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    Das Hochzeitsvideo
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Das Hochzeitsvideo
    Von Andreas Staben

    Die YouTube-Kultur hat längst das Kino erreicht. Immer öfter wird auch im Spielfilm auf den Charme (vermeintlich) privater oder zufällig entstandener Aufnahmen gesetzt, die mit allen geteilt werden sollen. Mit dem Found-Footage-Film ist sogar ein ganz neues Genre entstanden, in dem der Look und die Unmittelbarkeit von Amateuraufnahmen für einen Eindruck größerer Authentizität und Intimität imitiert werden. Bei der Partykomödie „Project X" etwa gelang dies zuletzt auf ebenso elegante wie einleuchtende Weise. Genau auf diesen Effekt setzt auch Regisseur Sönke Wortmann („Der bewegte Mann") mit „Das Hochzeitsvideo", bei dem Methode und Thema schon im Titel zusammengefasst werden. Dass die formale Prämisse der Komödie, die sich vorgeblich ausschließlich aus Aufnahmen aus dem Freundeskreis des Brautpaars zusammensetzt, nur wenig konsequent umgesetzt wird, fällt letztlich weniger stark ins Gewicht als die inhaltlichen Schwächen. „Das Hochzeitsvideo" ist ein nur selten wirklich witziger Film, in dem Popstar Sasha für einen der wenigen echten Höhepunkte sorgt.

    Pia Schulz (Lisa Bitter) und Sebastian von Stieglitz (Marian Kindermann) kennen sich erst seit drei Monaten, aber sie sind total verliebt und beschließen, bei einem Liebesurlaub in Lissabon zu heiraten. Sie bestimmen Sebastians Kumpel Daniel (Martin Aselmann) zum Hochzeitsfilmer, er soll sowohl die Vorbereitungen als auch die große Feier selbst, die in einem noblen Landhotel stattfindet, für die Ewigkeit festhalten. Vor dem großen Moment gilt es allerdings noch einige Hindernisse zu überwinden: Sebastians Eltern Margarete (Christiane Lemm) und Waldemar (Michael Abendroth) bestehen darauf, dass Pia den altehrwürdigen Namen von Stieglitz annimmt, während die freigeistige Patchwork-Familie der Braut den dünkelhaften Adelsclan suspekt findet. Ein widerspenstiger Standesbeamter, ein genervter Pfarrer und der Verlust der Ringe sorgen für weiteren Trubel. Und dann taucht auch noch Pias Ex-Freund Carlos (Simon Eckert) auf, der als Pornostar den eindeutigen Beinamen „die Keule" trägt und von dem Sebastian dummerweise bisher gar nichts wusste...

    Sönke Wortmann beginnt seinen Film mit Daniel, der direkt in „seine" Kamera spricht und uns mitteilt, dass er die Hochzeit seines Freundes Sebastian und die Tage davor filmen wird. Nach dieser recht cleveren Einleitung, in der gleichsam nebenbei auch schon die wichtigsten Figuren eingeführt werden, verstößt der Regisseur recht schnell gegen die Beschränkungen des eigenen Konzepts. Immer wieder wird dann doch die Blickrichtung gewechselt, Anschlüsse und Kamerabewegungen passen nicht zur angeblichen Perspektive. Bei diesen Einwänden geht es nicht um formalistische Erbsenzählerei, vielmehr verhindert die fehlende inszenatorische Konsequenz, dass sich ein Gefühl der Nähe und Unmittelbarkeit einstellt. So gelingt auch den Schauspielern der Registerwechsel zwischen jenen Momenten, in denen sie heimlich gefilmt werden und sie also unbefangen sein müssten und den für Daniels Kamera inszenierten Szenen eher schlecht als recht. Das Gefühl für die fast unmerklichen Feinheiten wie es etwa im ebenfalls mit der Handkamera gefilmten „Rachels Hochzeit" oder auch in Wortmanns eigener Fußball-Dokumentation „Deutschland. Ein Sommermärchen" zu spüren ist, fehlt hier weitgehend. Das formale Manko wird damit indirekt auch zum inhaltlichen Problem, weil gerade die Nebenfiguren kein Eigenleben gewinnen können und auf Abziehbilder reduziert bleiben.

    Sönke Wortmann hat durchaus zum Konzept passend auf Stars verzichtet und seine Riege der Unbekannten schlägt sich nicht schlecht. Vor allem Lisa Bitter als Pia und Lucie Heinze als Skeptikerin Despair wecken einige Sympathien, aber den souveränsten Eindruck hinterlässt der prominente Überraschungsgast Sasha mit einem herrlich selbstironischen Auftritt. Hier stimmt ausnahmsweise das bei Komödien so entscheidende Timing. An anderer Stelle fehlt es dagegen immer wieder. So ist es nicht sehr lustig, wenn der arme Pastor Lüttich (Artus Maria Matthiessen) nie ausreden darf oder wenn die snobistischen Eltern des Bräutigams immer wieder hochnäsige Einwände gegen die neue Verwandtschaft vorbringen. Die ersten ein, zwei ihrer Auftritte sind noch ganz amüsant, doch die ständige Wiederholung und die Verweigerung von Entwicklung hinterlassen einen schalen Beigeschmack. Der Tiefpunkt ist jedoch das Porträt des humorlos-verbiesterten Standesbeamten (Rainer Galke), der namenlos bleiben muss. Wenn er schließlich von Daniel und Despair dabei erwischt und gefilmt wird, wie er Tiervideos als Wichsvorlage nutzt, und die zwei ihn dann damit erpressen, bekommt der Film auch noch eine boshaft-gehässige Note, die zu einer leichten Komödie gar nicht passen mag.

    Als Pia und ihre Freundinnen morgens in die leicht unordentliche Wohnung kommen, in der die Männer zuvor den Junggesellenabschied gefeiert haben, wird ein Vorbild für Sönke Wortmanns Film beim Namen genannt. „Hier sieht's ja aus wie bei ‚Hangover‘", heißt es da. Doch davon kann nicht die Rede sein, auch wenn eine Nebenhandlung um ein Tattoo tatsächlich an den Hitfilm aus Hollywood denken lässt. Vom genüsslich überzüchteten Chaos der Las-Vegas-Sause ist das handzahme „Hochzeitsvideo" nämlich ähnlich weit entfernt wie vom komischen Esprit, der Klassiker wie „Die Nacht vor der Hochzeit" auszeichnet. Dabei lässt Wortmann kaum etwas unversucht – bis hin zum fröhlich-pubertären Über-die-Stränge-schlagen. Aber auch das bleibt halbgar, der Nacktauftritt einer Stripperin wirkt genauso aufgesetzt wie die Anzüglichkeiten des Pornodarstellers „Carlos, die Keule" oder das in der Halskrause endende Oralvergnügen.

    Fazit: „Das Hochzeitsvideo" ist ein turbulenter und ereignisreicher Film mit vielen unverbrauchten Gesichtern, aber gelungen ist er nicht und witzig ist er nur selten. Dafür sind die Figuren zu oberflächlich und die formale Umsetzung zu unentschieden.

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