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    Redbelt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Redbelt
    Von Jan Hamm

    „We thought we could be decent men in indecent times“ hieß es im US-Blockbuster dieses Sommers, The Dark Knight. Selbst der Superheldenfilm hat damit entdeckt, dass die größte Gefahr in einer postmodernen Welt nicht von übermächtigen Feinden ausgeht. Die eigentliche Frage lautet: Wie stark sind die eigenen moralischen Grundsätze, und können sie den Praxistest contra Korruption und Machtgier bestehen? Ein Held ist nicht länger jemand, der seinen Gegenspieler in die Knie zwingt, sondern jemand, der es schafft, seine Integrität zu wahren. Ein Umstand bleibt aber unantastbar – nur echte Kerle können diese Rolle ausfüllen. Und auf die versteht sich David Mamet bestens. Mit „Redbelt“ legt der oscarnominierte Regisseur und Autor (u.a. für Wag The Dog, Glengarry Glen Ross, The Verdict) eine Studie über den modernen, zutiefst maskulinen Heros und seinen Kampf um seine inneren Werte vor. Zwar ist das alles durch die ruhige Inszenierung und das betont subtile Spiel seines Hauptdarstellers Chiwetel Ejiofor (American Gangster) gut getarnt, unter der ruhigen Oberfläche wedelt „Redbelt“ allerdings aufgeregt mit dem Zeigefinger und verfehlt damit trotz vieler Stärken knapp den Anspruch früherer Mamet-Entwürfe.

    Mike Terry (Chiwetel Ejiofor) unterrichtet brasilianisches Jiu-Jitsu. Seine Kunst betrachtet er als Praxis eines in sich ruhenden Geistes und führt damit trotz finanzieller Schwierigkeiten ein glückliches Leben. Gerade stellt er seinem besten Schüler, dem Polizisten Joe (Max Martini, Der Soldat James Ryan), den schwarzen Gürtel in Aussicht, als die aufgelöste Anwältin Laura Black (Emily Mortimer, Match Point) zur Tür herein stolpert und durch eine unbedachte Aktion die Frontscheibe des Dojos zerdeppert. Mikes Frau Sondra (Alice Braga, I Am Legend) ist außer sich, da ihr geschäftsuntüchtiger Mann nicht einmal für derart banale Reperaturarbeiten aufkommen kann. Dann scheint die Sanierung plötzlich doch in trockenen Tüchern, da sich Schauspieler Chet Frank (Tim Allen, Born To Be Wild) für Mikes Beistand bei einer Schlägerei ausgesprochen erkenntlich zeigt. Doch die Welt des Showbusiness ist ihm so fremd, dass er zu spät erkennt, in welche Kreise er sich begeben hat. Als er Opfer einer Intrige wird, scheint es für den ruinierten Trainer nur einen Ausweg zu geben: Das Preisgeld eines Mixed-Martial-Arts-Events – einer Art der Kampfkunstinszenierung, die seine Grundsätze geradezu verspottet...

    Was für ein Mann dieser Mike Terry doch ist! Wehrhaft, hilfsbereit, unberührt von Habgier und Geltungssucht und dazu noch loyal und verständnisvoll. Und natürlich mit Leib und Seele Vertreter seines Ehrenkodex. Mit seinem Protagonisten feiert Mamet ein derart perfektes Männerbild, dass damit oft auf der Grenze zur unfreiwilligen Karikatur balanciert wird. Wäre es möglich, würde Mike seine Rechnungen mit weisen Aphorismen („There is always an escape“) bezahlen. Ist es aber nicht, und so muss er sich aus der Idylle seines Dojos doch noch in die große, weite Welt wagen. Dort begegnet er dem Ungetüm der Hollywood-Industrie, hier verkörpert durch das Kampfsport-Showbusiness. Dass diese David-gegen-Goliath-Revue nicht zu platt ausfällt, ist dem hervorragenden Spiel Chiwetel Ejiofors zu danken. Mit fein nuancierter Mimik holt er den absoluten Charakterentwurf wieder auf den Boden zurück und sichert sich dank seines enormen Charismas von Beginn an Sympathien. Und weil Mike ein so netter Typ ist, fällt oft gar nicht auf, wie überzeichnet die Figur eigentlich ist. Er versucht einfach, ein dezenter Kerl in einer wenig dezenten Welt zu sein. Bleibt es auch dabei?

