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    "Avengers 4: Endgame": Darum ist Thor absolut (un)lustig

    In „Avengers: Endgame“ wurde die Figur von Donnergott Thor (Chris Hemsworth) auf gewagte Weise neu ausgelegt. Wir diskutieren, ob der neue Thor zum Lachen oder einfach nur lächerlich ist...

    The Walt Disney Company

    Pro: Thor ist in "Endgame" der Hammer

    Von Christian Fußy

    Auch wenn ich der ursprünglichen Version von Thor (Chris Hemsworth) aus „Thor“ und „Thor 2: The Dark Kingdom“ durchaus etwas abgewinnen kann, finde ich trotzdem, dass die Frischzellenkur, die Taika Waititi und sein Team dem Donnergott in „Thor 3: Tag der Entscheidung“ verpasst haben, eine absolute Offenbarung für das MCU ist. „Tag der Entscheidung“ ist der Ausreißer in die andere Richtung, der bitter nötig war, um aus allen vorherigen Iterationen am Ende eine perfekte Version von Thor zu schmieden: den Mann, der in „Avengers 4: Endgame“ die Leinwand rockt.

    Nach der verlorenen Schlacht gegen Thanos in „Avengers 3“ hat sich dieser seinen Launen hingegeben, verlässt das Haus nur noch zum Bier holen und begnügt sich damit, mit seinen Freunden Miek und Korg (Waititi) Videospiele zu spielen und in Erinnerungen an bessere Zeiten zu schwelgen. Mit abnehmender Motivation in Sachen Heldentaten hat sein Bauchumfang um einiges zugenommen und so sehen wir Thor in „Endgame“ das erste Mal nicht als schicken Surferboy mit L’Oréal-Frisur und Waschbrettbauch, sondern mit der ungebändigten Ausstrahlung eines Prachtgnus aus der afrikanischen Savanne, das gerade erfolgreich einen Löwen in die Flucht geschlagen hat, seitdem jedoch in stetiger Furcht das Wasserloch umwandert.

    Marvel Studios 2017

    Das nötige Gewicht

    Diese neue Version, eine dicke Mischung aus dem stoischen Muttersöhnchen der ersten „Thor“-Filme und dem lässigem Prügelprinzen aus „Thor 3“, ist neben Hulk (Mark Ruffalo) das komödiantische Highlight des Films. Und dennoch hat die Figur auch Gravitas und Charaktertiefe. Hemsworth, der richtig Spaß daran zu haben scheint, auch mal einen Dicken mimen zu dürfen, lässt nicht nur seine Comedy-Muskeln spielen, sondern erdet Thors neue Verschrobenheit mit greifbarer Emotionalität.

    Auch wenn seine neue Körperform von der Kamera betont unschmeichelhaft präsentiert wird und vor allem Rocket Raccoon (Sean Gunn, Stimme: Bradley Cooper) keine Gelegenheit auslässt, sich über sein Gewicht lustig zu machen, ist Thor alles andere als nur ein Boxsack. Er ist ein gefallener Held, der desillusioniert und ziellos nach einem Grund für seine fortlaufende Existenz sucht.

    Thors tragische Familiengeschichte, der Verlust seiner Heimat, seine Schuldgefühle und der Druck, der als Anführer seines Volkes und Sprössling des Allvaters Odin auf ihm lastet, sind Auslöser für seine in „Endgame“ offensichtlichen psychischen Probleme, die im Laufe des Films behandelt werden. Der Tod der Mutter in „Dark Kingdom“ ist sogar ein zentraler Handlungspunkt, bei dem Thor humanisiert und seine Trauer ernst genommen wird. Selbst sein Gefährte Rocket, der ihn vorher nur verspottet hat, behandelt Thor von diesem Zeitpunkt an viel sensibler.

    Die Mischung macht's

    Wenn am Ende Cap (Chris Evans), Tony (Robert Downey Jr.) und Thor gemeinsam gegen Thanos in die Schlacht ziehen, bekommt der mittlerweile von seiner Trübsal etwas geheilte Donnergott auch nicht auf magische Weise seinen Astralkörper zurück, sondern schreitet mit dem Bierbauch unterm Harnisch in die Schlacht. Seine mit Sturmbrecher und Mjölnir ausgetragene Konfrontation mit Thanos ist dann auch kein Aufhänger für einen weiteren Joke auf Hemsworth‘ Kosten, sondern gewohnt ehrfurchtgebietend und badass wie ein Led-Zeppelin-Riff.

    Wenn Thor, der nach „Endgame“ seine vermeintliche Bestimmung abgestreift und sich auf die Suche nach seinem wahren Platz im Universum den Guardians angeschlossen hat, diesen Spagat zwischen Hamlet und Hampelmann beibehalten kann, könnte er schnell zu einer meiner liebsten Figuren im gesamten MCU werden.

