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    War'n Sie schon mal in mich verliebt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    War'n Sie schon mal in mich verliebt
    Von Christoph Petersen

    „Haben Sie noch nie von mir geträumt, dann haben Sie wirklich was versäumt!“ singt Max Hansen in seinem herrlich frivolen Chanson „War´n Sie schon mal in mich verliebt?“ 1928 im Kabarett der Komiker am Kurfürstendamm in Berlin. Heutzutage haben wir dann wohl fast alle etwas versäumt, denn den ehemaligen UFA-Star kennt kaum noch jemand. Nachdem der jüdische Hansen Ende der Dreißiger aus Hitlerdeutschland emigrieren musste, setzte er seine Karriere in Österreich und Dänemark fort. Als er nach Kriegsende wieder zurückkehrte, wurde er wie die meisten Heimkehrer mit allem anderen als offenen Armen empfangen. Seine Art des Schauspiels war aus der Mode gekommen und er geriet schnell in Vergessenheit. Aber das Leben des Mannes, der Zarah Leander zum Star machte, ist viel zu interessant, viel zu nah am damaligen Zeitgeschehen, um es in der Vergangenheit begraben zu lassen. Gut also, dass sich mit dem Dokumentarfilmer Douglas Wolfsperger („Bellaria“, „Die Blutritter“) endlich jemand daran gemacht hat, diese Erinnerungen auszugraben. Wie sich herausstellen sollte, gerade noch rechtzeitig. Kurze Zeit nach Beendigung der Dreharbeiten starb mit dem Berliner Urgestein Brigitte Mira die letzte Weggefährtin Hansens – „War´n Sie schon mal in mich verliebt?“ ist ihr letzter Film.

    Hansen wurde 1897 als Sohn einer dänischen Varieté-Darstellerin in Mannheim geboren. Doch ein Kind wollte nicht so recht in ihr Künstlerleben passen, so gab sie Max schon früh in eine Münchner Pflegefamilie, bei der er seine Jugend verbrachte. Anfang der 20er Jahre zog es Hansen dann nach Berlin, wo er Entertainer werden wollte. Unter Max Reinhardt machte er seine Meisterlehre am Großen Schauspielhaus. Nebenbei verdiente er sich ein Zubrot im legendären Kabarett der Künstler, wo er schon bald den Zorn der Nazis auf sich zog. In der dritten Strophe des titelgebenden Chansons folgert er aus der Tatsache, dass Hitler Vegetarier war, dass er auch homosexuell sein müsse. Anfang der 30er etablierte Hansen sich dann mit zehn Filmen in drei Jahren als Deutschlands erfolgreichster Tonfilmstar. Mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten begann der Abstieg Hansens. 1938 musste er dann nach Wien emigrieren. Zwar waren die Wiener zu dieser Zeit reichsdeutscher als die Reichsdeutschen, aber glücklicherweise wusste hier so gut wie niemand von Hansens jüdischer Abstammung. So waren seinen Bühnenerfolgen keine Grenzen gesetzt, aber eine gewisse Angst war immer vorhanden, die Hansen sein Leben lang nicht mehr loslassen sollte. Als bei der Vorbereitung der Revue „Axel an der Himmelspforte“ Greta Garbo absagte, holte Hansen die bis dato unbekannte, skandinavische Zarah Leander als seine Partnerin – der Beginn einer der ganz großen Weltkarrieren des 20. Jahrhunderts.

    Filmemacher Douglas Wolfsperger hat für seine Dokumentation, die zu einem Drittel aus aufwendig restauriertem Archivmaterial von Hansens Erfolgen besteht, ein buntes Sammelsurium aus Weggefährten, Experten, Familienangehörigen und anderen Menschen, deren Leben auf die unterschiedlichsten Weisen von Hansen beeinflusst wurden, zusammengeholt. Die Interviews pendeln zwischen geschichtlichen Berichten, spannenden, ungewöhnlichen Anekdoten und gefühlvollen Erinnerungen. Unter den Personen, die zusammen ein so facettenreiches Bild des Menschen/Künstlers/Stars Max Hansen zeichnen, befindet sich unter anderem sein größter Fan. Die alte Frau erzählt wie verliebt sie doch in Max war, sie scheint alles über ihr Idol zu wissen, nur warum Hansen damals aus Deutschland geflohen ist, hätte sie nie verstanden. Auch dabei ein Imitator aus Berlin, welcher der großen Leander frisches Leben einhaucht. Oder ein Filmhistoriker, der die wichtigsten Stationen Hansens Karriere in Wien vorstellt.

    Die zweite Hälfte des Films konzentriert sich dann hauptsächlich auf das Familienleben nach 1940 in Dänemark. Als 43-Jähriger heiratete er eine 19-Jährige aus gutem Hause, die Hansen für unschuldig genug hält, um seine Kinder zu gebären. Aber auch diese zweite Heirat, nach seiner Ehe mit dem Operettenstar Lizzy Waldmüller, hielt ihn nicht davon ab, mit aller Welt eine Affäre anzufangen. Und „auch wenn er zuhause war, war er eigentlich nie richtig da. Entweder musste er sich von der Arbeit erholen und schlafen. Oder wir mussten unseren Vater mit der Presse teilen“, erzählt eine seiner Töchter. Sowieso lassen die Interviews mit den Töchtern am tiefsten blicken. Sie schwanken in ihren Aussagen zwischen Kritik an ihrem Vater und eingeredetem Verständnis für einen großen Künstler. Ein anderes, interessantes Thema aus dieser Zeit ist Hansens Umgang mit seinem Jude-Sein. Der Sohn von Hansens damaligem Anwalt erzählt die Geschichte, wie Hansen es nach der Besetzung Dänemarks durch die Nazis geschafft hat, im Land zu bleiben. Da sein Vater eh unbekannt war, beauftragte Hansen seinen Anwalt mit der Suche nach einem arischen Vater. Dieser wurde in einem pleite gegangenen Offizier gefunden. Ihn gab Hansen fortan in der Öffentlichkeit als Vater aus und behandelte ihn aus Angst vor seiner Enttarnung auch im Privaten so. So wurde der Offizier in die Familie Hansen vorbehaltlos als Opa eingeführt, die Kinder fanden erst vor einigen Jahren heraus, dass das alles nur Show war.

    Leider fängt Wolfsperger im Fortlauf des Films immer stärker an, die Interviews auf übertriebene Art zu inszenieren. So lässt er Hansens Sohn ohne erkennbaren Bezug zum Gesagten mit Windelpaketen durch die Stadt laufen. Ein Filmhistoriker schlendert über den nebelverhangenen Friedhof der Namenlosen in Wien. Und als seine Tochter von Hansens Tod berichtet, fängt es plötzlich an zu stürmen und zu gewittern. Sind diese inszenatorischen Einfälle nur ablenkend, ist die letzte Idee schon fast eklig, zumindest aber sehr ärgerlich. Am Schluss des Films tragen vier unbekannte Männer einen strahlend weißen Sarg theatralisch zu Grabe. Solch unbeholfenen Spielszenen stören das Gesamtbild doch sehr. Der Künstler und Privatmann Max Hansen bleibt eine lohnenswerte Erinnerung, deren grelle Verpackung in „War´n Sie schon mal in mich verliebt?“ dem Zuschauer aber ein wenig die Lust nimmt, sie für sich zu entdecken.

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