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    Operation Duval - Das Geheimprotokoll
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Operation Duval - Das Geheimprotokoll
    Von Thomas Vorwerk

    Politthriller gibt es unter anderem in der Jason-Bourne-Variante, bei der die verschwörerischen Verstrickungen sich immer wieder in Gewalt und Action entladen, aber am anderen Ende des Spektrums natürlich auch in einer sehr viel ruhigeren Spielart ganz ohne Schießereien und Verfolgungsjagden. Ganz wie in der echten Politik besteht die Handlung dort dann fast ausschließlich aus Gesprächen. Mit seinem Regiedebüt „Operation Duval - Das Geheimprotokoll“ landet der Franzose Thomas Kruithof näher am zweiten Extrem als am ersten. Er ist bei seiner sehenswerten eigenen Version eines Politthrillers vor allem am (nicht gänzlich metaphorischen) „Überlebenskampf“ in einer kafkaesken Bürokratie interessiert.

    Der nicht mehr ganz junge Duval (François Cluzet) findet nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit, in denen er immerhin seine Alkoholsucht überwunden hat, plötzlich und unerwartet einen Job, bei dem er für 1500 Euro die Woche Telefonmitschnitte abtippen soll. Clément (Denis Podalydès), der Mann, der ihn anstellte, bleibt hierbei ebenso mysteriös wie Gerfaut (Simon Abkarian), der Duval öfters in seinem „Büro“ besucht (eigentlich eine kleine Wohnung, deren wichtigster Einrichtungsgegenstand eine elektrische Schreibmaschine ist). Eine ganze Weile macht Duval seltsam unbeteiligt seine Arbeit, obwohl es in den Telefonaten immerhin um eine Geiselnahme, die bevorstehende Wahl und vermutlich sogar einen Mord geht. Als er sich schließlich doch mit Kündigungsgedanken befasst, nimmt Gerfaut ihn mit auf einen nächtlichen „Außenjob“, bei dem es um ein wichtiges „Notizbuch“ geht. Durch das Eintreffen eines Wohnungsreinigers wird Duval zum aktiv Beteiligten, von nun wird er zunehmend in gefährliche Aktivitäten verwickelt.

    Als Zuschauer weiß man wie Duval zunächst gar nicht, was um ihn herum vorgeht. Die klaustrophobische erste halbe Stunde des Films ist augenscheinlich von Franz Kafka inspiriert, dessen Figuren ja auch gerne zwischen den Rädern der Bürokratie zermalmt werden. Der zurückhaltende und dennoch ausdrucksstarke François Cluzet („Ziemlich beste Freunde“, „Der Landarzt von Chaussy“) ist eine Idealbesetzung für die passive Figur des Duval, der lange Zeit nur herumgeschubst wird. Selbst seine romantische Bekanntschaft Sara (Alba Rohrwacher) spricht er nur an, weil der Chef der „Anonymen Alkoholiker“ so sicherstellen will, dass die neu dazugekommene Frau zwei „Kontakte“ für Notfälle hat - woraufhin sie Duval fragt, ob er „immer macht, was Albert sagt“.

    Duval tippt seine Manuskripte ab, puzzelt in seiner Freizeit und könnte eine sehr langweilige Figur sein, wenn ihm Cluzet nicht mit seinem Gesicht und insbesondere seinen Augen Leben einhauchen würde. Duval wirkt wie eine Kafka-Figur in einem Abhörfilm wie „Der Dialog“ oder „Das Leben der Anderen“, wird aber durch äußere Umstände dazu gezwungen, seine Passivität abzulegen. Er erinnert auch an die Privatdetektive des „Film noir“, die hier und da mal ein blaues Auge oder einen Streifschuss kassieren, aber ohne wirkliches Hintergrundwissen die verschiedenen Parteien, zwischen denen sie agieren, gegeneinander auszuspielen versuchen.

    Der Originaltitel des Films heißt übersetzt „Die Mechanik der Schatten“, was die Brücke schlägt zwischen den kafkaesken Hintermännern und der zwischenzeitig eingesetzten Makrofotografie (hat auch Francis Ford Coppola bei „Der Dialog“ eingesetzt), mit der Kruithof beispielsweise einen altertümlichen Audiorekorder so präsentiert, dass man ein wenig braucht, um das Gerät auch als solchen zu erkennen. Das gibt nebenbei der mysteriösen Handlung um ein Rädchen in einem mysteriösen kaum identifizierbaren Getriebe visuell Ausdruck. Selbst der Verzicht auf digitale Technik bei Duvals Schreibmaschinenjob ist doppelsinnig, denn er entspricht nicht nur der filmischen Vorliebe des Regisseurs für die 1940er und 1970er, sondern auch einem hochaktuellen Geheimdiensttrend, der Hackern den Zugriff auf geheime Daten erschweren soll.

    Die oft sterilen Räume werden hier in einer Ästhetik eingefangen, die an die Watergate-Bilder von Alan J. Pakula („Die Unbestechlichen“), aber auch an den Blick auf die moderne Architektur durch zeitgenössische Filmemacher wie Christian Petzold („Yella“) oder Tom Tykwer („The International“) denken lässt. Oder an die ähnlich reduzierten frühen Filme von Laurent Cantet („Der Jobkiller“, „Auszeit“). Zu dem gestalterischen Minimalismus gesellt sich in „Operation Duval“ auch ein erzählerischer: Die angedeutete Agentengeschichte um den meist nur in seinem Zimmer sitzenden und tippenden Protagonisten herum, wird zwar zu Ende erzählt, aber sie ist letztlich fast zweitrangig. Das Wesentliche liegt bei Kruithof in scheinbaren Kleinigkeiten wie etwa der im Laufe des Films immer weiter reduzierten Farbsättigung und der Kadrierung, die die Veränderungen in der Hierarchie zwischen den Figuren wiederspiegelt. Eine so zum Abstrakten neigende Erzählweise mag zwar den Zugang erschweren, entwickelt hier aber auch einen ganz eigenen Sog.

    Fazit: In diesem minimalistischen Polit-Thriller werden Elemente des Film Noir und des Paranoia-Kinos der 1970er in ein modernes Gewand gekleidet: eine sehenswerte Genrevariation, deren etwas sperrige Erzählweise ein wenig Geduld erfordert.

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