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    Die Todeskandidaten
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Die Todeskandidaten
    Von Björn Becher

    Seit 2003 ist man bei World Wrestling Entertainment auf die Idee gekommen, die Stars nicht nur bei ihren inszenierten Prügeleien im TV zu vermarkten, sondern sie auch ins Kino zu schicken. Als erstes profitiert davon hat Dwayne „The Rock“ Johnson, dessen Wechsel von der Wrestling- zur Kinokarriere nach Auftritten in Die Mumie kehrt zurück sowie dem Spin-Off The Scorpion King durch die ersten beiden WWE-Kinoproduktionen Welcome To The Jungle und Walking Tall richtig befördert wurde. Was einmal klappte, muss wiederholt werden und so durfte sich Kane durch See No Evil metzeln, während John Cena in The Marine an die Hochphase der sinnfreien Actionballerei in den Achtzigern erinnerte. Nächster im Bunde ist nun Steve Austin, Kampfname „Stone Cold“, der nach einem Kurzauftritt im Sportfilm Spiel ohne Regeln nun in seiner ersten Hauptrolle Knochen brechen darf. Dafür dass dies trotz einfach gestrickter und schlicht kopierter („Battle Royale“ und Co. lassen grüßen) Story unter der Regie von Scott Wiper ganz passabel gelingt, trägt aber – zumindest im Originalton – vor allem ein Nebendarsteller die Verantwortung.

    Für Multimillionär Breckel (Robert Mammone, Marvel's Man Thing) ist sein neuestes Projekt das ultimative Medienereignis. Ausgestrahlt nur über das Internet, will er zehn Menschen auf einer einsamen Insel um Leben und Tod kämpfen lassen, nur einer soll überleben. Damit die Action richtig fetzt, hat er dafür zehn zum Tode verurteilte Schwerverbrecher aus Gefängnissen überall auf der Welt herausgekauft und jedem von ihnen ein Sprengstoff-Fußkettchen verpasst, das bei Flucht explodiert. In die Luft gehen Kettchen und Träger auch nach Ablauf von 30 Stunden, denn nur so viel Zeit will Breckel den Todeskandidaten geben, um die Action in Gang zu halten. Unter den zehn findet sich auch Jack Conrad (Steve Austin), der in einem Gefängnis in El Salvador auf seine Hinrichtung wartete. Eigentlich sollte er nur als Kanonenfutter für einen Teaser zu einem Araber (Dominic Brancatisano) dienen, der aber mit Leichtigkeit von ihm in die Schranken gewiesen wird. Nun ist Conrad an Bord, hat aber eigentlich gar nicht vor zu kämpfen. Doch ihm bleibt keine Wahl, denn die Anderen, allen voran der psychopathische britische Ex-Elitesoldat McStarley (Vinnie Jones) und die japanische Kampfmaschine Saiga (Masa Yamaguchi, Die Sexfalle), werden ihn sonst töten.

    Wer sich „Die Todeskandidaten“ freiwillig zu Gemüte führt, dürfte wissen, auf was er sich einlässt und so banal die Handlung auch ist, so unterhaltsam kann sie umgesetzt werden. Gerade in der ersten Hälfte produziert Wiper dann auch schnell ein wunderbares Trashfest, das an die besten Zeiten der „Hirn raus, Action rein“-Unterhaltung erinnert. Angefangen mit der völlig überzeichneten Einführung der einzelnen Kämpfer bis zu ihrem Transport in die „Kampfarena“ macht der Film alles richtig, was so ein Film richtig machen kann. Er nimmt sich selbst nicht ernst (großartig: der erste Tote der zehn), lässt seine Figuren markige Oneliner kloppen und hält das Tempo hoch. Der perfekte Partyfilm für eine leicht angeheiterte Gruppe, die sich bei den Flüchen von Vinnie Jones oder des deutschen Kandidaten (Andy McPhee, Wolf Creek) bestens unterhalten kann.

    Doch der auch am Drehbuch beteiligte Wiper macht einen Fehler. Sein Film soll Breite und Tiefe haben, sein Protagonist dem Zuschauer natürlich sympathisch werden. Da wird dann ein unnötiger Nebenplot nach dem anderen aufgerissen. Mitarbeiter von Breckel wie dessen Freundin (Tory Mussett, Boogeyman) und sein Cheftechniker (Luke Pegler, Hostel, Postal) bekommen Gewissensbisse und halten moralische Reden, das FBI ermittelt gegen die Show und Conrads Frau (Madeleine West) erfährt auf dem amerikanischen Land vom Schicksal ihres Mannes, um von nun an in der lokalen Bar mit der gesamten Dorfbevölkerung dem Live-Stream zu folgen. Und nachdem man den örtlichen Kandidaten angefeuert hat, sein Töten bejubelt hat, darf man richtig betroffen schauen, da nun eine Reporterin (Angie Milliken) die große moralische Rede über den Untergang der Zivilisation hält, da man der geschmacklosen Show zu Rekordseitenaufrufen verholfen hat.

