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    Herr der Fliegen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Herr der Fliegen
    Von Christopher Dröge

    Inseln zählen nicht umsonst zu den beliebtesten Schauplätzen von Geschichten: Die isolierte Lage fern der Zivilisation bietet ideale Laborbedingungen, um die menschliche Natur auf jede erdenkliche Weise zu sezieren. Paradebeispiel hierfür ist William Goldings Roman „Herr der Fliegen", der 1954 erschien und schnell zum Kultbuch wurde. Schnell wurde die pessimistische Parabel über die menschliche Neigung zur Gewalt Teil des Kanons der Schullektüre und bereits 1963 ein erstes Mal überaus erfolgreich verfilmt. Dennoch versuchte sich Harry Hook 1990 an einer Neuverfilmung, die die Geschichte zwar in die Gegenwart verlegt, die Handlung ansonsten aber intakt lässt. Doch so ansprechend gefilmt die Neuauflage auch ist, der moralische Symbolismus der Geschichte wird dem Zuschauer mit dem Holzhammer eingeprügelt und krankt zudem am Unvermögen von einigen der jungen Schauspieler.

    Mit einem Flugzeugabsturz nimmt das Unglück seinen Lauf: Eine Gruppe von etwa acht bis dreizehnjährigen Militärkadetten kann sich ans Ufer einer nah gelegenen einsamen Insel retten. Auch einer der Piloten hat es ans Ufer geschafft, ist jedoch schwer verletzt und fällt bald in Ohnmacht. Ohne Aufsicht durch Erwachsene auf sich allein gestellt, scharen sich die Jungen zunächst um Ralph (Balthazar Getty), den Ältesten der Gruppe. Unter Mithilfe eines scharfsinnigen, wegen seines Übergewichts von allen aber nur Piggy genannten Jungen (Danuel Pipoly) versucht Ralph die gewohnte Ordnung der Zivilisation aufrecht zu erhalten. Er glaubt fest an ihre Rettung und lässt ein Signalfeuer entfachen, das Tag und Nacht überwacht werden muss. Bald jedoch stellt Jack (Chris Furrh) seine Autorität in Frage: Er ist an einer Rettung nicht interessiert, sondern genießt die Freiheit von den Zwängen der Zivilisation. Statt auf das Feuer aufzupassen, gehen er und seine Gefährten lieber auf die Jagd nach wilden Schweinen. Als das Feuer ausgeht, kommt es zur Konfrontation zwischen Ralph und Jack. Die Jungen spalten sich auf: Während Ralphs Gruppe weiterhin darauf hofft wieder in die Zivilisation zurückkehren zu können, entledigen sich die „Jäger" ihrer Kleidung und ihrer Erziehung, schmücken sich mit Kriegsbemalung und tanzen ums Feuer. Gleichzeitig beginnen sie, Ralphs Gruppe zu drangsalieren, so dass immer mehr von Ralphs Gefolgsleuten ins gegnerische Lager wechseln. Schließlich bleiben nur noch Ralph und Piggy übrig, die der Willkür ihrer Gegner schutzlos ausgeliefert sind. Als auch noch das Gerücht aufkommt, ein „Monster" hause auf der Insel, kommt es zur Eskalation.

    Aus den britischen Chorknaben der Vorlage wurden in der amerikanischen Neuverfilmung Militärschüler, was die Wirkung der Parabel gleich ein wenig abschwächt – als liberal sozialisierter Mitteleuropäer hält man Soldaten (gleich welchen Alters) ohnehin für gewaltanfälliger als schöngeistige Sänger. Abgesehen davon zeigt sich die Modernisierung der Story in erster Linie dadurch, dass die Jungen beim Fluchen kein Blatt vor dem Mund nehmen. Die einzige deutliche Änderung gegenüber der Romanvorlage ist der überlebende Pilot, der sich dramaturgisch als reichlich überflüssig erweist. Denn die meiste Zeit liegt er bewusstlos als Requisite im Hintergrund, bis er sich irgendwann ohne triftigen Grund in einer Höhle verkriecht, damit die Jungen ihn für das Monster halten können. Auf diese unelegante Erklärung des Phänomens hätte man auch verzichten können.

    Doch viel gravierender ist, dass Regisseur Harry Hook dem Zuschauer kaum zutraut, die Symbolik der Geschichte selbst entschlüsseln zu können. Die Folge ist eine plakative Erzählweise, die mit der Kamera immer so lange draufhält, bis auch der letzte die Intention verstanden hat. Vielleicht deswegen gehörte „Der Herr der Fliegen" lange zum Standardprogramm von faulen Lehrern, die mit einem Film die letzten Stunden vor den Ferien herum bekommen wollten. Dass zudem manchen der jungen Laiendarstellern deutlich anzumerken ist, dass sie zum ersten Mal vor einer Kamera standen, macht die Sache nicht besser. Balthazar Getty macht in seinem ersten Film dabei noch eine ordentliche Figur, Danuel Pipoly dagegen fehlt schlicht das Talent, um die Rolle des Piggy ausfüllen zu können. Wer also unbedingt eine „Herr der Fliegen-Verfilmung sehen will, sollte lieber zum deutlich besseren Original von Peter Brook greifen.

    Fazit: Die zweite Verfilmung des berühmten Romans von William Golding kann in erster Linie durch schöne Bilder überzeugen. Als symbolische Parabel über den Hang der Menschen zur Gewalt dagegen, scheitert Regisseur Harry Hook an seinem eigenen erzählerischen Unvermögen.

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