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    Bad Blood
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Bad Blood
    Von Christoph Petersen

    Die Unterschiede zwischen dem aufregenden Leben in der Stadt und dem harten auf dem Lande waren schon immer ein beliebtes Thema im Horror-Genre – gerade im US-Kino müssen diese Differenzen immer wieder als Auslöser für blutige Massaker herhalten. So haben die Vorurteile vom keuschen, republikanischen und fanatischen Landbewohner und dem ausschweifenden, demokratischen und gottlosen Stadtmenschen auch in neueren Produktionen ihren festen Platz, wie das ausgiebige Bedienen dieser Klischees in Filmen wie 2001 Maniacs, Der verbotene Schlüssel oder Texas Chainsaw Massacre beweist. Aber nicht nur in Amerika, wo die Kluft noch durch die politische Komponente verstärkt wird, spielt diese Problematik, die sich vor allem aus der Unkenntnis und dem Unverständnis des jeweils anderen Lebensstils ergibt, eine gewichtige Rolle. Mittlerweile hat sie auch in großen Teilen Europas eine große Bedeutung erlangt, wo ländliche Gegenden immer mehr unter Überalterung leiden – wodurch hier auch noch ein Generationenkonflikt hinzukommt – und so vom Aussterben bedroht sind. Es ist also kein Wunder, dass sich die Regisseure Tiago Guedes und Frederico Serra für ihren Debütfilm „Bad Blood“ dieses uramerikanischen Themas bedient haben, um den ländlichen Horror kurzerhand in ein abgelegenes portugiesisches Bergdorf zu verlegen - ein aufregendes Konzept, das über weite Strecken überzeugt, dem zum Schluss aber auch ein wenig die Luft ausgeht.

    Als Dr. Xavier Oliveira Monteiro (Adriano Luz) beschließt, von Lissabon in ein altes geerbtes Herrenhaus auf dem erzkatholischen Lande zu ziehen, ist der Rest seiner Familie von dieser Idee zunächst überhaupt gar nicht angetan. Und das ändert sich auch nach ihrer Ankunft nicht, drehen sich doch eine Vielzahl der Gespräche mit den Bewohnern des Dorfes nur um folkloristische Legenden und abergläubische Ammenmärchen, was vor allem Mutter Helena (Manuela Couto) immer stärker beunruhigt. Um die angestaubten Geschichten, von denen sich die schlimmsten auch noch ausgerechnet um ihr eigenes Haus ranken, ein für alle Mal aus dem Weg zu räumen, nimmt das Ehepaar an einer spirituellen Sitzung teil, die aber nicht unbedingt den erwünschten Ausgang nimmt. Und die beiden Söhne Rui (José Afonso Pimentel), der seine junge Schwester mit inzestuös angehauchten Beleidigungen demütigt, und Ricardo (Joao Santos) scheinen sich auch immer mehr zu ihrem Nachteil zu verändern…

    Stephen King hätte sicherlich seine Freude am konsequenten und ausführlichen Prolog von „Bad Blood“ gehabt, bei dem man kaum übertreiben würde, würde man behaupten, er nähme die kompletten ersten zwei Drittel des ganzen Films für sich in Anspruch. Aber ganz so übertrieben ist die Dramaturgie dann nicht angelegt, erhält doch der Horror durch beiläufige Bemerkungen und vorsichtige Erscheinungen auch in dieser Phase, die sich noch hauptsächlich um die Beleuchtung der Charaktere und der abergläubischen Eigenheiten der Dorfbewohner dreht, schon langsam Einzug in das Geschehen. Ist es bei einem guten Horrorfilm üblich, dass man sich den wahren Horror in seinem Kopf selbst dazudenken muss, geht „Bad Blood“ sogar noch einen Schritt weiter und überlässt es dem Zuschauer beinahe komplett, ob er sich in die Geschichten rund um übersinnlich erregte Nonnen oder an die Beine von menstruierenden Frauen urinierende Katzen überhaupt etwas Überirdisches oder gar Gefährliches hineininterpretieren möchte.

    So wird es erst eine Viertelstunde vor Schluss zwingend ungemütlich schaurig, vorher zieht der Film seine Spannung vielmehr aus der Frage, ob es sich bei „Bad Blood“ überhaupt um einen echten Horrorfilm und bei den Legenden der Dörfler um reale Geisterstorys handelt. Es braucht bei der ansonsten so realen Szenerie aber auch gar nicht so vieler übertriebener Schockmomente. Vielmehr reicht hier voll und ganz aus, was bei einem Hollywood-Film als erste zurückhaltende Andeutungen von Horror schon vor dem Vorspann verbraten würde, um im Kontrast zum gemütlichen portugiesischen Landleben den gleichen erschreckenden Effekt zu erzielen.

    Was die Inszenierung angeht, hat das unerfahrene Regie-Duo einen ausgesprochen ambitionierten Weg eingeschlagen – sie fangen das Geschehen in einem schlicht gehaltenen Arthouse-Stil ein, ohne dabei auf irgendwelche aufreizenden Spezial-Effekte oder andere visuellen Spielereien zurückzugreifen, wodurch „Bad Blood“ die meiste Zeit eher wie ein herkömmliches Familiendrama als ein Schauermärchen aussieht. Dies führt dazu, dass sowohl die Atmosphäre als auch die Dialoge über die alten Sagen erheblich ernster als in anderen Genre-Filmen wirken, weil man den alltäglich anmutenden Szenen nicht über die überhöhte Inszenierung von surrealen oder übersinnlichen Elementen entfliehen kann. Das Problem an dieser ruhigen, unaufgeregten Herangehensweise ist nur, dass der Film aber auch dann, wenn es schließlich doch noch etwas actionreicher zugeht, seinen Hintern nicht mehr wirklich hochbekommt und so der Showdown im eigenen, spätestens hier zu hoch angelegten Anspruch verpufft. So bleibt „Bad Blood“ ein hochinteressantes Experiment, das neue Pfade im ausgelutschten Spukhaus-Genre erkundet, dessen Konzept aber im Endeffekt auch nicht über die ganzen hundert Minuten voll aufgeht.

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