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    Urlaubsreif
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Urlaubsreif
    Von Björn Becher

    Selten gab ein Abspann so perfekt die Stimmung und Aussage eines Films wieder wie die Endtitelsequenz der neuen Adam-Sandler-Komödie „Urlaubsreif“. Dort erklingt das von dem Erfolgscomedian selbst geschriebene und gemeinsam mit seinen zwei Töchtern gesungene Lied „What do you love?“ - eine Frage, die nicht nur mit vielen hübschen alltäglichen Kleinigkeiten, sondern natürlich auch mit „I love you!“ beantwortet wird. Der Text mag ein wenig schief sein (der Gesang ist es auf jeden Fall), doch die liebevolle Darbietung der „Sandler Family“ geht sofort ans Herz. Und ganz ähnlich verhält es sich auch mit dem ganzen von Frank Coraci („Das Schwergewicht“) inszenierten Film: Der Witz in „Urlaubsreif“ ist an manchen Stellen etwas schief geraten und nicht jeder Gag entpuppt sich als Kracher, dennoch ist die Ode an das Elternsein immer wieder unglaublich lustig - vor allem ist sie aber ungemein warmherzig und berührend. Auf diese Mischung von Gefühl und Humor versteht sich kaum jemand so gut wie Adam Sandler, der sich hier in Hochform präsentiert.

    Für die alleinerziehende Mutter Lauren (Drew Barrymore) ist es das Horror-Blind-Date schlechthin. Jim (Adam Sandler) hat sie ausgerechnet in die für ihre leicht bekleideten, vollbusigen Bedienungen bekannte Sports-Bar-Kette Hooters geschleift, trinkt einfach ihr Bier aus und interessiert sich sowieso mehr für das Fernsehprogramm als für sie, aber damit nicht genug: Zum krönenden Abschluss sucht er mit einer fadenscheinigen Ausrede das Weite, bevor sie selbst diesen Trick anwenden kann. Lauren will den Abend schnell vergessen, aber auch das erweist sich als unerwartet schwierig. Zunächst trifft sie Jim zufällig in einer peinlichen Situation im Supermarkt wieder und bald darauf muss sie noch deutlich mehr Zeit mit ihm verbringen. Denn als die Beziehung ihrer besten Freundin Jen (Wendi McLendon-Covey) in die Brüche geht, übernimmt Lauren deren Hälfte eines Südafrika-Traumurlaubs, um ihren beiden Söhnen mal wieder etwas zu bieten. Zu dumm, dass ausgerechnet Jim die andere Hälfte der Reise von Jens Verflossenem (und seinem Boss) überlassen bekommt und mit seinen drei Töchtern im selben Hotel aufschlägt…

    Kinder mit großen oder kleinen Spleens sind keine Seltenheit in Sandler-Filmen – von seinen verzogenen Jungs in „Kindsköpfe“ bis zum indischen Adoptivsohn, der sich alles, was er finden kann, an den Körper klebt, in „Jack und Jill“. In „Urlaubsreif“ gibt es nun gleich fünf davon. Laurens ältester Sohn Brendan (Braxton Beckham) entdeckt gerade mit etwas zu viel Überschwang seine Sexualität und sein jüngerer Bruder Tyler (Kyle Red Silverstein) ist überdreht und hat ein echtes Aggressionsproblem. Jims älteste Tochter Hilary (Bella Thorne) leidet darunter, wegen ihres sportlich-burschikosen Auftretens von aller Welt für einen Jungen gehalten zu werden – keine gute Voraussetzung, um im Traumurlaub mit dem an „Twilight“-Vampir Robert Pattinson erinnernden Jake (Zak Henri) anzubandeln. Ihre nach einem Sportsender (!) benannte Schwester Espn (Emma Fuhrman) redet unterdessen weiter mit ihrer toten Mutter und der kleinsten Lou (Alyvia Alyn Lind) fehlt eine solche völlig. Natürlich sind die Macken des Kinder-Quintetts Garant für einige witzige Szenen – insbesondere Brendans immer wieder missverstandene Bezeichnung seiner Mutter als „scharf“ dient als einer von vielen gelungenen Running Gags -, aber der Humor geht niemals auf Kosten der Figuren. Vielmehr werden die kindlichen und jugendlichen Sorgen bei aller Albernheit sehr einfühlsam behandelt, die Töchter und Söhne bekommen echtes Profil.

