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    Bombshell - Das Ende des Schweigens
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Bombshell - Das Ende des Schweigens

    Die noch finsterere Seite von Fox News

    Von Christoph Petersen

    Nach den Oscars 2020 kann man durchaus das Gefühl bekommen, dass sich die Academy langsam, aber sicher öffnet – schließlich hat mit der südkoreanischen Thriller-Satire „Parasite“ zum ersten Mal in der 92-jährigen Geschichte der Oscars ein nicht-englischsprachiger Beitrag den Preis für den Besten Film gewonnen. Zugleich wurden die beiden favorisierten „Frauenfilme“ aber ausgerechnet und ausschließlich in den Kategorien ausgezeichnet, in denen es schon fast einem Klischee gleichkommt – „Little Women“ für die Besten Kostüme und „Bombshell – Das Ende des Schweigens“ für das Beste Haarstyling und Make-up.

    Aber während wir uns schon schwer wundern, warum Greta Gerwig für „Little Women“ nicht für das Beste Drehbuch ausgezeichnet und für die Beste Regie zumindest nominiert wurde, geht der eine Oscar für „Bombshell“ schon voll in Ordnung. Denn während Charlize Theron dank ihrer grandios-natürlichen Maske der Starmoderatorin Megyn Kelly tatsächlich zum Verwechseln ähnlich sieht, gerät Regisseur Jay Roach („Meine Braut, ihr Vater und ich“) bei seinem Versuch, den Belästigungsskandal bei Fox News einer satirisch-schwarzhumorigen „The Big Short“-Behandlung zu unterziehen, schon in den ersten Minuten erzählerisch und inszenatorisch ins Schlingern.

    Nein, das links ist nicht die echte Megyn Kelly, sondern tatsächlich Charlize Theron in ihrer oscarprämierten Maske.

    Im Juli 2016 reicht die gefeuerte Fox-News-Moderatorin Gretchen Carlson (Nicole Kidman) Klage gegen den Chef des Senders ein: Der mächtige Medienmacher Roger Ailes (John Lithgow) soll sie über viele Jahre hinweg sexuell belästigt haben. Während Ailes und seine Getreuen alles versuchen, um die Glaubwürdigkeit von Carlson zu erschüttern, stellt sich die alles entscheidende Frage: Werden sich noch weitere Frauen bei Fox News trauen, das Schweigen zu brechen?

    Vor allem Megyn Kelly (Charlize Theron) könnte Ailes gefährlich werden – zugleich hat die Starmoderatorin aber eh schon ein Jahr voller Anfeindungen hinter sich, nachdem sie Präsidentschaftskandidat Donald Trump in einem Interview mit seinen frauenfeindlichen Aussagen konfrontiert hat. Unterdessen wird die aufstrebende Nachwuchsmoderatorin Kayla Pospisil (Margot Robbie) ins Büro von Ailes gerufen, um ihre Zukunftschancen bei Fox News zu besprechen…

    Fake News, realer Missbrauch

    Es wird einem ja schon oft genug schlecht, wenn man sich Fox News nur anschaut – aber wenn man in „Bombshell“ nun (noch einmal) vor Augen geführt bekommt, wie toxisch es bei der Propagandaschleuder erst hinter den Kulissen abläuft, möchte man wirklich nur noch kotzen. Und das sind dann auch die stärksten Szenen des Films – wenn etwa Kayla Pospisil vor dem schwer atmenden Roger Ailes ihren Rock solange immer weiter hochschieben muss, bis ihr Slip zum Vorschein kommt. Hier ist nichts spitzfindig oder doppeldeutig – wer sich schon „on air“ derart selbstverständlich misogyn äußert, der geht halt auch bei der sexuellen Belästigung hinter den Kulissen nicht sonderlich subtil vor. Das ist einfach nur zutiefst abstoßend und kaum noch erträglich.

    Einer von Ailes‘ Leitsprüchen lautet dann auch: „If you want to get ahead, give a little head“ („Wenn du nach vorne kommen willst, dann mach’s mit dem Mund“). Die für diese Rolle oscarnominierte Margot Robbie („Harley Quinn: Birds Of Prey“) spielt Kayla, die als Kompositionsfigur stellvertretend für gleich eine ganze Reihe junger Moderatorinnen steht, als idealistische Vollblut-Konservative, für die das Programm des Senders fast so etwas wie eine Ersatzreligion darstellt. Statt in den Gottesdienst zu gehen, wird bei ihren Eltern an Feiertagen traditionell Fox News geschaut – und so gibt es nicht wenige Parallelen zum (Macht-)Missbrauch in der Kirche: Für Kayla bricht eine ganze Glaubenswelt zusammen – und die Schuld sucht sie zunächst bei sich selbst, denn die Moderatoren und Macher von Fox News sind schließlich alle eine Art heilige Krieger für die gerechte Sache.

