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    Vier Hochzeiten und ein Todesfall
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Vier Hochzeiten und ein Todesfall
    Von Jens Hamp

    Irgendwann erreicht man dieses Alter, in dem immer mehr Freunde und Bekannte plötzlich sesshaft werden. Sie beginnen ihr Leben zu planen, malen sich die Namen ihrer zukünftigen Kinder aus – und im schlimmsten Fall heiraten sie sogar. Als professioneller Single oder Eheverweigerer hat man es in diesen Situationen schwer. Ständig flattern Einladungen ins Haus, auf denen einem das junge Glück entgegenlacht. Verzweifelt begibt man sich auf die Suche nach halbwegs einfallsreichen Geschenken, verbringt die Wochenenden auf unbequemen Kirchenbänken und steht in Schlangen vor reichhaltig gefüllten Buffets. Als der britische Drehbuchautor Richard Curtis, der zuvor mit den Comedy-Serien „Black Adder“ und „Mr. Bean“ Erfolge feierte, feststellte, dass er in zehn Jahren auf insgesamt 72 Hochzeitsfeiern eingeladen war, begann er die Geschichte einer Clique von Freunden zu spinnen, die den Trubel eines solchen Hochzeitswahnsinns durchleben muss. So entstand mit Mike Newells Komödie „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ einer der größten britischen Filmhits aller Zeiten.

    Charles (Hugh Grant), ein überzeugter Single, lernt auf einer Hochzeitfeier die bezaubernde Amerikanerin Carrie (Andie MacDowell) kennen. Die Freude währt jedoch nur die „Hochzeitsnacht“ hindurch, schon am nächsten Morgen ist das Kissen neben Charles leer. Für Charles ist dieser One Night Stand ein weiterer Beweis dafür, dass es die dauerhafte Liebe nicht geben kann. Doch schon auch auf der nächsten Hochzeit stolpern Charles und Carrie wieder übereinander…

    Selbst Mitte der Neunziger, als die „vier Hochzeiten“ das Licht der Welt erblickten, entsprach die Grundhandlung den klassischen Zügen einer romantischen Komödie. Begleitet von viel Trubel und zahlreichen Verwicklungen verlieben sich die Hauptfiguren ineinander. Ausschlaggebend für den großen Erfolg des Filmes ist in erster Linie wohl Richard Curtis’ Drehbuch, das mit spitzfindig pointierten Dialogen und stark ausgearbeiteten Figuren aufwartet. Neben Charles, dem schusseligen Sympathieträger, sticht unter den Nebenfiguren vor allem Gareth (Simon Callow, Shakespeare In Love, „A Room With A View“) hervor, der sich mit seiner extrovertierten Art stets in den Vordergrund spielt und mit seinen herrlichen Späßen, wie etwa dem Besorgen der Faxnummer Oscar Wildes, für kurzweilige Unterhaltung sorgt.

    Die eigentliche Handlung entfaltet sich überwiegend auf den titelgebenden Festivitäten. Hier werden die Liebesnöte der Figuren erörtert und über das Leben an sich „philosophiert“. Wirklich herrlich sind die kleinen Eigenheiten, mit denen Richard Curtis die jeweiligen Hochzeiten für den Zuschauer versüßt. Sei es Rowan „Mr. Bean“ Atkinson als schrecklich vergesslicher Pfarrer, der sich nicht einmal während des Treueschwurs die Namen des zukünftigen Ehepaares merken kann. Oder aber die grenzwertige Sitzungsordnung in einem der Festsäle, die dafür sorgt, dass sich Charles an einem Tisch mit seinen Verflossenen wiederfindet und dabei nahezu kein Fettnäpfchen auslässt. Oder natürlich die eröffnende Hochzeit, die der notorische Verschläfer Charles fast durch das Vergessen der Ringe sprengt.

    Erstaunlicherweise ist es aber die im Titel erwähnte Beerdigung, die dem Zuschauer wahrscheinlich am längsten in Erinnerung bleiben wird. Einer der Freunde trägt hier für den Verstorbenen das Gedicht „Funeral Blues“ von W.H. Auden vor - einer der wunderbar traurigsten Momente der Filmgeschichte.

    Für Hugh Grant war der Auftritt auf den „vier Hochzeiten“ Grundstein für eine Weltkarriere. Zwar wurde er schon zuvor von Roman Polanski („Bitter Moon“) und James Ivory (Was vom Tage übrig blieb und „Maurice“) für zentrale Rollen engagiert – die Herzen der weiblichen Kinobesucher und Kritiker (ausgezeichnet mit einem Golden Globe in der Kategorie „Bester Darsteller Komödie/Musical“) eroberte er aber erst als trotteliger Charmebolzen Charles. Gegen diese sympathisch-überzeugende Darbietung wirkt das Auftreten Andie MacDowells (Green Card, The Player) – trotz Golden-Globe-Nominierung – verhältnisgemäß hölzern. Vor allem in den finalen Minuten ist sie nicht annähernd so emotional und ausdrucksstark, wie es das Drehbuch für ihre Figur eigentlich vorsieht.

    Diese schwächelnde Leistung können die - nunmehr - namhaften Nebendarsteller jedoch gänzlich in den Hintergrund rücken. Sei es Kristin Scott Thomas (Der englische Patient) als spitzzüngige und hoffnungslos verliebte Fiona, die leider zu früh verstorbene Charlotte Coleman als flippige Scarlett oder John Hannah (Die Mumie, Die Mumie kehrt zurück), der alleine schon mit seiner intensiven Grabrede Andie MacDowell gänzlich in den Schatten stellt.

    Wahrscheinlich haben nicht einmal die Produzenten mit einem derartigen Erfolg gerechnet, als sie „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ grünes Licht gaben – immerhin war das Budget so beschränkt, dass die Statisten in eigener Festgarderobe zu den Dreharbeiten erscheinen mussten. Dank schrecklich sympathischer Figuren und herzhafter Dialoge erweist sich die britische Romanze aber als wahrer Volltreffer, der wohl nie Staub ansetzen wird. Denn auch in etlichen Jahren wird der Irrsinn realer Hochzeitsgesellschaften noch ähnlich verrückt verlaufen, wie es Regisseur Mike Newell (Harry Potter und der Feuerkelch) in seiner romantischen Komödie zeigt.

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