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    Rob Roy
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Rob Roy
    Von Lars-Christian Daniels

    Vor vielen Jahren lebte tief in den schottischen Highlands ein tapferer, ehrenwerter Mann, der noch zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden wusste, die Unterdrückung der armen Bevölkerung durch den Adel satt hatte und blutigen Duellen selten aus dem Wege ging. Nein, die Rede ist nicht von Volksheld William Wallace aus Mel Gibsons Heldenepos „Braveheart", sondern von Clanführer Robert Roy MacGregor, kurz: „Rob Roy". Rob Roy lebte rund vier Jahrhunderte später als Wallace und wurde als „schottischer Robin Hood" ebenfalls zur Legende. Zwischen den Kinostarts der beiden Hollywoodproduktionen lagen 1995 nur wenige Monate – kein Wunder also, dass „Rob Roy" sich den Vergleichen mit dem fünffachen Oscar-Gewinner nur schwer erwehren und nie wirklich aus dem Schatten des Gibson-Films treten konnte. Regisseur Michael Caton-Jones („Der Schakal", „Basic Instinct 2") verzichtet in seinem Film auf bildgewaltige Schlachten und reduziert die Action aufs Nötigste. Er inszeniert ein zwar sehenswertes und starbesetztes historisches Drama, das den emotionalen Rachefeldzug seines Helden mit einer hübsch fotografierten Liebesgeschichte in Einklang bringt, den Zuschauer aber unter dem Strich nie so mitzureißen vermag wie der populäre Rivale „Braveheart".

    Robert Roy MacGregor (Liam Neeson) hat sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit seiner Frau Mary (Jessica Lange) und seinen Kindern in den schottischen Highlands niedergelassen. Sein Clan ist arm und muss sich notgedrungen mit gelegentlichem Viehdiebstahl über Wasser halten. Um diesem Dasein ein Ende zu bereiten, leiht sich Rob Roy für einen Profit versprechenden Viehhandel 1.000 Pfund bei dem machthungrigen Marquis von Montrose (John Hurt). Dessen mittelloser Neffe und Günstling Archibald Cunningham (Tim Roth), der sich vorübergehend am Hofe einquartiert hat und dort die Dienstmädchen beglückt, schmiedet gemeinsam mit dem Adligen Killearn (Brian Cox) einen hinterhältigen Plan: Er ersticht den Geldboten und streicht Rob Roys Geld selbst ein. Weil der Clanführer den Kredit nicht auf die Schnelle zurückzahlen kann, fordert der von dem Raub nichts ahnende Marquis als Ersatzleistung von MacGregor, seinen schärfsten Konkurrenten, den Herzog von Argyll (Andrew Keir), öffentlich zu verleumden. Doch Rob Roy ist ein Mann von Ehre und weigert sich...

    Schottland und seine endlos weiten Highlands garantieren als Schauplatz naturgemäß fantastische Panoramen und beeindruckende Graslandschaften. Beste Voraussetzungen also für ein romantisches Abenteuer, und würde man „Rob Roy" nach einer halben Stunde abschalten, könnte man glatt meinen, dies würde den Film treffend charakterisieren. In „Rob Roy" ist alles eine Nummer kleiner und glatter als in „Braveheart", das dreckig-düstere Mittelalter ist Vergangenheit, die Geschichte weniger politisch ausgerichtet und keinem nationalen Freiheitstraum untergeordnet. MacGregor ist als Figur unspektakulärer angelegt als Märtyrer William Wallace, dem Clanführer ist in erster Linie am Wohle seiner Sippschaft gelegen. Drehbuchautor Alan Sharp verzichtet daher darauf, ausschweifend die Kindheit seines Helden nachzuzeichnen und schildert stattdessen einleitend Alltag und Familienleben der MacGregors. Dies birgt den Nachteil, dass „Rob Roy" trotz einer blutigen Eröffnungssequenz schwer in Fahrt kommt und sich durch Liebesszenen und langatmige Vater-Sohn-Gespräche anfangs häufig selbst ausbremst. Erst im Mittelteil, in dem Bösewicht Cunningham den geplanten Raubmord in die Tat umsetzt, schaltet das Drehbuch zwei Gänge hoch.

    Zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, fällt nicht weiter schwer. Jedem Adligen mit üppiger Allongeperücke dürfen getrost finstere Absichten unterstellt werden, lediglich der Herzog von Argyll bildet hier eine Ausnahme. Der etikettengeprägte, pompöse Alltag am Hofe des Marquis wird glaubhaft, aber stets mit augenzwinkerndem Unterton geschildert. Erfreulicherweise bleibt das überraschend derbe, explizite Vokabular innerhalb der adligen Gesellschaft auch in der deutsch synchronisierten Fassung erhalten. Wie in so vielen Filmen entpuppt sich mit Archibald Cunningham schnell ein charismatischer Antagonist als die reizvollste Figur. Sein feminin-graziles Auftreten am Hofe des Marquis erinnert stellenweise an Johnny Depps Captain Jack Sparrow, wenngleich Cunningham – im Gegensatz zum Piraten – nie die Sympathie des Publikums genießen darf. Dennoch bildet sein überhöfliches, unterwürfiges Auftreten gegenüber dem zahlungskräftigen Onkel einen herrlichen Gegenpol zu seiner sadistischen Arroganz und dem eiskalten Opportunismus, mit dem er seine schwangere Geliebte einfach stehen lässt. Tim Roth („Pulp Fiction"), der für seine Leistung 1996 mit einer Oscar-Nominierung als bester Nebendarsteller belohnt wurde, glänzt dank seiner bravourösen Performance ebenso wie Jessica Lange („Tootsie"), die vor allem in der Vergewaltigungssequenz als brutal gedemütigte Ehefrau groß aufspielt. Liam Neeson („Schindlers Liste") wird trotz reichlich Kamerapräsenz weniger abverlangt, wenngleich auch der gebürtige Nordire in seinem Kilt die gewohnt gute Figur macht.

    Die vergleichsweise spärlich gesäten Kampfsequenzen werden routiniert in Szene gesetzt und dienen stets dem Vorantreiben der Handlung, für deren Verlauf sich mehr als einmal dichter Nebel als entscheidender Vor- oder Nachteil erweist. Nur eines von zahlreichen Beispielen dafür, dass Schottland in „Rob Roy" nicht zur kitschigen Kulisse verkommt, sondern auch von seiner ungemütlichen Seite beleuchtet wird. Und spätestens wenn sich MacGregor notgedrungen in einem bestialisch stinkenden Kuhkadaver verstecken muss, um seinen Häschern zu entkommen, dürfte der Magen des ein oder anderen zart besaiteten Zuschauers auf die Probe gestellt werden. Schon eher auf Romantikfreunde zugeschnitten ist da der Schlussakkord in typischer Hollywoodmanier, der die Gesamtkomposition des Films harmonisch abrunden soll, aber in erster Linie den Bogen zum müden Auftakt des Films schlägt. Das ändert jedoch nichts daran, dass Michael Caton-Jones ein unterhaltsames und mit einem starken Soundtrack hinterlegtes Historiendrama abliefert, bei dem nicht nur Schottlandfans auf ihre Kosten kommen.

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