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    The Autopsy Of Jane Doe
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Autopsy Of Jane Doe
    Von Gregor Torinus

    Makabre Szenen von forensischen Untersuchungen sind ein fester Bestandteil des Thriller- und Horrorgenres. Mal liegt dabei nur ein einzelnes Körperteil auf dem Obduktionstisch – wie der Arm in William Friedkins umstrittenem Thriller „Cruising“. Ein anderes Mal finden die Pathologen im Magen einer komplett verkohlten Leiche auch gleich noch den abgebissenen Finger des mutmaßlichen Täters samt Fingerabdruck, wie in dem deutschen Serienkillerthriller „Tattoo“. Das schwarzhumorige Potenzial der beklemmenden Atmosphäre in einem Leichenschauhaus nutzt auch der Däne Ole Bornedal in seinem Durchbruchsfilm „Nightwatch - Nachtwache“ auf sehr effektive Weise. Nun setzt der Norweger André Øvredal („Troll Hunter“) auf all das noch einen drauf und entwirft einen ganzen Film um die Sezierung einer einzigen Leiche herum: Das Ergebnis ist ein ebenso ungewöhnlicher wie spannender und immer wieder überraschender Horrorthriller.

    In einem Haus in einem Vorort in Virginia werden fünf Leichen gefunden. Vier der Toten sind grausam entstellt, aber das größte Mysterium ist die äußerlich makellose, halb in die Kellererde eingegrabene Leiche einer jungen Frau. Diese liefert der örtliche Sheriff (Michael McElhatton) unter dem fiktiven Namen „Jane Doe“  am späten Abend zur näheren Untersuchung an den Gerichtsmediziner Tommy (Brian Cox) und dessen Assistenten Austin (Emile Hirsch). Das Vater-Sohn-Duo stammt aus einer Familie mit über hundertjähriger Pathologen-Tradition und hat sich sein Leichenschauhaus samt aller dazu gehörigen Einrichtungen in den Kellergewölben direkt unter ihrem privaten Wohnhaus eingerichtet. Die Zusammenarbeit der beiden Männer ist seit dem Tod der Ehefrau und Mutter noch einmal enger geworden, aber nun möchte sich Austin mit seiner Freundin Emma (Ophelia Lovibond) ein eigenes Leben aufbauen. Sein heutiges Date mit ihr verschiebt er jedoch, um dem Vater bei der Obduktion von „Jane Doe“ zu assistieren. Dabei stoßen die beiden nach und nach auf immer mehr Dinge, die sie sprach- und ratlos machen ...

    „The Autopsy Of Jane Doe“ besticht durch sein minimalistisches Konzept eines Kammerspiels im Leichenschauhaus. Über weite Strecken konzentriert sich Regisseur André Øvredal ganz auf die beiden Pathologen und die von ihnen untersuchte Leiche. Dies funktioniert hervorragend, da Brian Cox („Zodiac“, „Churchill“) und Emile Hirsch („Into The Wild“, „Killer Joe“) die nicht unkomplizierte Vater-Sohn-Beziehung - bei aller an diesem besonderen Arbeitsort gebotenen Zurückhaltung - auf überzeugende Weise mit Leben erfüllen. Cox‘ Tommy ist ein mit allen Wassern gewaschener alter Hase, der von keiner noch so makabren aus der Ruhe zu bringen ist. Dahingegen lässt sich sein Sohn bei allem Bemühen um Professionalität von seinen privaten Problemen ablenken und gerät angesichts der entsetzlichen Entdeckungen bei der Arbeit an Jane Doe (Olwen Catherine Kelly ist als mysteriöse Leiche die dritte Hauptdarstellerin) außerdem zunehmend aus der Fassung.

    Øvredals weitgehend schnörkellos inszenierter Film mit seinem kühlen Setdesign, der präzisen Kameraarbeit und der effektiv eingesetzten Musik ist in erster Linie ein Pathologen-Krimi, in dem die Ärzte die Ermittler sind. Sie versuchen anhand der sich bei der Obduktion anhäufenden Indizien nach und nach den Fall zu rekonstruieren. Das ist höchst spannend und noch mehr: Die Dinge, die bei der oft wenig appetitlichen Untersuchung ans Licht kommen, werden nämlich immer unglaublicher und das sich aus den Puzzleteilen allmählich ergebende Gesamtbild sprengt die Grenzen jedes rein rationalen (Pathologen-)Verstandes. Ebenfalls sprengt es die Grenzen des relativ nüchternen Thrillers hin zum irrationalen Horror. Das wird nicht jedem gefallen, macht den Film jedoch umso origineller.

    Fazit: „The Autopsy Of Jane Doe“ ist ein Kammerspiel am Obduktionstisch, das als spannender Pathologen-Krimi beginnt und in wilden Horror jenseits aller Vernunft mündet.

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