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    Crimson Tide - In tiefster Gefahr
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Crimson Tide - In tiefster Gefahr
    Von Carsten Baumgardt

    Der 7. Juli 2004 war ein trauriger Tag. Schauspiellegende Gene Hackman erklärte in einem seiner seltenen Interviews bei CNN-Talker Larry King seine Karriere praktisch für beendet – im Alter von 74 Jahren. Und tatsächlich hielt der Kalifornier Wort. Die Komödie Willkommen in Mooseport (2004) bedeutet bis dato tatsächlich seinen letzten Kinoauftritt. Wie bedauerlich dieser doch recht frühe Rückzug des Ausnahmeschauspielers (French Connection, Erbarmungslos, Get Shorty) ist, untermauert zum Beispiel Tony Scotts U-Boot-Thriller „Crimson Tide“ aus dem Jahr 1995. Hackman zelebriert mit Konterpart Denzel Washington ein Mimenduell der Extraklasse, das für die seichte Abhandlung der schweren Thematik mehr als entschädigt.

    Mitte der Neunzigerjahre: In Russland ist ein Bürgerkrieg ausgebrochen, der die Welt ins Wanken bringt. Anti-amerikanische Rebellen haben eine Raketenbasis unter ihre Kontrolle gebracht und drohen damit, Nuklearwaffen gegen die Vereinigten Staaten einzusetzen. Die USA schickt das Atom-U-Boot „USS Alabama“ in asiatische Gewässer, um an der Frontlinie notfalls eingreifen zu können. Der hartgesottene Veteran Captain Ramsey (Gene Hackman) kommandiert das Boot. An seiner Seite steht der idealistische Erste Offizier Ron Hunter (Denzel Washington). Der smarte Harvard-Absolvent geht schon bald auf Konfrontationskurs mit Hardliner Ramsey. Als ein russisches Atom-U-Boot, das möglicherweise von den Rebellen in ihre Gewalt gebracht wurde, in Kampfreichweite der „USS Alabama“ auftaucht und die Crew den Befehl bekommt, sich auf einen Nuklearpräventivschlag vorzubereiten, spitzt sich die Situation dramatisch zu. Eine zweite Einsatzmitteilung wird nur unvollständig übertragen, weil das Funksystem des Boots zerstört ist. Ramsey besteht darauf, die Atomsprengkörper trotzdem abzuschießen und laut letztem Befehl zu handeln, Hunter verweigert seine Zustimmung, weil er diesen Entschluss absichern will – was jedoch nicht sofort möglich ist. Daraufhin enthebt Hunter Captain Ramsey seines Kommandos…

    Wer sich die Eckdaten von „Crimson Tide“ anschaut, wird wissen, auf was er sich einlässt. Das berühmt-berüchtigte Produzentenduo Jerry Bruckheimer und Joe Simpson (1996 verstorben) steht nicht unbedingt für subtile Filmkunst. Viel Spektakel und einfache Geschichten, die auch ein Massenpublikum nicht überfordern… dafür stehen die beiden (Top Gun, Tage des Donners, Bad Boys, Beverly Hills Cop). Dazu gesellt sich mit Tony Scott (Top Gun, Deja Vu, Der Staatsfeind Nr. 1) auf dem Regiestuhl der Hochglanzfilmer schlechthin. Da verwundert es kaum, dass das Drehbuch von Michael Schiffer („Projekt: Peacemaker“) schlicht und gradlinig gestrickt ist. Das war offenbar auch Bruckheimer, Simpson und Scott aufgefallen, denn Kultfilmer Quentin Tarantino (Pulp Fiction, Jackie Brown) sowie die Star-Drehbuchautoren Robert Towne (Chinatown, Mission: Impossible) und Steven Zaillian (Schindlers Liste, American Gangster) wurden damit beauftragt, den Dialogen Schiffers Schliff und Schärfe zu verleihen. Das zeigte Wirkung. Der fiktive Kalte-Krieg-Reloaded-Grundplot ist zwar immer noch simpel, im Detail unglaubwürdig und nicht über die Maßen intelligent, und die Standards des U-Boots-Films werden ebenso sorgfältig abgeklappert (Notflutungen, Beinahe-Torpedo-Treffer, Sinken in unsichere Tiefen), aber hier geht es nicht um eine hundertprozentig realistische Darstellung von Krieg in unserer Zeit - dazu enthält der Film auch zu viele faktische Fehler, die wahrscheinlich bewusst aus dramaturgischen Gründen in Kauf genommen wurden. Aber diese Mängel rücken angesichts der wahren Qualitäten des Films in den Hintergrund. Trotz allen Ernstes des Hintergrunds soll „Crimson Tide“ die Zuschauer knapp zwei Stunden an die Sitze fesseln.

    „Crimson Tide“ glänzt an vorderster Front mit zwei Stärken: Das Duell Mann gegen Mann, das sich Gene Hackman und Denzel Washington (Training Day, American Gangster, Ausnahmezustand liefern, bittet soviel Zündstoff und Unterhaltungswert, dass dies seinen erheblichen Teil zum Prunkstück des Films beiträgt: der Spannung. Denn die ist über die komplette Laufzeit extrem hoch. Tony Scott lässt nicht nach, jagt sein Personal von einer Konfrontation in die nächste. Es kämpft gegen die russischen Rebellen, gegen die Enge an Bord und bald auch gegen sich selbst, als die Meuterei vom Zaun bricht. Die Verhältnisse sind schnell geklärt. Captain Ramsey ist der Böse, der Erste Offizier Hunter der Gute. Aber Scott und sein Autor Schiffer sind so klug, zwar die Grenzen klar abzustecken, aber Ramsey nicht als kriegshetzerisches Monster zu zeichnen. Im Rahmen seiner Wertevorstellungen ist der alte Kempe nur konsequent. Hackman brilliert als moderner Captain Ahab, dem der junge Havard-Emporkömmling von Grund auf suspekt ist. Es ist seiner Statur zu verdanken, dass die Figur in seiner inneren Logik nicht überzogen wirkt. Die Wortgefechte mit Washington, der ebenfalls seine ganze Präsenz in die Waagschale wirft, sind die Höhepunkte des Films. Die Nebendarsteller müssen in so einer Konstellation naturgemäß kürzer treten. Doch ab und an darf sich sogar jemand in den Vordergrund spielen. Schlüsselrollen fallen dabei George Dzundza (Basic Instinct, No Way Out) und dem damals kaum bekannten Viggo Mortensen (Herr der Ringe - Trilogie, Tödliche Versprechen, A History Of Violence) als leitende Offiziere zu.

    Erstaunlich für eine Bruckheimer/Simpson-Produktion ist der strenge Wille, sich weniger auf bombastische Actionszenen zu konzentrieren, denn auf die psychologische Auslotung der Figuren. Und so geraten die Spezialeffekte in den seltenen Krawallmomenten auch seltsam mau, fallen aber aufgrund der Unwichtigkeit nicht sehr ins Gewicht. Nervtötender ist ohnehin Hans Zimmers pompös-zackiger Score, der aber eben mal zum Bruckheimer/Simpson-Kino der Neunziger gehört wie die hochglänzenden Leinwandbilder.

    Fazit: „Crimson Tide“ ist hochgradig spannendes Unterhaltungskino, das sich selbstverständlich nicht mit dem Genre-Primus Das Boot messen kann und auch etwas hinter Jagd auf Roter Oktober zurückfällt, sich aber in den Sphären von K-19: Showdown in der Tiefe bewegt und somit immer noch viele U-Boot-Filme hinter sich lässt.

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