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    Die Schachspielerin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Die Schachspielerin
    Von Sascha Westphal

    Der Weg in die Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Gutgemeint ist nicht Gutgemacht. Das sind natürlich ganz schreckliche Klischees, die eigentlich nichts in einer Kritik zu suchen haben. Nur fordert „Die Schachspielerin“, das Spielfilmdebüt Caroline Bottaros, bedauerlicherweise genau diese Art von Kommentaren heraus. Schon Bertina Henrichs’ gleichnamiger Roman bewegt sich auf einem schmalen Grat. Dessen Geschichte um ein Zimmermädchen, das ihr Schachtalent entdeckt und sich so aus einer erstarrten Existenz befreit, klingt erst einmal nach feministisch angehauchtem Kitsch. Doch den hält Henrichs durch einen lapidaren Stil und eine extrem entkernte Sprache im Zaum. Nicht so Caroline Bottaro: Ihre nach Korsika verlegte Verfilmung suhlt sich regelrecht in mediterranen Postkartenansichten und simpelsten Arm/Reich-Gegensätzen.

    Vor vielen Jahren ist die damals noch sehr junge Hélène (Sandrine Bonnaire, Der Hals der Giraffe, Kann das Liebe sein?) ihrer großen Liebe Ange (Francis Renaud, Die purpurnen Flüsse 2, Mutants) nach Korsika gefolgt. Mittlerweile ist ihre gemeinsame Tochter schon fast erwachsen und will nur eins: möglichst bald aufs Festland. So ein Leben wie ihre Mutter, die neben ihrem Job als Zimmermädchen in einem kleinen Hotel auch noch als Putzfrau bei dem wohlhabenden Exzentriker Dr. Kröger (Kevin Kline, Der Eissturm, Last Radioshow) arbeitet, will sie auf keinen Fall führen. Auch Hélène ist längst nicht mehr glücklich. Nur hat sie bisher keinen Ausweg gesehen. Das ändert sich erst, als sie im Hotel ein Paar beobachtet, das voller Leidenschaft Schach spielt. Von diesem Moment an lässt sie der Gedanke an das Königsspiel nicht mehr los. Erst besorgt sie sich einen Schachcomputer, mit dessen Hilfe sie sich heimlich die Grundzüge beibringt. Dann fragt sie Dr. Kröger, ob er ihr Unterricht gibt. Der Einsiedler lässt sich zögerlich darauf ein, erkennt aber schon bald Hélènes außergewöhnliches Talent...

    Nichts in Caroline Bottaros Erstlingswerk stimmt. Das beginnt schon bei den Schachszenen. Ein Film, der diesem Spiel eine beinahe revolutionäre Kraft zuschreibt, sollte wenigstens dessen Grundregeln beachten. Doch die scheinen die Filmemacherin gar nicht interessiert zu haben. Zumindest ergibt kein einziger Schnitt oder Übergang in den Spiel-Sequenzen Sinn. Entweder scheint gar nichts auf dem Brett zu passieren, oder aber die einfachsten Regeln werden verletzt. Nun kann kein Film eine Schachpartie in all ihren Feinheiten nachzeichnen, und das soll er auch gar nicht. Doch ein bisschen Respekt für das Spiel und alle die, die es lieben, sollte ein Film mit dem Titel „Die Schachspielerin“ schon zeigen. Dass Caroline Bottaro gerade diesen vermissen lässt, ist mehr als nur bezeichnend.

    Ähnlich respektlos geht die Debütantin dann auch mit ihren Figuren und den Milieus um, aus denen sie stammen. Auf der einen Seite ist da das beengte, mit billigen Möbeln vollgestopfte Haus von Hélène und ihrer Familie, dessen Ärmlichkeit – geht es nach Caroline Bottaro – irgendwie wohl noch etwas Pittoreskes haben soll. Auf der anderen Seite gibt es dann gleich die große, elegant eingerichtete Villa Dr. Krögers. Diese so offensichtlichen Gegensätze sind vielleicht sogar realistisch. Aber der plakative Gestus, mit dem sie hier präsentiert werden, hinterlässt einen üblen Nachgeschmack. Da steigt eine Filmemacherin in die Niederungen des Proletariats hinab, und was findet sie dort: kümmerliche Existenzen in kümmerlichen Wohnungen. Dazu passt dann auch, dass sich mit der Zeit eine überaus raffinierte, platonisch bleibende Liebesbeziehung zwischen der Putzfrau und Dr. Kröger ergibt, in der das Spiel der Verführung eine schon königliche Grazie hat. Unten am Hafen findet der eheliche Sex natürlich auf dem Küchentisch statt, wo auch sonst, und riecht nicht nur deutlich nach Schweiß, sondern auch nach Gewalt. So sind sie halt die Arbeiter, die ihre Frauen ausbeuten und unterdrücken.

    Sandrine Bonnaire spielt mit all ihrer Kraft gegen die unzähligen Klischees, die das Drehbuch und Caroline Bottaros eindimensionale Inszenierung ihrer Figur aufbürden, an. Immer wieder trifft sie genau den richtigen Ton oder findet die perfekte Geste, in der sich Hélènes ganze Zerrissenheit und ihr innerer Kampf offenbart. Der Emanzipationsprozess, den das wenig gebildete Zimmermädchen Schritt für Schritt durchläuft, ist ein schwieriger, von Unsicherheit und Zweifeln geprägter. Jeder neue Erfolg wirft auch wieder neue Fragen auf und wird von Skrupeln begleitet. Mit ihrem psychologisch ungeheuer genauen Spiel erkämpft Sandrine Bonnaires dieser Frau, die plötzlich zwischen den Welten steht und sich dabei noch einmal neu kennen lernt, eine Glaubwürdigkeit, die Caroline Bottaro immer wieder untergräbt, um sie ihr dann in einer allem Vorherigen widersprechenden Wendung zu einem abstrusen magischen Realismus zu nehmen. Dieser Verrat an Hélène und ihrer den Status quo des sozialen Gefüges in Frage stellenden Emanzipation raubt dem Film auch noch den letzten Rest Wahrhaftigkeit und stößt ihn endgültig in die Niederungen des Märchenkitsches hinab.

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