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    Unsichtbar
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Unsichtbar
    Von Christoph Petersen

    David S. Goyer ist von Haus aus Drehbuchautor und Produzent. Doch immer, wenn er als Schreiberling mal wieder einen ganz besonders lukrativen Erfolg verbuchen konnte, durfte er als Belohnung auch mal auf dem Regiestuhl platz nehmen. So inszenierte er nach dem finanziellen Erfolg von Stephen Norringtons „Blade“ mit seinem Spielfilmdebüt „ZigZag“ ein durchschnittliches Thriller-Drama. Als Reaktion auf das Einspielergebnis von Guillermo del Toros Blade II übernahm Goyer selbst die Regie des überraschungsarmen Blade: Trinity. Zuletzt konnte er nun einen Credit als Co-Autor des Comic-US-Megaerfolgs Batman Begins für sich beanspruchen. Aufgrund dieser Dollars versprechenden Lorbeeren gab es schnell grünes Licht für Goyers nun mittlerweile dritte Regiearbeit, das Fantasy-Drama „Unsichtbar“. Als Remake des intelligenten schwedischen Fantasy-Thrillers „Den Osynlige“, der unter dem Titel „Invisible – Gefangen im Jenseits“ in Deutschland auf DVD erschienen ist und auf einem Roman des bekannten schwedischen Jugendromanautors Mats Wahl basiert, durfte man nun auch von „Unsichtbar“ überdurchschnittliche Hollywoodunterhaltung erwarten. Doch trotz seiner momentan so begehrten Stellung in der Traumfabrik hat es Goyer offensichtlich nicht geschafft, sich gegen das erbarmungslos antikreative System durchzusetzen. Lediglich die stimmungsvolle erste halbe Stunde überzeugt, danach zeigt sich nur noch, wie Hollywoods übermächtige Mutlosigkeit einmal mehr ein viel versprechendes Projekt in die Knie gezwungen hat.

    Teenager Nick Powell (Justin Chatwin) ist intelligent, gut aussehend und stammt aus reichem Hause, trotzdem fehlt ihm die Luft zum Atmen. Seit dem Tod seines Vaters hat seine Mutter (Marcia Gay Harden) die strahlende Zukunft ihres Sohnes minutiös durchgeplant, dabei würde Nick selbst doch viel lieber in London an seiner Literaturkarriere arbeiten. Aufgrund einer Verwechslung wird Nick eines Nachts von der Kleinkriminellen Annie (Margarita Levieva) und ihren Kumpanen überfallen und zusammengeschlagen. In dem Glauben, ihn versehentlich getötet zu haben, lassen sie ihr Opfer in einem Versteck im Wald zurück. Doch Nick ist nicht tot, er schwebt nur in einem lebensbedrohlichen Koma. Seine Seele löst sich vom Körper ab und er kann fortan in einer Welt zwischen Leben und Tod seine Umgebung beobachten, ohne dass seine Mitmenschen ihn dabei ihrerseits jedoch wahrnehmen könnten – für sie ist er unsichtbar. Irgendwie muss Nick es nun schaffen, die Polizei zu seinem hilflos verborgenen Körper zu führen. Wie er dies jedoch bewerkstelligen soll, bleibt ihm lange Zeit ein Rätsel – gerade da Annie, also ausgerechnet seine vermeintliche Mörderin, die einzige zu sein scheint, mit der er Kontakt aufnehmen kann…

    Zu Beginn lässt sich Goyer angenehm viel Zeit damit, seine Figuren einzuführen. Hier steht er – im Gegensatz zum fehlleitenden, einen Kriminal-Thriller vergaukelnden Trailer - noch dazu, dass es sich bei seinem Film eigentlich um ein Drama handelt und die Thrillerelemente nur hintergründig eine Rolle spielen. Es geht darum, wie jemand erst nach seinem „Tod“ die Menschen um sich herum wirklich kennen und gar seiner eigenen „Mörderin“ zu vergeben lernt. Dabei punktet „Unsichtbar“ mit einer aufregend-eigenartigen Stimmung, die schon vor dem Überfall und Nicks Koma spannende surreale Tendenzen in sich trägt. Zusammen mit den beiden ausdrucksstarken und vor allem nicht sofort einzuordnenden Nachwuchsdarstellern Justin Chatwin (Tom Cruises Sohn in Krieg der Welten) und Margarita Levieva (TV-Star aus der Serie „Vanished“) ergeben diese Qualitäten eine gute erste halbe Stunde, die in dieser Form wirklich überzeugen kann. Ein interessantes Fantasy-Drama irgendwo zwischen Brick, Stay und Ghost - Nachricht von Sam scheint hier noch in greifbarer Nähe. Doch dann geht Goyer leider der Mut aus und er ergibt sich widerstandslos in die gierigen Arme des Hollywood-Durchschnittkinos.

    Zunächst einmal verschwinden die gelungenen Drama-Elemente in Rekordzeit von der Bildfläche, ein 08/15-Thrillerkonstrukt nimmt die Leinwand stattdessen in Beschlag. Zuvor verfolgte Nick Annie, um ihr Vorwürfe zu machen und sie zu beschimpfen. Nebenbei lernte er so die wahre Annie kennen, die ohne ihre aufgesetzte harte Schale schon lange an ihrer disfunktionalen Familie zerbrochen wäre und sich außerdem rührend um ihren kleinen Bruder kümmert – ein wirklich spannender Konflikt. Weit weniger fesselnd ist es da, wenn Nick von nun an dauernd hinter Annie herrennt und ihr ins Ohr brüllt, sie solle doch Hilfe holen – irgendwann interessiert es den Zuschauer einfach nicht mehr, ob sie ihn nun hört oder nicht. Und da dies das einzige Spannungsmoment ist, es ansonsten keinerlei ungelöste Geheimnisse gibt, sind diese Thrilleransätze schlicht langweilig. Ähnlich wie mit dem gesamten Film verhält es sich auch mit der Inszenierung – nur dass hier nicht die ganze erste halbe Stunde, sondern lediglich die allererste Szene wirklich gelungen ist. Nach dieser kommt „Unsichtbar“ rein visuell nur noch selten über TV-Niveau hinaus.

    Noch weiter bergab geht’s dann, wenn der Film seine drei (!) Enden präsentiert. Das erste erweist sich noch als durchschnittlicher Hollywood-Showdown – okay, kann man mit leben. Das zweite ist dann purer Kitsch, wobei auch noch die komplette innere Logik des Films zu Gunsten eines dramatischen Schuld-und-Sühne-Höhepunkts geopfert wird. Und der angehängte versöhnliche Abschluss ist dann einfach nur noch „too much“! Fazit: Obwohl „Unsichtbar“ mit einer eigenwilligen Mischung aus Teenie-Crime-Drama und Fantasy-Thriller-Lovestory antritt, ist statt einer aufregend neuen Mixtur im Endeffekt leider doch wieder nur Hollywood-Einheitsbrei dabei herausgekommen.

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