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    Beautiful Bitch
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Beautiful Bitch
    Von Christian Schön

    Misanthropie, also die negative Haltung dem Menschen gegenüber, und Pessimismus stellen zwei grundsätzliche Einstellungen dar, die einen großen Vorteil haben: Alles Schlechte auf der Welt spricht für sie – und davon gibt es bekanntlich mehr als genug. Jeder verfügt über die Fähigkeiten, sich unter geeigneten Umständen für ein Verhalten zu entscheiden, das der geltenden Moral widerspricht. Besonders erschreckend ist dies, wenn Kinder zu Tätern werden, bzw. gemacht werden, da gerade sie als Symbol für Unschuld gelten. Das wohl krasseste Beispiel dafür geben derzeit Kindersoldaten in Myanmar, Kolumbien oder Indien. Eine abgeschwächte Form dieses grässlichen Phänomens ist die organisierte Kinderkriminalität, der sich auch das Drama „Beautiful Bitch“ von Martin Theo Krieger widmet. Er zeigt anhand des Schicksals der fünfzehnjährigen Bica, genannt Bitch, die Karriere einer Diebin aus Rumänien. Beim Versuch, diese zwischen der harten Welt des Verbrechens und den normalen Sorgen eines Teenagers zu situieren, verpasst Krieger sowohl die Chance einen interessanten Film zu machen, als auch den selbstgestellten Aufklärungsauftrag zu erfüllen.

    Um sich und ihren jüngeren Bruder zu versorgen, steht für Bica (Katharina Derr) Diebstahl an der Tagesordnung ihres harten Lebens auf den Straßen Bukarests. Eines Tages, als ihr kleiner Bruder gerade von den Behörden aufgegriffen wurde, spricht sie Cristu (Patrick von Blume) an. Mit genügend Geld, so versucht er sie für sich zu gewinnen, wären alle ihre Probleme zu beheben. Um sich den Traum vom sorgenlosen Leben zu erfüllen, folgt Bica dem Ruf Cristus und gelangt so nach Düsseldorf. Dort wird sie in eine kleine Gruppe, bestehend aus vier Dieben, integriert. Cristu zeigt sich als unbarmherziger Tyrann und hält die Kinder, die vor allem für seinen Lebensunterhalt sorgen, unter kargen Bedingungen in einer Mietwohnung. Auf ihren Streifzügen durch die Stadt lernt Bica zufällig die etwa gleichaltrige Milka (Sina Tkotsch) kennen, deren größtes Problem der unerfüllte Wunsch nach einer Nasenoperation ist. Da Cristu von der neuen Freundschaft nichts wissen darf, entsteht nur unter großen Schwierigkeiten langsam Nähe zwischen den zwei Mädchen. Milka, die Bica den Namen Bitch gibt, bringt diese dazu, im gleichen Streetball-Team mitzuspielen. Je mehr Bitch vom normalen Leben mitbekommt, desto mehr wächst in ihr der Wunsch nach Freiheit. Doch trotz aller Vorsicht bekommt Cristu Wind vom Doppelleben seiner besten Angestellten…

    Einem zu kritischen Blick, der die spärlichen Fakten, die der Film präsentiert, auf seinen Realitätsgehalt überprüft, hält der Film nicht stand. Allein die verwirrende Tatsache, dass die aus Rumänien stammende Bica/Bitch fließendes Deutsch spricht und versteht, muss ebenso als selbstverständlich hingenommen werden, wie die Verbreitung der englischen Sprache im intergalaktischen Raum schlechter Science-Fiction-Filme. Was „Beautiful Bitch“ also erzählen will, ist vor allem die Geschichte einer gebeutelten Existenz, die vom harten Pflaster in Bukarest ins weichgespülte Eldorado von Düsseldorf gelangt. Ohne groß übertreiben zu müssen, schafft der Film es auch, die neue Welt aus der Sicht von Bitch ein wenig surreal wirken zu lassen. Durchgängig kann dieser Eindruck jedoch nicht erweckt werden. Die mitunter absurden Dialoge und die durchschnittlichen schauspielerischen Leistungen erinnern eher an die künstliche Welt der vorabendlichen Seifenopern.

    Das Thema der Kinderverbrecher, das der Film behandelt, dominiert fast die gesamte Stimmung von „Beautiful Bitch“. Dabei stellt sich das Gefühl ein, dass die Ernsthaftigkeit, mit der das Thema präsentiert werden wollte, Regisseur Krieger durchaus Schwierigkeiten bereitet hat. Zwar findet er nach gut der Hälfte eine angemessene Art und Weise, die kinderunfreundliche Welt der Diebe zu inszenieren, ohne jedoch insgesamt ein Gleichgewicht zu erreichen. Die Schwierigkeiten resultieren letztlich daraus, dass es nicht gelingt, beide Welten, mit denen Bitch in Berührung kommt, gleichermaßen authentisch zu treffen. Wie eine ehrliche, ernsthafte Bearbeitung von schweren Stoffen, die gerade auch die Problemländer in Osteuropa betreffen, bewies der in Rumänien produzierte 4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage, der 2007 mit der Goldenen Palme in Cannes ausgezeichnet wurde. Die entscheidende Frage für „Beautiful Bitch“ ist also, welches Publikum angesprochen werden soll, oder überhaupt angesprochen werden kann. Als Sozialdrama, das mit dem erwähnten Cannes-Gewinner konkurrieren kann, funktioniert Kriegers zweiter Film für die große Leinwand keineswegs. Als möglicher Anwendungsbereich könnte „Beautiful Bitch“ allenfalls bei der Aufklärung von Jugendlichen adäquat eingesetzt werden.

    Für diese Zielgruppe spricht auch die Altersfreigabe ab 12 Jahren, denn damit ist das Publikum ausgemacht, das sich auch aus anderen Gründen für den Film begeistern könnte. Der Stil, in dem „Beautiful Bitch“ inszeniert ist, erinnert sehr stark an die Werbeästhetik von Modehäusern wie H&M. Ein wenig schrill, leicht angehobene Kontraste und hier und da mal mit Weitwinkel gefilmt – so ein Rezept genügt völlig aus, um den coolen Look nachzuahmen. Wenngleich sich so der Eindruck einstellt, dass „Beautiful Bitch“ schön fotografiert wurde, so muss im gleichen Atemzug festgestellt werden, dass leider an allen Ecken und Enden der Mechanismus der Überzeichnung und Vereinfachung angelegt wurde. Wirkt sich das bei den Bildern noch positiv aus, leidet die Gestaltung der Charaktere sehr stark darunter. Sie wirken bisweilen wie Witzfiguren, die perfekt auf ein unbewegtes Werbeplakat passen würden, aber auf keinen Fall mit Sprechrollen beauftragt werden sollten. Besonders stark davon betroffen sind die Jugendlichen, die Bitch in Deutschland kennen lernt. Entwicklungen in den Charakteren wie bei Milka, die ihre soziale Ader entdeckt, wirken ebenso unglaubwürdig, wie die schmierigen Anmachversuche von Streeball-Trainer Nicu (Lucien le Rest).

    Fazit: „Beautiful Bitch“ versucht ganz ernsthaft, sich dem Thema der Klaukinder anzunehmen, scheitert aber daran, wenn es darum geht, Bitch eine andere Welt gegenüberzustellen. Zu sehr bemüht sich Regisseur und Drehbuchschreiber Martin Theo Krieger, einen auf jugendlich gestylten Film zu produzieren, als ein ansprechendes, seriöses Drama auf die Beine zu stellen.

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