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    Rendezvous
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Rendezvous
    Von Christoph Petersen

    Alexander Schülers intimes Drama „Rendezvous“, eine Verfilmung des gleichnamigen Theaterstücks von Bob L. Sack, spielt nur in einer einzigen Wohnung. Nach ausdauernden Proben hat Schüler das Geschehen in langen Takes in nur 14 Tagen mehrfach abgedreht und dann in monatelanger Arbeit zusammengeschnitten. Nicht gerade die besten Voraussetzungen für einen spannenden Abend im Kino, wo Theater in etwa so überflüssig ist wie ein Tropf. Aber Schüler schafft es, seinen präzisen Darstellerleistungen und entlarvenden Dialogen genug filmspezifische Qualitäten hinzuzufügen, dass auch der Zuschauer vor der Leinwand und nicht nur vor der Bühne von dem intensiven Stück gefesselt wird.

    Der erfolgsverwöhnte Sparkassenmanager Walter (Sven Walser, Wie die Karnickel) wollte eigentlich zu einer wichtigen Besprechung fliegen, aber die wurde in der letzten Minute abgesagt. Seine Frau Anna (Lisa Martinek, Lautlos) wollte zu ihrer Mutter, aber auf der Autobahn fiel ihr ein, dass sie den Herd angelassen hatte. Und so treffen sich die beiden unerwarteterweise in der gemeinsamen Designerwohnung. Es wird gekocht, Rotwein getrunken und über die typischen Themen wie Kinderkriegen gestritten. Schon hier deutet sich an, dass hinter der Hochglanzfassade Abgründe schlummern. Irgendwann kommt Walters Freund Jost (Tim Lang) vorbei, angeblich um mit Walter über finanzielle Dinge zu sprechen. Aber der Zuschauer merkt sofort, dass er eigentlich wegen Anna gekommen ist und auch Walter geht bald ein Licht auf. Die folgenden Psychospiele erinnern stark an Jean-Paul Sartres Stück „Geschlossene Gesellschaft“, in dem die Hölle durch ein Hotelzimmer symbolisiert wird, in das drei Personen nach ihrem Tot gesteckt werden. Immer wieder ändern sich die Fronten, finden zwei eine Schwachstelle beim Dritten und stürzen sich gemeinsam auf ihn, so dass dieses Gefüge nie zur Ruhe kommt. Genauso ist es bei „Rendezvous“. Zunächst erwehren sich Anna und Jost gemeinsam gegen Walters Anspielungen, bevor Walter und Anna auf Jost draufhauen, weil dieser die Pleite seiner Speditionsfirma verheimlicht hatte, usw., usw.. Mit seinen bissigen, geschliffenen Dialogen ist der Film in dieser Phase nicht nur interessant, sondern in seinen besten Momenten wirklich spannend.

    Später im Verlauf des Abends stößt noch Josts Freundin Yvonne (Anika Mauer) zu dem Trio hinzu. Zunächst haben Anna und Jost genug damit zu tun, ihre verbotene Beziehung vor dem Neuankömmling zu verheimlichen, aber dann bemerken sie doch, dass Yvonne eigentlich wegen Walter gekommen ist. Von nun an, wo alle Karten offen auf dem Tisch liegen, wird mit härteren Waffen gekämpft. Versteckte Anspielungen gehören der Vergangenheit an, selbst die schmutzigsten Geheimnisse, von Tablettensucht bis hin zu Schwangerschaftsabbrüchen, werden sich um die Ohren gehauen. Und gerade wenn der Zuschauer zwischen all diesen Streitereien und Beleidigungen selbst am arroganten Walter in seiner Verletztheit sympathische Seiten entdeckt und hofft, dass alles wieder gut wird, die Vier vielleicht einfach offiziell die Partner tauschen und glücklich auseinander gehen, kommt es zu einer masochistischen Sexorgie in der Sauna, die die letzten Reste an Hoffnung zerstört. Man muss Regisseur Schüler und Autor Sack für ihre Konsequenz bewundern, mit der sie ihre Protagonisten an den festgefahrenen Beziehungsproblemen scheitern lassen, nur die allerletzte Wendung kurz vor Schluss ist dann doch ein Tick zuviel, wirkt ein wenig aufgesetzt und gewollt.

    Zu Beginn des Abspanns schießt „Rendezvous“ dann noch in der letzten Minute ein schmerzliches Eigentor. „Dieser Film ist eine unabhängige Independentproduktion, die nur durch den Verzicht auf Gage und die Kooperations- und Diskussionsbereitschaft des Casts möglich gemacht wurde“, darf man da lesen. Entweder muss man diese Aussage als Selbstbeweihräucherung verstehen und Eigenlob stinkt bekanntlich, hat aber vor allem in dem Film eines Erstlingsregisseurs gar nichts verloren. Oder es soll als Entschuldigung für eventuelle Unzulänglichkeiten dienen? Aber wenn man einen Film macht, dann soll man uneingeschränkt dazu stehen oder es von Anfang an bleiben lassen.

    Schüler wechselt stetig zwischen der dem Blick eines Theaterbesuchers gleichenden Totalen und geschickt platzierten, sehr filmischen Kamerafahrten hin und her. So entdeckt er, trotz der Limitierung des Szenarios auf eine Wohnung (und einen Balkon), immer neue Ecken der unpersönlich eingerichteten Räume. Immer stärker blickt er im Verlauf des Films hinter die oberflächliche Handschrift des Innendekorateurs und deckt die emotionale Kälte der Bewohner Schicht für Schicht auf. Trotzdem verhindern die körnigen Handkamerabilder, die die Mimik der Darsteller nicht in allen Einstellungen hinreichend genau wiedergeben, manchmal das Durchdringen der Zuschauer zu den Figuren. Über den Sinn und Unsinn von Theater im Kino wird sich auch nach „Rendezvous“ trefflich streiten lassen, aber wenn man es schon machen muss, dann ist Schülers Ansatz mit Sicherheit nicht der schlechteste.

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