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    Anamorph
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Anamorph
    Von Martin Soyka

    Eigentlich sind Serienkillerfilme eine sichere Bank – und zwar sowohl für Filmemacher als auch für den Zuschauer. Ersterer kann sich eines regen Interesses seitens einer breiten Fanbasis gewiss sein, letzterer bekommt dafür in der Regel genau das, was er erwartet, mag es sich dabei auch oft genug um Mittelmaß handeln. Wird den Filmen dann noch ein gewisser künstlerischer Anspruch zugrunde gelegt, können dabei auch hochinteressante und ausgesprochen spannende Werke herausspringen, wie uns die Genre-Meisterwerke Das Schweigen der Lämmer, Sieben oder Zodiac gelehrt haben. Andererseits kann ein Film aber auch am eigenen Anspruch ersticken, was im Fall von Henry Millers „Anamorph“ nun leider geschehen ist.

    Detective Stan Aubrey (Willem Dafoe) ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Vor fünf Jahren hatte er sich an die Fersen des Serienkillers „Onkel Eddie“ geheftet. Die Festnahme eines Verdächtigen geriet allerdings zu einem Fiasko, weil dieser aufgrund eines Versehens erschossen wurde. Da die Mordserie seinerzeit stoppte, schloss die Polizei daraus, dass es wohl den Richtigen erwischt hätte. Aubrey wurde rehabilitiert und konsequenterweise befördert. Doch seine nagenden Zweifel hat er dennoch nie wirklich überwunden. Mittlerweile ist aus ihm ein heimlicher Alkoholiker geworden, bei dem immer häufiger auch Zwangsneurosen auftreten. Nur mühsam wahrt er anderen gegenüber den Schein. Seine einzige echte Leidenschaft gilt der Kunst und Antiquitäten. Da kommt es zu neuen Morden, die auffallende Ähnlichkeiten zu „Onkel Eddies“ Vorgehen aufweisen. Handelt es sich hier um einen Trittbrettfahrer? Oder vielleicht um einen Killer mit ganz anderen Motiven? Der Täter fasst die Tatorte offenbar als Bühne für künstlerische Darbietungen auf. Abhängig vom Betrachtungswinkel ändern sich die schrecklichen Eindrücke, bis ein ganz neues Bild entsteht. Und der Killer ist sich seines Verfolgers wohl bewusst. Er dringt in das tägliche Leben des gepeinigten Polizisten ein und umkreist ihn in immer enger werdenden Bahnen….

    Die Story klingt vielversprechend. Und auch sonst wartet der Film eigentlich mit überzeugenden Zutaten auf: einem exzellenten Haupt- und tollen Nebendarstellern, großartigen Kulissen, hervorragender Fotografie und genau der richtigen Portion Grausamkeit, die niemals auf das Niveau von Saw oder Hostel herabsinkt. Doch die getragene Inszenierung macht leider jeder Spannung den Garaus. Langsamkeit ist eben nicht immer ein Qualitätsmerkmal, sondern häufig auch einfach nur langweilig. Die Handlung steht über weite Strecken des Films still und für das Thriller-typische Miträtseln bietet die Handlung dem Zuschauer zu wenige Anhaltspunkte. Regisseur und Co-Drehbuchautor Miller kann sich nicht entscheiden, ob er nun einen psychologischen Film über einen Mann drehen will, der an seiner Vergangenheit in Zeitlupe zerbricht, oder ob nicht doch eher die Mörderhatz im Mittelpunkt stehen soll.

    Das ist schade, denn der Film hat durchaus seine Momente. Insbesondere die Ausstattung der Tatorte und die Enthüllung ihrer Geheimnisse sind fast schon genial umgesetzt. Kein Wunder, wurden die Spezialeffekte doch von Richard Edlund realisiert, einem der Besten auf seinem Gebiet, der schon an Krieg der Sterne und Stirb langsam mitarbeitete. Daran liegt es sicherlich nicht, dass der Film letztlich nicht zu überzeugen vermag. Auch die Leistung des Hauptdarstellers Willem Defoe (Platoon, Speed 2, Spider-Man, Zurück im Sommer) ist ohne Fehl und Tadel. Es ist immer wieder erstaunlich, wie wandlungsfähig dieser Mime ist (auch wenn die deutsche Synchronisation nicht annähernd seiner Originalstimme entspricht).

    Was dem Film entgegen gehalten werden muss, ist, dass er sich nicht die Mühe macht, die übrigen Charaktere einzuführen und zu erklären. Peter Stormare (Constantine, Fargo, Boot Camp) ist ein wunderbar schräger Mime und seine Rolle als Blair Collet, von dem Aubrey Kunst und Antiquitäten kauft, ist wirklich interessant, aber woher er stammt und wie Aubrey an ihn herangekommen ist, wird nicht näher beleuchtet. Noch undurchsichtiger bleibt die Rolle der Sandy Strickland (Clea DuVall, Durchgeknallt, Identität), zu der Aubrey eine wie auch immer geartete Beziehung unterhält, die ihre Wurzeln in der Ära von „Onkel Eddie“ hat. Was sie für ein Charakter ist, muss der Zuschauer der DVD-Hülle entnehmen, der Film selbst deutet es allenfalls an.

    Schlussendlich verpasst es „Anamorph“, eine abschließend erhellende Auflösung zu präsentieren. Auf der anderen Seite drängt sich aber auch nicht der Eindruck auf, dass das Ende mit Absicht offen und interpretationsfähig gehalten wurde. Viele Fragen bleiben unbeantwortet – es stellt sich das Gefühl ein, dass hier nun endgültig die Form über den Inhalt gesiegt hat. Schade, denn mit etwas mehr Tempo und Stringenz hätte aus der Prämisse ein echt guter Film werden können. Doch so pendelt „Anamorph“ nun leider recht unentschlossen zwischen Slasher-Optik und Arthouse-Erzählstil hin und her.

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