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    Burke & Hare
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Burke & Hare
    Von Jan Hamm

    Mit „American Werewolf in London" und dem legendären Michael-Jackson-Clip „Thriller" profilierte sich John Landis in den Achtzigern als Meister des Morbiden. Doch das ist längst Popkulturgeschichte. Seit mehr als einem Jahrzehnt hat Landis keinen Kinofilm mehr inszeniert. „Burke & Hare" hätte ein Comeback nach Maß werden können – der Stoff nach einem bereits mehrfach verfilmten Kriminalfall im viktorianischen Edinburgh liest sich als Steilvorlage für rabenschwarze Brit-Comedy. Zu früh gefreut! Der irrlichternde Filmemacher setzt nahezu jede Pointe in den Sand, inszeniert meilenweit am bissigen Epochenporträt seiner Drehbuchautoren Piers Ashworth und Nick Moorcroft vorbei und lässt sein talentiertes Darsteller-Ensemble unkontrolliert freidrehen. Simon Pegg, Andy Serkis und ihr Kollegium kaspern derart expressiv durch die Kulissen, als würden sie einen Stummfilm bevölkern. Erzählenswert ist die Geschichte der Serienmörder Burke and Hare ohne Frage – mit Landis jedoch ist sie einem Erzähler untergekommen, der seinen Zenit längst überschritten hat.

    Burke (Simon Pegg) und Hare (Andy Serkis) sind vollkommen abgebrannt, ihre ausgefuchsten Betrügereien fliegen einfach zu oft auf. Als sich mit dem Verscheiden eines greisen Untermieters auch noch bitter benötige Mietzahlungen erledigen, steht das Duo vor dem Aus. Eine chaotische Nacht später wendet sich das Blatt: Als Burke und Hare versuchen, den Leichnam möglichst unauffällig fortzuschaffen, entgleitet ihnen das improvisierte Transportgefäß – ein massives Bierfass – und kracht in die Hausfront des sezierwütigen Anatomie-Professors Dr. Robert Knox (Tom Wilkinson). Burke und Hare wittern das ganz große Geschäft und versorgen den zahlungskräftigen Knox fortan mit unlauterem Kadaver-Nachschub. Die Kohle hat vor allem Schwerenöter Burke bitter nötig - um seinen Schwarm Ginny (Isla Fisher) zu erobern, muss er ihren revolutionären Traum einer komplett weiblich besetzten Hamlet-Aufführung finanzieren. Derweil mehren sich die Vermissten-Anzeigen...

    „Dieser Film basiert auf wahren Ereignissen; abgesehen von den Passagen, die frei erfunden sind" – meint John Landis, sich mit seiner leidlich cleveren Titelsequenz einen Freibrief für jedweden Blödsinn ausgestellt zu haben? Die 17-fachen Mörder Brendan „Dynes" Burke und William Hare zum Blödel-Duo umzudeuten, das durch puren Zufall zum Schrecken Edinburghs wird, hätte noch aufgehen können. Im Kontext des frühpubertären Fäkalhumors erweist sich die Laurel-und-Hardy-Hommage jedoch gleich zu Beginn als fataler Irrtum. Simon Pegg mag ein erstklassiger Komödiant sein, ohne taugliche Rolle ist jedoch auch er aufgeschmissen. Peggs Versuch, seinen Kumpeltypus aus „Shaun of the Dead" und „Hot Fuzz" zu tradieren, scheitert an der Anlage seiner Figur – dass der harmlos-einfältige Burke ins profitable Mordgeschäft einsteigt, nur um sich sehenden Auges von Ginny ausbeuten zu lassen, weist ihn als niederträchtig und himmelschreiend dumm zugleich aus.

    Auch Andy Serkis verpasst den Anschluss an frühere Karrierehöhepunkte. Im Gegensatz zur komplexen Gollum-Figur fehlt seinem Hare der tragische Hintergrund, der ihm das mitreißende Verwirrspiel zwischen pelzigem Schaf und wolligem Wolf in Peter Jacksons „Der Herr der Ringe"-Trilogie erst eröffnete. Landis hat das Konzept der schwarzen Komödie gründlich missverstanden: Düstere Seiten gewinnt er seinen Figuren nicht ab; sie sind bloß nahezu unzurechnungsfähig. Seine Mordszenen verlieren durch die konsequente Slapstick-Inszenierung genau die dramatische Bedeutsamkeit, die das Schwarz überhaupt erst unter die Farbpalette des Komödiantischen mischt. Der traurige Tiefpunkt ist erreicht, wenn ein bereits auf dem Sterbebett liegender Sir Christopher Lee von Burke und Hare totgesessen (!) wird. Sterbehilfe für eine altersbedingt nur noch eingeschränkt drehfähige Schauspiellegende – das ist nicht pointiert, sondern schlichtweg entwürdigend.

    Einzig Tom Wilkinson kommt halbwegs ungeschoren davon; ihm fallen die wenigen wirklich gewitzten Zeilen des Films zu. Dr. Robert Know will garnicht erst wissen, woher die Leichname auf seinem Seziertisch stammen; dabei weiß er es freilich. Unerheblich – immerhin würden mit seinen anatomischen Studien Erkenntnisse gewonnen, über die er Heerscharen kranker Menschen kurieren könne. Wenn er vor versammeltem Hochschul-Konsortium zum Hohelied der progressiven Wissenschaft ansetzt, wird die bürgerliche Fortschrittshörigkeit nicht nur des viktorianischen Zeitalters aufs Korn genommen. Nicht minder treffsicher: Ginnys mit Blutgeld finanzierte Hamlet-Aufführung, deren emanzipatorisches Programm als gerissener Raubtier-Feminismus demaskiert wird. Chapeau! Dass die reizenden Geistesblitze der Autoren in wenigen Minuten abgehandelt werden, ist bezeichnend – lieber tobt sich John Landis mit entgleisten Grimassen und Kübeln voller Unrat aus. Bis zum „Burke & Hare"-Nachfolger darf der einst stilprägende Filmemacher gerne weitere zehn Jahre warten.

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