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    Shadowboxer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Shadowboxer
    Von Christoph Petersen

    Auf dem FantasyFilmFest 2007 entpuppt sich die Queen plötzlich als großer Fan modernster Schalldämpfer und anderer hilfreicher Waffenaccessoires. Noch bevor die großartige Helen Mirren im vergangenen Jahr in ihrer oscarprämierten Rolle als britisches Staatsoberhaupt in Stephen Frears’ Die Queen brillierte, gab sie in Lee Daniels´ melancholischem Thriller-Drama „Shadowboxer“ eine Profikillerin, die in Anbetracht eines schmerzhaften Krebstodes ihr Gewissen entdeckt. Gemeinsam mit Oscarpreisträger Cuba Gooding Jr., Quentin Tarantinos Death Proof - Todsicher-Girlie Vanessa Ferlito und „Blade“-Bösewicht Stephen Dorff stellt sie einen beeindruckenden Cast, der den ungewöhnlichen Film über so manch eine Storylücke hinüberrettet.

    Gemeinsam mit ihrem Protégé und Lover Mikey (Cuba Gooding Jr.) erledigt Rose (Helen Mirren) stets zur Zufriedenheit ihrer Klienten perfekt ausgeführte Auftragsmorde. Mittlerweile ist Rose jedoch unheilbar an Krebs erkrankt, deshalb soll ihr nächster Job zugleich auch ihr letzter sein. Der psychopathische Gangster Clayton (Stephen Dorff) will seine schwangere Frau Vicki (Vanessa Ferlito) aus dem Weg räumen, weil er sich in seinem wirren Kopf nicht sicher ist, ob das Kind wirklich von ihm ist. Doch kurz vor ihrem eigenen Tod entdeckt Rose ihr Gewissen, bringt es nicht übers Herz, das arme Mädchen auszulöschen, hilft ihr stattdessen gar bei der Geburt und versteckt sie und ihr Baby anschließend in einer kleinen Villa auf dem Lande. Hier wird aus den Vieren eine richtige kleine Familie. Rose kämpft mit ihrer Krankheit, Vicki kümmert sich um ihr Kind und Mikey bringt durch weitere Morde das nötige Kleingeld mit nach Hause. Ein Jahr später erliegt Rose ihrem Leiden, und Clayton geht auch irgendwann auf, dass seine Frau damals wohl doch nicht das Zeitliche gesegnet hat...

    „Shadowboxer“ ist ein ungewöhnlicher, ja, fast schon verrückter Film. Mit dem insgesamt reichlich kruden Genremix, dessen zerfaserte Erzählstruktur Autor William Lipz so bestimmt nicht auf einer herkömmlichen Drehbuchschule gelernt hat, wird sich ganz sicher nicht jeder anfreunden können. Natürlich weist „Shadowboxer“ die erwarteten Auftragskiller- und Gangsterfilmelemente auf, präsentiert diese sogar in überraschend radikaler Form, zugleich will Regisseur Daniels aber auch ein sich selbst ernstnehmendens, insgesamt stolze sechs Jahre umspannendes Drama erzählen. Dieses handelt vom generationsübergreifenden Fortbestehen und Vererben von Gewalt, ist in dieser Hinsicht gar nicht soweit von David Cronenbergs Gewaltparabel A History Of Violence entfernt, natürlich ohne deren überragende Qualität jemals ganz zu erreichen. Die hierzu notwenigen Zeitsprünge reißen den Zuschauer immer wieder aus dem Geschehen, lassen dieses so auf einer beinahe metaphorischen Ebene hängen, nur der konsequent melancholische Grundton hält die einzelnen Abschnitte auf Dauer zusammen. Auch einzelne Szenen stehen komplett konträr zueinander. Da gibt es auf der einen Seite die superbrutalen Gewaltexzesse, etwa wenn Mikey mit einer Gartenschere der kleine Finger abgetrennt wird. Auf der anderen aber auch beinahe poetische Erotikszenen, die aber dennoch verstören, weil man die Beziehung zwischen Rose und Mikey nie genau einschätzen kann, zu sehr schwankt diese zwischen wilder Sexualität und einem fürsorglichen Mutter-Sohn-Verhältnis. Diese Genrehüpfer und die durchgehend aufrechterhaltene Distanz zu den Figuren machen es dem Zuschauer sicherlich nicht gerade leicht, auf die Geschichte anzuspringen, aber sie verpassen dem Film auch eine interessante Note, die ihn vom Gros durchschnittlicher Genrekost abhebt und zu etwas Besonderem macht – ob in positiver oder negativer Hinsicht, muss schlussendlich jeder für sich selbst entscheiden.

    Woran dann wieder alle ihren Spaß haben sollten, ist die für einen Genrefilm dieser Größenordnung überraschend hochkarätig gefüllte Besetzungsliste. Allen voran natürlich die wunderbare Helen Mirren (Gosford Park, Kalender Girls) – wer hätte bitteschön nicht dafür gemordet, die britsche Charaktermimin in der Rolle einer eiskalten Auftragsmörderin zu sehen? Wenn sie zu Beginn barfuß auf dem Weg zu ihrem nächsten Kill durch eine Villa schleicht, erinnert dies an ihre Darstellung der gefühlskalten Lehrerin in „Tötet Mrs. Tingle“. Später dann gibt sie das besorgte Mütterchen, wobei stets auch eine sinnlich-sexuelle Nuance mitschwingt. Die ganze Bandbreite einer so dermaßen talentierten Schauspielerin in einem Film – was will man mehr? Und auch Cube Gooding Jr., der nach seinem Oscargewinn mit Jerry Maguire in den letzten Jahren zwischen Licht („Besser geht`s nicht“, Rat Race) und Schatten (Boat Trip, Instinkt) wandelte, hat hier als nur scheinbar mechanischer Killer wieder einen seiner besseren Momente erwischt. Während Stephen Dorff (Alone In The Dark, Cold Creek Manor) als psychopathischer Bösewicht gewohnt souverän das abliefert, was er nun mal am besten kann, sorgt vor allem Sängerin Macy Gray (Domino, Idlewild) mit ihrer verschnupften Stimme in einer kessen Nebenrolle für einige wirklich gelungen unterhaltsame Passagen.

    Fazit: Lee Daniels hat hier sicher keinen ganz normalen Noir-Thriller abgeliefert. Aufgrund der ungewohnt metaphorischen Erzählform ist jede Einschätzung von dilettantischem Machwerk bis hin zu einem Geniestreich bestens nachzuvollziehen. Nur zwei Sachen sind sicher, „Shadowboxer“ ist hervorragend besetzt und beim besten Willen nicht uninteressant - gerade für Genrefans hält er noch einige unbekannte Nuancen bereit.

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