    Das alles reicht Wiper noch lange nicht, denn auch der „Held“ muss einen einwandfreien Charakter verpasst bekommen. Da entpuppt er sich schnell als Elitekämpfer, der die ganz schmutzigen Aufträge für sein Land erfüllt hat, nach einer Verhaftung in El Salvador aber einfach fallen gelassen und aus den Akten gelöscht wurde. Ein Mann, dem das Töten keinen Spaß macht, und der am Anfang die Kontrahenten erst einmal verschont und die anderen heulenden (!) Schwerverbrecher sogar tröstet. Erst als der ihm ans Herz gewachsene Paco (Manu Bennett, The Marine) von McStarley und Saiga gefoltert wird, tickt er aus und steigt mit ein ins Morden.

    Man geht diesen Weg, um moralisch auf der richtigen Seite zu sein (schwingt am Ende ja sogar eine Rede, welche die FSK ab jetzt bei jeder hohen Altersfreigabe einfach eins zu eins übernehmen könnte) und das ist ja auch durchaus in Ordnung. Doch es hätte auch subtiler und mit weniger Aufwand gemacht werden können. Dass Breckel ein geldgeiler Arsch und seine Show menschenverachtend ist, braucht keine ellenlange Auswälzung von Subplots. Vor allem wenn dem gegenüber die von den Machern ja klar beabsichtigte andere Seite der Medaille, die Unterhaltung durch die Action steht (was sowieso fraglich erscheinen lässt, inwieweit man hinter seiner Botschaft steht). Und diese Action funktioniert zu Beginn auf allerhöchstem Niveau und auch im Finale noch sehr gut, hat zwischendrin aber viel zu viel Leerlauf. Die sehr professionelle Umsetzung gereicht dem Film zum Vorteil, auch wenn die Kamera in einigen Szenen versucht, mit viel Gewackel unterstützt von hektischen Schnitten das Geschehen rasanter zu machen. Das wirkt bisweilen leicht nervig, hat für die Produzenten aber noch einen Vorteil: Die Langfassung, bei der man diesen Stellen noch ein paar Sekunden mehr zwischen den Schnitten spendieren kann, ist auf DVD schon angekündigt. Abkassieren ist halt nicht nur Breckels oberste Maxime.

    Hauptgarant für den Fun, den „Die Todeskandidaten“ für den Fan von sinnloser Actionunterhaltung bereit hält, ist übrigens weder Hauptdarsteller Steve Austin noch die einzig und allein nach Körperbau gecasteten Aktricen. Austin darf zwar zwischendurch ein paar starke Sprüche knurren und Schläge austeilen, sonst aber die versteinerte Miene zur Schau tragen. Das wahre Prunkstück ist jedoch Vinnie „Die Axt“ Jones. Dem Ex-Kickerrüpel muss man einfach nur ein bisschen Raum geben, seine genialen Monologe vorzutragen. Das hat zuerst Guy Ritchie erkannt und ihn mit „Bube, Dame, König, grAS“ und Snatch auch außerhalb des Fußballplatzes zur Kultfigur gemacht. Das wurde mittlerweile nicht nur in Asien („Survive Style 5+“), sondern natürlich auch in Hollywood erkannt (siehe z.B. X-Men: Der letzte Widerstand). Wahrscheinlich könnte Vinnie Jones das Telefonbuch vorlesen und wäre damit, dank seiner Aussprache und Mimik, noch cooler als 90 Prozent der Actionstars. Und wenn wie hier, die Sprüche noch allererste Sahne sind, dann ist gute Unterhaltung schon garantiert. Allerdings gibt es die volle Performance von „The Axe“ (so sein, sich auf beinharte Blutgrätschen stützender Fußballkampfname) nur im englischen Originalton. In dem ist „Die Todeskandidaten“ aber trotz seiner Schwächen eine unterhaltsame Trash-Granate und damit genau das richtige für den feucht-fröhlichen Kinoabend.

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