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    The Messenger - Die letzte Nachricht
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    The Messenger - Die letzte Nachricht
    Von Daniela Leistikow

    Nachdem Ben Affleck und ein weiterer Kandidat für die Regie des Dramas „The Messenger“ überraschend von dem Projekt zurückgetreten waren, sei nur noch er selbst mit offensichtlichen Ambitionen auf die künstlerische Gesamtleitung übrig geblieben: So schildert der zuletzt mit den Drehbüchern zu I’m Not There und Married Life erfolgreiche Drehbuchautor Oren Moverman, der auch an „The Messenger“ mitschrieb, die Umstände seines unverhofften Regiedebüts. Diese Fügung erweist sich als echter Glücksfall, denn Moverman verleiht dem ernsten Stoff einen tragikomischen Touch und bearbeitet ein emotional brisantes Thema, ohne jemals in Gefühlsduselei abzudriften.

    Sergeant Will Montgomery (Ben Foster, Todeszug nach Yuma, Alpha Dog) ist ein hochdekorierter Kriegsheld. Als die schweren Verletzungen, die er sich bei seiner Heldentat zuzog, verheilt sind und er aus dem Krankenhaus entlassen wird, muss er noch drei Monate Militärdienst leisten. Doch er wird diesmal nicht am Kriegsschauplatz im Irak eingesetzt, sondern zum „Casualty Notification Team“ versetzt. Diese harmlos wirkende Bezeichnung ist eine euphemistische Umschreibung für die emotional wie körperlich belastende Pflicht, die Will von nun an gemeinsam mit Captain Tony Stone (Woody Harrelson, Transsiberian, Natural Born Killers) zu erfüllen hat: Das Duo muss den Eltern, Ehefrauen und Kindern gefallener Soldaten mitteilen, dass ihre Liebsten nicht mehr am Leben sind. Die Reaktionen der Angehörigen reichen von Schreikämpfen unter Tränen bis zu Aggressionen gegen die Unglücksboten. Nur Olivia (Samantha Morton, In America, Minority Report) scheint seltsam gefasst, als ihr vom Tod ihres Ehemannes berichtet wird. Bald beginnt Will sich zu der jungen Witwe hingezogen zu fühlen, was bei Captain Stone nicht besonders gut ankommt...

    „Don’t shoot the messenger“ – das ist im englischsprachigen Raum ein oft gebrauchtes Sprichwort, das zum Ausdruck bringt, dass der Überbringer einer schlechten Nachricht nicht für deren Inhalt verantwortlich gemacht werden sollte. Im Falle von Oren Movermans Erstlingswerk „The Messenger“ bleibt der Bote definitiv am Leben, denn er hat Gutes über den Film zu berichten: Das tragikomische Drama bewegt, ohne sentimental zu sein und bringt den Zuschauer trotz des emotional aufgeladenen und brisanten Themas immer wieder herzlich zum Lachen. Der Handlungsverlauf ist weder zu durchschaubar noch zu kompliziert oder verwirrend. Schon zu Beginn punktet Moverman dabei mit einer originellen Variante des häufig stereotyp abgehandelten Motivs vom zu seiner Ehefrau heimkehrenden Soldaten.

    Auch ein anderes oft in Szene gesetztes Klischee wird in „The Messenger“ neu beleuchtet. In unzähligen Filmen war bereits zu sehen, wie zwei Soldaten in zackigem Gleichschritt auf ein Einfamilienhaus zugehen, die Tür sich öffnet und eine Witwe weinend zusammenbricht, während die Uniformierten keine Miene verziehen und ihre Nachricht in erbarmungsloser Eintönigkeit herunterleiern. Neuling Will wird noch vor seinem ersten Tag im „Casualty Notification Team“ vom dienstälteren Captain Stone angewiesen, keine emotionale Regung, abgesehen von Respekt, zu zeigen und die Angehörigen der gefallenen Soldaten unter keinen Umständen zu berühren. Umarmungen sind tabu. Statt ehrliches Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen, müssen die Krieger an der Heimatfront sich minutiös an die „Standard Operating Procedure“ halten, die wie ein Drehbuch den exakten Wortlaut der schlechten Nachricht vorgibt. Unter der rauen Fassade der Soldaten, die wie Felsen in der Brandung aus Trauer, Wut und Schock stehen, wird in „The Messenger“ immer wieder der Mensch sichtbar, der in dieser so oft gedrehten Szene bisher kaum auf der Leinwand zu erblicken war. In anderen Filmen wirkten solche militärischen Boten wie Maschinen, die mit der Feinfühligkeit von Panzern die schwierigste aller Nachrichten überbringen.

    Die beiden sichtlich unter den starren Richtlinien leidenden Protagonisten gehen sehr unterschiedlich mit dieser Herausforderung um. Woody Harrelson, der ursprünglich für die Rolle des Will vorsprach, brilliert als alkoholkranker Haudegen Tony und trifft vor allem bei den humoristischen Dialogen jedes Mal ins Schwarze. Ben Foster verleiht seinem Will Männlichkeit und Integrität, ohne dabei auch nur eine Sekunde lang hölzern oder gefühlskalt zu wirken. Wenn Tony und Will nach einer Feier auf dem Parkplatz mit unsichtbaren Waffen Krieg spielen, Deckung hinter Autos suchen und Maschinengewehr-Geräusche machen, liegen Lachen und Weinen nah beieinander. Movermans Fähigkeit, den Kinobesuchern trotz des ernsten Themas oft mehr als ein Schmunzeln abzuringen und komische Akzente zu setzen, gehört zu den großen Stärken von „The Messenger“.

    Samantha Morton eignet sich die Rolle der jungen Witwe Olivia mit traumwandlerischer Sicherheit an und schafft einen geradezu unglaublichen Kontrast zu ihrer Darstellung der Maria Stuart in Elizabeth: Das goldene Königreich. Nahtlos knüpft sie an ihre hervorragende Leistung in Control an. Die Wahl der vollkommen ungekünstelt und unglamourös wirkenden Morton erlaubt die konzentrierte Entfaltung des moralischen und emotionalen Dilemmas ohne den Ballast einer sexuell aufgeladenen Darstellung. Wäre stattdessen eine klassische Schönheit wie Nicole Kidman besetzt worden, hätte deren Star-Appeal nur abgelenkt und einen falschen Akzent gesetzt. Der Schwerpunkt von „The Messenger“ liegt trotz der interessanten Konstellation nämlich nicht auf der Frage, ob ein Soldat mit der Frau eines gefallenen Kameraden schlafen darf. Selbst Regie-Altmeister Sydney Pollack (Die drei Tage des Condor, „Jenseits von Afrika“), der den beiden Drehbuchautoren hilfreich zur Seite stand und ihnen ans Herz gelegt hatte, genau dieses Thema intensiver zu bearbeiten, stieß damit bei Moverman und Co-Autor Alessandro Camon glücklicherweise auf taube Ohren.

    Fazit: Oren Movermans erste Regiearbeit ist eine positive Überraschung. Harrelson, Foster und Morton laufen unter der Anleitung des Drehbuchschreibers ohne Regie-Erfahrung zu Hochform auf. Wo der Trailer ein platt-sentimentales Drama über Tod und Krieg befürchten ließ, findet sich ein berührender Film über Menschlichkeit und Trauer in schweren Zeiten: Die mit einem lachenden und einem weinenden Auge vorgetragene Botschaft von „The Messenger“ kommt an.

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