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    Hostel
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Hostel
    Von Carsten Baumgardt

    Die schlechte Nachricht zuerst: Der um Eli Roths „Hostel“ im Vorfeld entfachte Hype ist unbegründet. Die gute Nachricht: Den hat der Thriller-Schocker aber auch gar nicht nötig. Das zweite Werk des Horror-Regisseurs gefällt als kleine, dreckige und gemeine Genreproduktion, die alles aus den begrenzten Möglichkeiten herausholt – und ist dabei nicht halb so brutal, wie das verkaufte Image des Films.

    Die beiden amerikanischen Rucksacktouristen Paxton (Jay Hernandez) und Josh (Derek Richardson) wollen auf ihrer Tour quer durch Europa nur eines: Spaß. Alkohol, leichte Drogen und Mädchen en masse. In dem Isländer Oli (Eythor Gudjonsson) finden sie unterwegs einen Verbündeten auf ihrem Partyfeldzug in der Alten Welt. In Amsterdam gibt ihnen der Russe Alex (Lubomir Bukovy) einen unschlagbaren Geheimtipp. In einer Herberge in Bratislava soll ein Backpacker-Paradies mit bildhübschen, willigen Frauen liegen. Das Trio macht sich auf in die Slowakei und erlebt Abenteuer, die ihre kühnsten Träume übertreffen. Die lokalen Schönheiten Natalya (Barbara Nedeljakova) und Svetlana (Jana Kaderabkova) ziehen Paxton und Josh in ihren Bann. Oli ist nach einer durchzechten Nacht plötzlich verschwunden. Seine beiden Freunde machen sich auf den Weg, ihn zu suchen, bleiben aber erfolglos. Als auch Josh spurlos von der Bildfläche verschwindet, beginnt Paxton zu ahnen, dass sie sich in einer tödlichen Falle befinden...

    Eli Roth polarisierte mit seinem blutigen Kinoerstling Cabin Fever auf das Brutalste und spaltete die Lager in Bewunderer und Hasser. In eine ähnliche Richtung geht es auch bei seinem Nachfolger „Hostel“ – wenn auch nicht mehr in dieser extremen Ausprägung. Bei allem, was von Verleihseite inszeniert wird, darf nicht vergessen werden, dass dieser Film lediglich eine mit 4,5 Millionen Dollar sehr gering budgetierte Produktion ist, die zwar als neue Instanz auf dem Blutmarkt verkauft wird, diese Vorgaben aber im letzter Konsequenz gar nicht einlösen will und kann. Es gibt in den 93 Minuten drei bis vier frontale Brutalattacken, die in der Intensität aber nicht an Alexandre Ajas Terror-Schocker The Hills Have Eyes und High Tension heranreichen. Dieses Missverständnis ist aber nicht die Schuld von Eli Roth. Der leistet nämlich erstklassige Arbeit und holt aus seiner kleinen, fiesen Geschichte das Optimum heraus. „Hostel“ ist eine launige Genreproduktion, die atmosphärisch überzeugt. Die Einführung wirkt wie eine Variante von Jeff Schaffers Teenie-Komödie Eurotrip, die dann aber in menschlicher Perversion entartet und nicht im Klamauk endet. Interessant ist auch die Parallele, dass die Backpacker in beiden Filmen bizarre Abenteuer in Bratislava erleben.

    Was „Hostel“ über das Niveau der üblichen durchschnittlichen Horror-Remakes aus den 70ern hebt, ist die forsch-kernige Herangehensweise von Roth. Da sein Horror-Reißer sowieso ab 18 Jahren freigegeben wird, serviert er seinem Publikum auch gleich stilecht eine Familienpackung blanker Brüste zum Schlachtfest. Somit entfällt die Verlogenheit vieler glattgebügelter US-Horror-Produktionen, die zwar Brutalität zelebrieren, aber zu keusch sind, ein paar nackte Tatsachen sprechen zu lassen. Roth geht den ganzen Weg, was der Atmosphäre sichtlich zugute kommt. Die Zeit bis zum ersten Terrorakt ist recht lang. Doch genau das ist auch notwendig, um die nötige Spannung innerhalb der Figuren aufzubauen und sie mit dem Zuschauer vertraut zu machen. Wenn sich später keiner drum schert, wer dort gerade malträtiert wird, funktioniert der ganze Film nicht.

    Der Ort, an den die Opfer verschleppt werden, gestaltet sich dann auch so unwirtlich, wie nur vorstellbar. Ein verlassenes Industriegelände ist das El Dorado für die ganz kranken Freaks. Die Einheimischen organisieren für reiche Ausländer Folteropfer, an denen sie sich nach Herzenslust austoben können. Hier dreht Roth schon kräftig an den Daumenschrauben, eliminiert den anfänglichen leichten Humor und lässt Blut spritzen. Doch er mutet seinem Publikum nicht die volle Dosis zu. Bevor es zu arg wird, und „Hostel“ zu einem lupenreinen Terrorfilm mutiert, blendet er aus, zieht aber glücklicherweise immer die richtigen Konsequenzen für seine Figuren. Das heißt im Umkehrschluss keineswegs, dass hier ein Kindergeburtstag gefeiert wird, es geht schon zur Sache und für zartbesaitete Gemüter ist der Film sicherlich eine Qual.

    Auf die Idee zu „Hostel“ brachte Roth der Movie-Nerd Harry Knowles, der Überlieferungen zufolge im Internet eine Seite über einen Ort in Thailand fand, wo Perverse ihre Mordlust für Geld ausleben können. Ob dies auf Tatsachen beruht oder als PR-Legende bei der Vermarktung des Films helfen soll, ist nicht abschließend zu klären. Die Schauspieler erledigen ihre Aufgaben genregerecht überzeugend. Für die Freunde des asiatischen Kinos gibt es ein besonderes Schmankerl. Takashi Miike (The Call, The Great Yokai War, Audition) hat einen kleinen Gastauftritt als Folterfanatiker. Jay Hernandez (Im Feuer, World Trade Center, Friday Night Lights) und Derek Richardson bilden ein halbwegs sympathisches Duo, dem mühelos abzunehmen ist, dass sie den hinterlistigen Schönheiten Barbara Nedeljakova und Jana Kaderabkova blind verfallen. Kult-Regisseur Quentin Tarantino (Reservoir Dogs, Pulp Fiction, Jackie Brown, Kill Bill Vol. 1, Kill Bill Vol. 2) hält große Stücke auf Eli Roth. Er tritt als Executive Producer und Förderer der Medienkampagne (Quentin Tarantino präsentiert) auf. Mehr hat er mit dem Werk allerdings nicht zu tun - weder kreativ-künsterlisch noch sonstwie, was gern missverstanden wird. „Hostel“ ist für Genreanhänger eine ansprechende Wahl. Der Film erreicht nicht die Daumenschrauben-Intensität von Saw, hat aber Seele und ruppigen, rüden Charme. Roths größte Leistung ist es, seine Möglichkeiten voll auszureizen. Obwohl das Potenzial geringer einzuschätzen ist als beim verschenkten Saw 2, ist „Hostel“ das bessere, weil reifere, stilistisch kompaktere Werk - ein gefälliger, dreckiger Genrebeitrag, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

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