    Ebenfalls kaum wiederzuerkennen: John Lithgow als Fox-Mogul Roger Ailes.

    Das eigentliche Zentrum der Erzählung bleibt dennoch die ebenfalls für den Film oscarnominierte Charlize Theron („Monster“) als Megyn Kelly – schließlich verfestigt sich schnell der Eindruck, dass der Fall mit ihrer Entscheidung, endlich zu sprechen oder weiter zu schweigen, entschieden werden wird. Aber abseits der spannungsfördernden Frage, ob sie nun an die Öffentlichkeit tritt oder nicht, kommt ihr der Film als Persönlichkeit nicht wirklich näher – die Szenen, in denen der immense Druck, der auf ihr lastet, angedeutet werden soll, wirken dafür einfach zu sehr wie von der Stange (etwa wenn im Urlaub plötzlich ein Paparazzo durchs Fenster die Tochter fotografiert).

    Fast noch weniger erfahren wir über Gretchen Carlson, weshalb Nicole Kidman auch die am wenigsten erinnerungswürdige Performance abliefert (und als einzige aus dem Trio keine Oscar-Nominierung eingefahren hat): Nachdem sie die Klage erst einmal eingereicht hat, fühlen sich die folgenden Szenen mit ihr eher wie die Erfüllung einer Pflichtaufgabe an (schließlich hat sie den Stein ins Rollen gebracht, da kann man sie nicht aus großen Teilen des Films ganz weglassen). Aber weitergehende Einblicke in ihre Gedankenwelt bleiben Mangelware – stattdessen wiederholen die Macher solange denselben Punkt, bis es auch noch der letzte Zuschauer verstanden hat: Jedes Mal, wenn eine der Frauen gefragt wird (oder sich selbst die Frage stellt), warum sie hervortreten und etwas sagen sollte, schneidet die Kamera zu einer ihrer Töchter. Beim ersten Mal ist das ein starkes Statement – aber beim fünften Mal schon längst nicht mehr…

    Darf man darüber lachen?

    Doch das zentrale Problem ist gar nicht, dass Drehbuchautor Charles Randolph trotz all seiner weitreichenden Recherchen (es treten wirklich Dutzende von bekannten Medienfiguren im Film auf) an manchen Stellen ein wenig zu sehr an der Oberfläche haften bleibt. Vielmehr gelingt es Regisseur Jay Roach nicht, einen stringenten Tonfall für seine Erzählung zu etablieren. Nach seinen allseits gefeierten TV-Polit-Filmen „Recount“ (über die vermeintlichen Wahlmanipulationen in Florida bei der Wahl 2000) und „Game Change“ (über den Aufstieg von Sarah Palin) scheint er nun auf der großen Leinwand mehr auf einen satirischen Meta-Ansatz á la „The Big Short“ oder „Vice – Der zweite Mann“ setzen zu wollen.

    Zumindest eröffnet „Bombshell“ mit Off-Kommentaren von Gretchen Carlson und Megyn Kelly, die die Vorgänge bei Fox News in augenzwinkernder „Vice“-Manier einordnen – und wenn der Nachrichtenraum, also die unterste Stufe der Nahrungskette des Senders, vorgestellt wird, recken die dort arbeitenden Journalistinnen ihre hochgestreckten Daumen in die Kamera, weil immerhin seit vier Monaten keine Ratte mehr bei ihnen gesichtet wurde. Aber diese satirische Überhöhung wird mittendrin genauso plötzlich fallengelassen wie die Off-Kommentare, die erst ganz zum Schluss erneut einsetzen. Ist das Thema womöglich zu ernst, um sich darüber lustig zu machen? Was auch immer das Ergebnis ist: Jay Roach hätte diese Frage besser vor Drehbeginn für sich beantworten sollen.

    Fazit: Stark recherchiert und gespielt – aber Regisseur Jay Roach findet einfach keinen kohärenten Zugriff auf den hochbrisanten Stoff, der selbst in dieser nicht immer stimmigen Form trotzdem nachhaltig aufwühlt.

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