    Contra: In den Worten des Donnergottes: "Nicht würdig"

    Von Daniel Fabian

    Die Tatsache, dass die Trailer zu „Avengers 4: Endgame“ wirklich kaum etwas vorweggenommen haben, bringt für den Film selbst natürlich den einen oder anderen Überraschungseffekt mit sich. Und in einer Zeit, in der Trailer gefühlt oft schon den kompletten Film zeigen, ist das ganz wunderbar – eine echte Wohltat. Der Nachteil: Dadurch war es mir auch unmöglich, mich auf das vorzubereiten, was zur Hölle die Filmemacher mit Thors Figur (und zwar im doppelten Sinne) vorhaben.

    Chris Hemsworth ist ein unfassbar sympathischer Kerl, mit den „Thor“-Filmen konnte ich allerdings nie wirklich viel anfangen. Das ist aber auch nicht weiter schlimm, es hat ja jeder Helden, die er mehr oder weniger gernhat. Während in „Thor 3: Tag der Entscheidung“ aber immerhin deutlich wurde, dass nicht nur Regisseur Taika Waititi, sondern auch Hemsworth selbst Spaß an seiner Rolle hat, hat man den Bogen in „Endgame“ einfach maßlos überspannt.

    The Walt Disney Company

    Nachdem man in „Infinity War“ schon den Kleinwüchsigen Peter Dinklage zum Riesen machte, folgt jetzt also die dicke Version des Muskelprotzes. Wow. Das klingt irgendwie nach einer ganz, ganz miesen Komödie aus den 80er Jahren, in der wohl Danny DeVito und Arnold Schwarzenegger die Hauptrollen gespielt hätten. Das wäre damals zwar nicht weniger einfallslos gewesen, würde dank Charisma-Pluspunkten aber vielleicht tatsächlich noch Spaß machen...

    Einer aus 20

    Der Witz im Marvel Cinematic Universe funktionierte bei mir schon immer nach dem Hit-or-Miss-Prinzip – der eine zündete, der andere nicht. Bis man irgendwann einfach einem Gag-Dauerfeuer erlag, dem man unmöglich folgen konnte. Ganz nach dem Motto: „Masse statt Klasse“ – Wie auch das blinde Huhn, das mal ein Korn findet, wird schon auch der Zuschauer mal auf eine Pointe stoßen, die ihn amüsiert. Wenn von 20 potenziellen Schenkelklopfern aber nur einer tatsächlich aufgeht, bin ich jedoch eher jemand, der sich an den 19 Schüssen ins Leere stört. Leider.

    Während sich bei mir also langsam MCU-Betäubungserscheinungen breitmachen, beginnt „Endgame“ erstaunlich gut. Auf den dramatischen Einstieg folgen einige Sprüche, die für mich fast schon eine Frische hatten, die ich zuletzt an „Shazam!“ genoss. Sobald aber Thor seine Stand-Up-Bühne betritt, ist es vorbei. Nicht etwa, weil er sich ein Fass Bier nach dem nächsten reinpfeift und dem Dude aus „The Big Lebowski“ später auch tatsächlich zum Verwechseln ähnlich sieht, - denn für popkulturelle Anspielungen in Filmen habe ich wirklich etwas übrig -, sondern weil sich sowohl Thor als Charakter als auch der Humor im Film von da an nur noch über diese Nummer definiert. Danke, war eine nette Idee, über die ich vielleicht auch einmal (!) schmunzeln kann. Deswegen muss ich den Donnergott aber noch lange nicht in jeder Szene sehen, wenn er furzt, rülpst oder seine Plauze in die Kamera streckt.

    Plump und infantil

    Ja, schon klar, als Ausdruck seiner Unwürdigkeit, Thanos in die Knie zu zwingen, wird Thor zum frustsaufenden Einsiedler. Das macht zwar durchaus Sinn, ist mir allerdings nur völlig egal. Denn Thor, der mit seiner Bestellung in einem Diner einst eine der lustigsten Szenen des kompletten MCU ablieferte und der nun, wo er praktisch alles verloren hat, was ihm einst wichtig war, gebrochen ist, sehe ich gar nicht mehr – sondern lediglich diesen bierbäuchigen Hampelmann, der auf Biegen und Brechen versucht, Lacher zu provozieren. Das ist weder Thor-würdig, noch ist es für sich alleinstehend lustig, sondern einfach billige Comedy mit der Brechstange, wie ich sie selbst im Marvel Cinematic Universe selten erlebt habe.

    Nein, ich bin kein verbitterter Nerd, kein Klamauk-Gegner oder MCU-Hater. Ich lache gerne und finde sogar, dass der Humor lange Zeit zu den großen Stärken des Marvel Cinematic Universe zählte. Und spätestens seit „The Cabin In The Woods“ habe ich auch Chris Hemsworth ins Herz geschlossen. Es ist ganz einfach die Auslegung seiner Figur in „Avengers: Endgame“, die mich ungläubig den Kopf schütteln lässt. Da kommt es nach elf Jahren und 22 Filmen zum epischen Showdown… und der Donnergott hat nichts Besseres zu tun als seine emotionale, durchaus herzzerreißende Achterbahnfahrt der Gefühle mit infantilem Gesaufe und Gerülpse obsolet zu machen.

    „Avengers 4: Endgame“ läuft derzeit in den deutschen Kinos.

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