besten Schauspieler ihrer jeweiligen Generation in dem Heist-Thriller „The Score" gefreut (mit der Dreingabe Marlon Brando als gewichtiges Sahnehäubchen). Das Ergebnis dieser Kollaboration war jedoch ziemlich ernüchternd, zumal die Messlatte für dieses Duo natürlich besonders hoch lag. Neun Jahre später haben sowohl De Niro als auch Norton durch eine nicht immer glückliche Rollenauswahl deutlich an Boden verloren. Ihre zweite Zusammenarbeit, das Drama „Stone", ist nun kaum mehr als eine cineastische Randnotiz, die in den USA so wenig Beachtung fand, dass nicht einmal zwei Millionen Dollar an der Kinokasse zusammenkamen. Dass „Stone" nicht über das gehobene Mittelmaß hinauskommt, liegt dabei zuallerletzt an den Mimen, vorwiegend ist dieser Malus vielmehr dem Drehbuch von Angus MacLachlan („Junebug") und der Regie von John Curran („Der bunte Schleier") zuzuschreiben. In Deutschland erscheint der US-Flop deshalb folgerichtig nur als DVD- und Blu-ray-Premiere.

    Bewährungshelfer Jack Mabry (Robert De Niro) steht unmittelbar vor seiner Pensionierung und sehnt im ländlichen Michigan den Tag herbei, an dem er sich nicht mehr mit krimineller Kundschaft herumschlagen muss. Aber ihm macht sowieso keiner etwas vor – denkt er. In den letzten Zügen seiner Laufbahn trifft er auf Gerald Creeson alias „Stone" (Edward Norton), der seit acht Jahren wegen schwerer Brandstiftung einsitzt und hofft, durch Mabrys Empfehlung bei der nächsten Anhörung auf freien Fuß zu kommen. Der Häftling setzt seine hübsche Frau Lucetta (Milla Jovovich) auf den Beamten an, der seit mehr als 40 Jahren eine emotional tote Ehe mit der abgestumpften Madylyn (Frances Conroy) führt, die mit Bibelsprüchen um sich wirft und schon am Nachmittag Alkohol konsumiert. Lucetta verführt Mabry nach einiger Gegenwehr erfolgreich. Doch die sich entwickelnde Dreiecksgeschichte birgt für alle Beteiligten eine Menge Gefahren, die sie noch nicht vollständig absehen können...

    Neben der unsäglichen Rastafari-Frisur von Edward Norton („Fight Club", „The Illusionist") hat „Stone" ein generelles Konstruktionsproblem. In seiner Struktur ist der Film eigentlich als kleines Indie-Drama angelegt - das mit Produktionskosten von 22 Millionen Dollar allerdings unverhältnismäßig teuer ausfällt. Durch die grandiose Besetzung wird eine Erwartungshaltung aufgebaut, die „Stone" niemals einlösen kann. Das solide Maß an Spannung bezieht der Film fast ausschließlich aus seinen Figuren, nicht aber aus der gemäßigt getakteten Handlung und eine Vermarktung des Werks als Thriller wäre glatter Etikettenschwindel.

    Den undankbarsten Part bekommt Norton aufs Auge gedrückt, weil sein Brandstifter „Stone" als White-Trash-Rastamann immer ein wenig ins Lächerliche abdriftet. Jeder Zuschauer muss selbst entscheiden, ob er diesen Charakter ernst nehmen soll. Norton kämpft in einer Mischung aus Derek Vinyard (seine Rolle in „American History X") und einem Trailerpark-Fuck-up gegen alle Fallstricke an und befreit sich irgendwann sogar von ihnen, ohne jedoch gegen seine beiden Mitstreiter anzukommen. Milla Jovovich („Resident Evil: Afterlife", „Das fünfte Element") kommt überraschend gut im mimischen Clinch mit den beiden Schauspiel-Schwergewichten weg, weil sie deutlich überzeugendere Szenen mit Robert De Niro („Heat", „Der Pate II") spendiert bekommt als Norton. Zwischen De Niro und Jovovich baut sich einiges an emotionaler Spannung auf. Es knistert – und das nicht nur, weil sich die US-Amerikanerin einmal mehr nackt vor der Kamera präsentiert. Die sexuell freizügige Manipulatorin nimmt man ihr bedenkenlos ab – viel mehr jedenfalls als die Tatsache, dass sie mit dem Knacki „Stone" verheiratet sein soll. Die Gefängnisplaudereien von De Niro und Norton fördern dagegen wenig Packendes zu Tage. Es geht eben um die üblichen Machtspiele. Jeder versucht, den anderen zu kontrollieren.

    Obwohl der Film „Stone" betitelt ist, dominiert der Charakter des Bewährungshelfers die Szenerie. Dieser „Stone", dessen Aggropegel nur mühsam auf Zimmerlautstärke gehalten werden kann, mutiert zu einem moralischen Gradmesser für den desillusionierten Beinahe-Rentner, der aus seinem emotionalen Winterschlaf gerissen wird und bitter zu spüren bekommt, welchen Lebenslügen er bisher aufgesessen ist. Auch wenn De Niro hier letztlich kaum mehr als eine um einige Nuancen erweiterte Variante einiger seiner Charaktere aus der Vergangenheit zum Besten gibt, ist sein dezentes Spiel das größte Plus des Films.

    Regisseur John Curran nimmt sich weitestgehend zurück, legt aber - mit Erfolg - Wert auf eine stimmige Atmosphäre. Über allem schwebt die permanente Bedrohung, dass die Geschichte in absehbarer Zeit eskaliert, was der molllastige, schwermütige Score passend unterlegt. Dazu serviert Kamerafrau Maryse Alberti („The Wrestler") in unregelmäßigen Abständen wunderbare Landschaftsaufnahmen, die „Stone" handwerklich über jeden Zweifel erheben und das Dilemma der Charaktere auf visueller Ebene spiegeln.

    Fazit: Für ein kolossales Gipfeltreffen der Generationen fehlt John Currans Drama letztendlich die Kraft. Trotz zwischenzeitlichem Leerlauf ist die zweite Kooperation von Robert De Niro und Edward Norton aber dennoch einen Blick wert, weil Drehbuchautor MacLachlan mit Jack Mabry zumindest einen wirklich interessanten Charakter geschaffen hat.

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