    Mikes großer Integritätstest ist ausgezeichnet aufgebaut. Behutsam werden die Konflikte und Figurenkonstellationen etabliert und in kleinen Schritten zugespitzt. Erzählt wird das alles über die gewohnt präzisen und schnellen Dialoge, für die Mamet steht. Dass die ganzen Wendungen, die zur wirren und doch vorhersehbaren Intrige führen, teilweise arg konstruiert sind, fällt nicht so sehr ins Gewicht. Denn trotz latenter Noir-Anleihen und schlussendlich natürlich einiger hektischer Kampfturnierszenen ist „Redbelt“ weder Thriller, noch Actioner. Als solchen will Mamet ihn auch explizit nicht verstanden wissen. Der Film ist eine Charakterstudie und ganz bewusst nicht auf vordergründige Spannung aus. Was dabei leider zu kurz kommt, ist Mikes Hintergrund. Woher nimmt er seine Ideale, wer oder was hat ihn geprägt? Er ist einfach a priori tugendhaft. Möglich, dass er schon mit seiner Zen-artigen Gelassenheit zur Welt gekommen ist. Die steht zumindest später auf dem Spiel, als er die Auswegslosigkeit seiner Lage bemerkt und sich für den Wettkampf entscheidet. „Competition is weakness“, lehrt er seine Schüler. Ein weiser Krieger kämpft nicht zur Unterhaltung, nicht aus Habgier und vor allem nicht, wenn er nicht unmittelbar bedroht wird. Aber gewissermaßen ist Mike ja bedroht. Hier entfaltet „Redbelt“ seine allegorische Kraft.

    Zu Beginn bleibt Mamet noch konkret. Mit Chet Frank, einem naiven Actionstar, und den eiskalten Businessleuten, die ihn umgeben, zeichnet er ein zynisches Hollywoodbild. Das ist nun wirklich keine überraschende Erkenntnis. Die Anklage von Lobbies und Industrien gehört ja ohnehin längst zum guten Ton. Stimmig ist es trotzdem. Erwähnenswert ist dabei auch ein selbstreferenzieller Tim Allen, der zeigt, dass er nicht nur albernen Slapstick beherrscht. Beim Turnier wird „Redbelt“ dann ausdrucksstärker. Der Mikrokosmos des Kampfsportevents spiegelt den „Brot und Spiele“-Makrokosmos der Unterhaltungsindustrie und dementsprechend ist alles eine Farce. Der Ausgang des Wettebewerbs ist von den Strippenziehern im Hintergrund längst festgelegt worden. Immerhin winkt ein lukratives Re-Match. Mamets Hausdarsteller Rick Jay (Heist) bringt es auf den Punkt: Um einen Kampf zu verkaufen, muss er eine gute Story erzählen, und die muss man inszenieren. Das ist nicht Mikes Welt, und er sieht sich bald von Verrätern umkreist, die ihn zum Produkt degradieren. Wie kann er seine Ideale halten, wenn sein Gegner nach ganz anderen Regeln spielt? Muss er den Kodex und damit seine Integrität aufgeben, um bestehen zu können?

    „Redbelt“ ist letzten Endes aber eben doch mehr eine Heldengeschichte als ein Drama um die Fragilität der Moral. Und einen alten Samurai wie Mike kriegt auch die böse Industrie nicht so schnell klein. Der Film ist klug geschrieben, mit ruhiger Hand fotografiert (hinter der Kamera stand Oscarpreisträger Robert Elswit, There Will Be Blood) und wirklich toll gespielt. Da Mamet seine nahezu messianische Männlichkeitsidee zwar testet aber nie hinterfragt, ist „Redbelt“ im Subtext zu prätentiös geworden. Jiu-Jitsu-Philosophie als Allheilmittel gegen Korruption? Die Superhelden dieser Welt sollten sich umschulen lassen. Vielleicht klappts dann auch wieder mit der Integrität in einer kaputten Welt.

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