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    Paulas Geheimnis
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Paulas Geheimnis
    Von Nicole Kühn

    Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Schon gar nicht, wenn er bzw. sie darauf wartet, vom holden Prinzen in eine heile Welt entführt zu werden. Gernot Krää verpackt in seinem Kinderfilm „Paulas Geheimnis“ die Geschichte einer Prinzessin auf der Erbse, die widerwillig den Frosch küsst, dabei den Prinzen in ihm entdeckt und gleichzeitig selbst wachgeküsst wird, in ein spannendes Ferienabenteuer. Dabei entlässt er seine Helden jedoch nicht in eine Märchenidylle fernab aller Alltagsprobleme, sondern stellt sie mitten in die soziale Realität, in der sie sich zu bewähren haben. Um die Figuren zu charakterisieren, greift er dabei allerdings auch manchmal tiefer als nötig in die Kiste von Klischees.

    Paula (Thelma Heintzelmann) ist der Inbegriff des armen reichen Mädchens. Während ihre gut situierten Eltern (Claudia Michelsen, Christian Leonard) hektisch von einem wichtigen Projekt zum nächsten hecheln und sie während der Ferien in einem exklusiven Ferienlager parken wollen, träumt Paula vom Märchenprinz, der ihr zuhört und wirklich sie sieht statt nur das standesgemäße Töchterchen, das eben zum Inventar gehört. Wie gelähmt ist sie, als ihr Tagebuch, das sie hütet wie einen Schatz, in den Händen rumänischer Kinderdiebe (Albert Berisa, Jülide Girisken) landet. Der Einzige, der den Verlust überhaupt als solchen wahrnimmt und ihr seine Hilfe anbietet, entspricht beileibe nicht ihren Vorstellungen: Ungehobelt, pummelig und faul ist ihr Klassenkamerad Tobi (Paul Vincent de Wall). Widerwillig lässt sie sich auf den Deal ein: Er hilft ihr, das Tagebuch wieder zu bekommen und sie paukt mit ihm dafür Englisch für die Nachprüfung, damit er nicht sitzen bleibt. Doch so reibungslos klappt der Austausch von Dienstleistungen nicht, denn Engagement und Teamwork sind gefragt auf diesem Weg, der beide an ein anderes Ziel führt als das ursprüngliche.

    Regisseur Krää zeichnet seine jungen Figuren sehr einfühlsam, ohne sich dabei auf deren verletzliches Innenleben zu beschränken. Unverhofft lässt er die soziale Realität auch in diese Kinderwelt mit ihren vermeintlich kleinen Sorgen eindringen. Ohne Paulas Kränkungen zu verharmlosen, die sie inmitten ihres materiell abgesicherten Wattebauschs durch die Vernachlässigung von ihren Eltern erfährt, stellt er ihr die existenziellen und physischen Nöte der auf sich selbst gestellten rumänischen Kinder gegenüber, die ohne Perspektive und Absicherung ihr Leben fristen. Allen Blauäugigen, die denken, mit ein paar Euro Spenden für diverse Hilfswerke ihr Gewissen rein halten zu können, nimmt er die Schuppen von selbigen.

    Sein Hauptaugenmerk liegt jedoch auf der Entwicklung von Paula und Tobias, die, aus völlig verschiedenen Welten kommend, versuchen müssen miteinander auszukommen, ja sogar sich gegenseitig zu vertrauen. Mit Thelma Heintzelmann und Paul Vincent de Wall hat er zwei junge Darsteller gefunden, die in ihrer ersten Rolle auf der Leinwand vollauf überzeugen. Beiden traut man mehr Nuancen zu, für die Krää ihnen jedoch wenig Gelegenheit gibt. Zu stark bedient er sich dafür der Vorurteile, die sich über die jeweiligen gesellschaftlichen Kreise nach wie vor standhaft halten. Das Etepetete-Mädchen aus gutem Hause funktioniert brav in der Schule, zieht sich aus der von Terminen überfüllten Geschäftigkeit der Eltern in niedergeschriebene romantische Träumereien und Zickigkeit gegenüber anderen zurück und hat vom wahren Leben nicht die leiseste Ahnung. Der Junge aus der Unterschicht dagegen hockt ständig Fast-Food futternd dumpf vor der Glotze, hat weder Ambitionen noch Intellekt, dafür aber eine frühreife Schwester, und Eltern, die kurzerhand alleine in Urlaub fahren, um sich dort endlich mal in Ruhe über Banalitäten zu zanken. In diese klischeehaften Bilder schleichen sich dann doch einige Ungereimtheiten, um die Story ins Rollen zu bringen und am Laufen zu halten. Gerade weil Krää die kindlich-fantastischen Vorstellungen von der Welt mit der Realität konfrontiert, ist es schade, dass er sich hier nicht um mehr Sorgfalt bemüht.

    Die Wunschvorstellungen Paulas im Bild zu zeigen, bereichert den Film lediglich um einige optische Reize, die vor allem seinem jungen Publikum entgegen kommen dürften. Dafür, dass der Traum von der Realität einfach irgendwann weggeschoben wird, findet Krää wunderbare Bilder. Schade, dass Traum und Wirklichkeit nicht öfter in der Geschichte zusammenspielen. Mit Tobias’ kleiner Schwester Jennifer führt der Regisseur eine Nebenfigur ein, die nur punktuell ihre Bedeutung hat und später etwas künstlich weiter begleitet wird. Das bringt einige sehr amüsante Szenen der Sorte „falscher Mensch am falschen Ort“ hervor, lenkt aber von der eigentlichen Geschichte etwas ab. Dank der Mischung aus spannender Handlung und emotionalen Konflikten bleibt man trotz dieser unnötigen Einschübe bei den Figuren.

    Dass das Zielpublikum gerne bereit ist, Paulas Geheimnis zu lüften, zeigt die Auszeichnung des Films mit dem Hauptpreis beim Kinderfilmfest LUCAS, bei dem Kinder in der Jury sitzen und ihren Favoriten auswählen.

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