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    Das doppelte Lottchen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Das doppelte Lottchen
    Von Christoph Petersen

    Obwohl sich Michael Schaak mit seiner Hamburger Produktionsfirma Trickompany für die animierten Kinoausflüge von „Pippi Langstrumpf“, „Käpt´n Blaubär“ und „Momo“ verantwortlich zeichnet, ist er ansonsten doch vor allem für seinen flunderplatten Humor berühmt-berüchtigt. Nachdem er als Animationsregisseur mit dem Instant-Kultfilm „Werner – Beinhart!“ ein hochkarätiges Debüt hingelegt hatte, machte er nämlich in erster Linie mit solchen eher mehr als weniger witzlosen Fäkal- und Kalauerergüssen wie „Kleines Arschloch“, Werner - Gekotzt wird später!, Dieter - Der Film und zuletzt Das kleine Arschloch und der alte Sack auf sich aufmerksam. Man darf es nun also durchaus als kleine Überraschung bezeichnen, dass ausgerechnet Schaak mit der Neuauflage von Erich Kästners Kinderbuch-Klassiker „Das doppelte Lottchen“ der charmanteste, sympathischste und beste deutsche Animationsfilm seit langer Zeit gelungen ist.

    Mitte der 1950er Jahre führt der Zufall die Mädchen Luise und Lotte in einem Ferienheim in Seebühl am Bühlsee zusammen. Zunächst ist den beiden ihr zum Verwechseln ähnliches Aussehen gar nicht geheuer, doch schon bald müssen sie feststellen, dass sie in Wahrheit Zwillinge sind. Lotte ist bei ihrer Mutter Luiselotte in München aufgewachsen, Luise beim Vater Ludwig in Wien. Um nun auch ihren jeweils unbekannten Elternteil endlich kennen zu lernen, beschließt das ungleiche Zwillingspaar, für einige Zeit die Rollen zu tauschen. Doch auch, wenn sie einander bis aufs Haar gleichen, ist das ungewohnte Rollenspiel gar nicht so einfach. Lotte wird als Luise von ihrem Dirigenten-Vater zu einem Musikwettbewerb angemeldet, dabei hat sich doch in ihrem Leben noch nie an einem Klavier gesessen. Und Luise, für die 2 x 2 bisher schon ein unüberwindbares Hindernis darstellte, muss plötzlich dem Ruf ihrer Schwester gerecht werden, ein Mathegenie zu sein. Beim Wettbewerb, der die falsche Luise samt Vater nach München führt, kommt die ganze Familie schließlich wieder zusammen. Nun steht nur noch Ludwigs finstere Verlobte Irene der endgültigen Wiedervereinigung im Wege…

    Die Geschichte vom doppelten Lottchen ist für sich natürlich schlichtweg genial - pädagogisch wertvoll, aber ohne erhobenen Zeigefinger, temporeich und kindgerecht, aber dennoch komplex und mit viel emotionaler Tiefe, eben so, wie es halt nur Erich Kästner konnte. Und glücklicherweise haben die Filmemacher nun komplett darauf verzichtet, dieses grandiose Stück Kinderliteratur mit irgendwelchen Sperenzchen aufzupeppen. Ein niedliches Entenpärchen und ein Dackel müssen als urkomische Sidekicks herhalten, ansonsten konzentriert sich der Film voll und ganz auf seine Geschichte und seine Figuren. Das fängt schon damit an, dass darauf verzichtet wurde, das Zwillingsabenteuer in die 2000er Jahre zu verlegen, so bietet der spezielle Charme der 1950er noch einen zusätzlichen Reiz. Und auch die jungen Zuschauer werden hier kaum ein Problem damit haben, dass die doppelten Lottchen nicht mit einem Handy herumlaufen, vielmehr dürften auch sie von der liebevoll eingebundenen Ära fasziniert werden. Witzig, spannend und an genau den richtigen Stellen dann auch für einen Animationsfilm unerwartet emotional und berührend – die perfekte Mischung für 80 Minuten wunderbare Zeichentrickunterhaltung.

    Auch der Look des Films passt sich perfekt in die werkgetreue Auffrischung des Kästner-Universums ein. Was den Stil angeht, hielten die Animatoren sich nämlich eng an den des Zeichners Walter Trier (1890-1951), der sich als genialer Hausillustrator der Kästner-Kinderromane einen Namen zu machen wusste. Süß, detailreich und liebenswürdig – dabei nicht in erster Linie auf technische Perfektion aus, keine State-of-the-Art-Computeranimation, sondern eine wunderbar altmodische Reminiszenz an die Kinderbuchklassiker der 1950er. „Das doppelte Lottchen“ verzichtet – sowohl technisch als auch inhaltlich – auf jeden modernisierende Schnickschnack, bietet aber dennoch so viele phantasievolle Einfälle auf, um eine abermalige Neuinterpretation des bekannten Stoffes mit wirklich jeder einzelnen Szene zu rechtfertigen.

    Immer witzig und temporeich erzählt, stets mit phantasievollen Einfällen gespickt und extrem liebevoll animiert – die Zeichentrickversion von „Das doppelte Lottchen“ entpuppt sich so schnell als perfekter Kinoeinstieg für ein junges Publikum und als unterhaltsam-charmantes Retro-Erlebnis für die erwachsenen Begleiter.

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