    Im Leben von Eltern gehört 99 Prozent der Zeit den Kindern. Diese Aussage fällt hier immer wieder und obwohl es in dieser durchaus romantischen Komödie natürlich auch darum geht, dass Jim und Lauren für den gesteigerten Genuss des verbleibenden Prozents zusammenfinden, ist „Urlaubsreif“ in erster Linie ein ebenso komisches wie herzliches Loblied auf ein liebevoll idealisiertes (Patchwork-)Familienleben. Es sind entsprechend gar nicht so sehr die Szenen zwischen Sandler und Barrymore, die ans Herz gehen, sondern jene, die einer der Erwachsenen mit den Kindern des jeweils anderen teilt: Wenn Adam Sandler es als Jim schafft, die Wut von Tyler beim Baseball zu kanalisieren, ist dies ein wunderbarer „Vater-Sohn“-Moment, den der echte Erzeuger des Jungen („Community“-Star Joel McHale als schleimiger Wendehals) ihm nicht bieten kann. Übertroffen wird dies noch von einigen Szenen von Drew Barrymores Lauren mit Jims Kindern. Als sie Hilary ermutigt, ganz sie selbst zu sein und sich zu trauen, sich als junge Frau zu geben und zu kleiden, ist dies tief berührend. Hier zahlt sich aus, dass mit Disney-Star Bella Thorne („Shake It Up – Tanzen ist alles“) eine nicht nur hochtalentierte, sondern trotz ihrer jungen Jahre auch schon ungemein erfahrene Schauspielerin besetzt wurde, bei der man sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnt, wenn man ihr eine große Karriere prophezeit.

    Bei Bella Thornes erstem Auftritt als schöner Frau im Kleid statt als vermeintlicher Junge kommen die Stärken von „Urlaubsreif“ – von Herz bis Witz – alle zusammen: Die Gedanken der Anwesenden werden durch Songs illustriert (so werden die besorgten Blicke des Vaters vom R.E.M.-Klassiker „It’s the end of the world“ begleitet) – ein genialer Kniff, der später noch einmal wiederholt und auf die Spitze getrieben wird. Überhaupt spielt die bunt gemischte musikalische Untermalung (in der sogar Euro-Dance-Trash-Legende Dr. Alban Platz findet) eine entscheidende Rolle. So wird die illustre Riege der überzeichneten und skurrilen Nebenfiguren von Terry Crews („The Expendables“) als dauersingender, etwas irrer Entertainer angeführt, der mit seinem Chor an den absurdesten Stellen wie aus dem Nichts auftaucht (etwa in einem Fesselballon) und das Geschehen mit abwegigen und oft trotzdem irgendwie treffenden (übrigens von Sandler geschriebenen) Ballaballa-Songs kommentiert, die nur so vor Anzüglichkeiten strotzen. Dabei wird die Nonsensschraube zwar ab und zu überdreht, doch trotz solcher gelegentlicher Fehlzündungen bleibt „Urlaubsreif“ durchweg eine sehr spaßige Angelegenheit.

    Über die Jahre hatte Adam Sandler immer wieder schöne Frauen an seiner Seite, so Jennifer Aniston in „Meine erfundene Frau“, Salma Hayek in den „Kindsköpfe“-Filmen oder Katie Holmes in „Jack und Jill“. Doch mit keiner Leinwandpartnerin harmoniert der beliebteste US-Komiker und „People’s Choice Awards“-Dauersieger so gut wie mit Drew Barrymore. Das zeigte sich bereits bei ihren früheren gemeinsamen Auftritten in „Eine Hochzeit zum Verlieben“ sowie in „50 erste Dates“ und hier erweisen sie sich erneut als kongeniales Duo. Der Ex-„E.T.“-Kinderstar agiert völlig uneitel und natürlich, das teilt sie ebenso mit Sandler wie die Lust am mal anarchischen, auch mal Geschmacksgrenzen auslotenden aber immerzu liebevollen und zutiefst menschlichen Humor. Schon die ersten beiden Aufeinandertreffen ihrer Figuren in „Urlaubsreif“ unterstreichen das, die nächtliche Begegnung im Supermarkt, bei der sie ein Pornoheft und er Tampons erwerben muss, ist ein wahres Komödien-Highlight: Auf den Punkt geschriebene Dialoge werden hier perfekt umgesetzt, ein weiterer Kunde und eine missmutige Verkäuferin sorgen für zusätzliche Würze. Hier wird genüsslich mit der Peinlichkeit der Situation gespielt und zugleich wird ihr der Stachel genommen – ein Miniatur-Musterbeispiel für Adam Sandlers Kunst der menschlichen Komödie.

    Fazit: Adam Sandler und Drew Barrymore in Bestform in einer Komödie mit viel Witz und noch mehr Herz.

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