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    Das Hundehotel
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Das Hundehotel
    Von Christoph Petersen

    Disney ist das Flaggschiff des konservativen Familienbildes in Amerika. Nickelodeon ist so etwas wie Disneys anarchischer kleiner Bruder, sozusagen das schwarze Schaf unter den familienorientierten US-Produktionsfirmen. Während auf dem Disney Channel mehr oder weniger pädagogisch wertvolle Formate wie „The Emperor`s New School“ oder „The Proud Family“ laufen, hat Nickelodeon kultigen Anarcho-Quatsch wie „CatDog“ oder „Die Biber Brüder“ hervorgebracht. Diese rebellische Geisteshaltung ist auch Thor Freudenthals tierischer Familienkomödie „Das Hundehotel“ deutlich anzumerken. Am Ende steht hier wie da, bei Disney wie bei Nickelodeon, ein von Werten wie Freundschaft und Familiensinn geprägtes Happy End. Doch der Weg dorthin könnte verschiedener kaum sein.

    Die Story basiert auf dem Roman „Hotel For Dogs“ von Lois Duncan, einem Autor, der ansonsten eher im Horrormetier (er lieferte die Vorlagen für „Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast“ und das Sequel „Ich weiß noch immer, was Du letzten Sommer getan hast“) verwurzelt ist: Andi (Emma Roberts, Wild Child) und Bruce (Jake T. Austin) sind Vollwaisen. Obwohl der Sozialarbeiter Bernie (Don Cheadle) sich sehr für die Geschwister einsetzt, werden sie von einer Pflegefamilie in die nächste abgeschoben. Mit ihren neuen Pflegeeltern haben die beiden es besonders schlecht getroffen: Lois (Lisa Kudrow, serie,9) und Carl Scudder (Kevin Dillon, Poseidon) sind der Inbegriff von White Trash, zwei hohlbirnige Loser, die sich als Möchtegern-Rockmusiker und Teilzeiteltern durchschlagen. Außerdem ist die Wohnung der Scudders zu klein für Friday, den süßen Jack Russell Terrier von Andi und Bruce. Als die Geschwister sich auf die Suche nach einem neuen Zuhause für Friday machen, stoßen sie auf ein leerstehendes Hotel. Der perfekte Platz für tobende Vierbeiner, und das mitten in Downtown Los Angeles. Mit der Zeit ziehen immer mehr Streuner in das einladende Hundehotel, bis eines Tages Polizei und Hundefänger auftauchen, um dem Spuk ein Ende zu bereiten…

    Der Vorspann zeigt einen Vater, der mit einer Schürze im Garten steht und Hamburger grillt. Der Zaun ist selbstverständlich blütenweiß und das Gras saftig grün. Der Sohnemann sitzt bereits am gedeckten Tisch und lächelt breit. Der Familienhund wedelt, vom Fleischgeruch angestachelt, in freudiger Erwartung mit dem Schwanz. Ein Szenario, wie es das amerikanische Familienfernsehen bereits in den goldenen 50er Jahren prägte. Doch die Menschen, der Hund, das Gras und sogar das Fleisch – alles ist aus Plastik. Es ist eine Schaufensterdekoration, nicht mehr als ein schöner Schein, um Elektrogrills an den Mann zu bringen. Mit einer solchen Plastik-Welt à la Disney will „Das Hundehotel“ nichts zu tun haben. Schnell zoomt die Kamera zurück auf die Straße. Hier sind Andi und ihr kleiner Bruder gerade dabei, ein Pfandhaus zu betrügen. Auf einer Kaufhaustoilette haben sie eine Handyverpackung mit dem Handföhn wieder in Plastikfolie eingeschweißt. Statt eines Telefons ist nun ein Stein darin. Die Geschwister bekommen 27 Dollar.

    In einem Disney-Film würde der Protagonist höchstens mal einen Lutscher klauen, aber ganz sicher keinen Pfandleiher bescheißen. Später gibt es noch einen weiteren Seitenhieb auf Disney, und zwar auf den Zeichentrick-Klassiker „Cinderella“: Andi ist auf eine Party eingeladen, hat aber nichts Anzuziehen. Es folgt der trotzige Spruch: „Falls mir irgendwann einmal Tauben und Mäuse ein Kleid nähen wollen, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt.“ Das soll nicht heißen, dass nicht auch „Das Hundehotel“ ein positiver, märchenhafter Film wäre. Nur wird das Märchen hier eben immer wieder von aufblitzenden Realitätseinschüben unterbrochen. Ein weiteres Beispiel für diese Reality-Checks sind die Hundefänger. Der eine ist groß, grimmig und ein Trottel – der typische Komödien-Bösewicht eben. Ein anderer jedoch ist gar nicht komisch, sondern ein korrupter Beamter, der selbst von Kindern Bestechungsgelder nimmt – gezeichnet ohne jede komödienhafte Überhöhung.

    Doch „Das Hundehotel“ zeichnet sich nicht nur durch diese Erdung des Märchenhaften aus, er macht auch einfach eine Menge Spaß. Vor allem die abgefahrenen Apparaturen, mit denen den Hunden der Aufenthalt im Hotel versüßt werden soll, sind ziemlich lustig. Es gibt einen Fahrtwind- und einen Postboten-Simulator, eine vollautomatische Fressnapf-Befüllanlage, und sogar einen elektronischen Nachthimmel inklusive strahlendem Vollmond, den die Hunde anheulen können. Ansonsten lassen sich noch einige augenzwinkernde Filmzitate entdecken: Der Hundeaufzug ist etwa Alfred Hitchcocks Meisterwerk Das Fenster zum Hof entliehen, und die Dog-Vision (in Schwarz-Weiß, nur die Gerüche – zum Beispiel ein duftender Hot Dog – sind in Farbe) erinnert an Frank Millers Kinoausflüge Sin City und The Spirit.

    Fazit: „Das Hundehotel“ ist temporeiche Familienunterhaltung, die trotz ihrer Märchenhaftigkeit immer wieder Raum für kurze Reality-Checks schafft. Sehenswert, auch wenn der Film beim Happy End zu dick aufträgt.

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