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    King of Devil's Island
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    King of Devil's Island
    Von Jörg Brandes

    Rund 75 Kilometer südlich von Oslo liegt die Insel Bastøy. Sie ist kein Touristenziel. Vielmehr befindet sich auf dem knapp zwei Seemeilen vom norwegischen Festland entfernten Eiland ein Gefängnis für Diebe und Schwerverbrecher. Die Haftanstalt, die ohne eine stacheldrahtbewehrte Mauer auskommt, ist eine der liberalsten der Welt – gewissermaßen eine Art Anti-Alcatraz. Früher war das allerdings anders: Marius Holsts packendes Drama „King of Devil's Island" führt zurück in eine Zeit, als sich auf Bastøy noch eine berüchtigte Besserungsanstalt für schwererziehbare Kinder und Jugendliche befand, die oft nur deswegen einsaßen, weil sie aus ärmlichen Verhältnissen stammten, nach Meinung der Behörden pädagogisch ungeeignete Eltern hatten oder einfach nur schlecht in der Schule waren.

    Im Spätherbst des Jahres 1915 werden Ivar (Magnus Langlete) und Erling (Benjamin Helstad) nach Bastøy gebracht. Direktor Bestyreren (Stellan Skårsgard) nordet die beiden ein und „Hausvater" Bråthen (Kristoffer Joner) klärt sie über die harten, auf den Prinzipien von Zucht und Ordnung beruhenden Anstaltsregeln auf. Musterzögling Olav (Trond Nilssen), der nach sechs Jahren auf Bastøy kurz vor seiner Entlassung steht, soll sich verstärkt um sie kümmern. Wider Erwarten freundet sich der rebellische, fest zur Flucht entschlossene Erling mit Olav an. Doch diese ohnehin gefährdete Freundschaft wird wiederholt auf die Probe gestellt – zumal Olav erstmal keine Anstalten macht, dem Direktor zu sagen, dass sich Bråthen an dem verschlossenen Ivar vergeht. Der Hass auf den Aufseher wächst, und als Ivar aus Furcht vor Bråthen Selbstmord begeht, nimmt das Verhängnis seinen Lauf...

    Ganz ohne Strafanstaltsfilm-Klischees kommt Marius Holst in seinem von einer wahren Begebenheit inspirierten Werk nicht aus. Überzogene Strafen, die Auflehnung gegen die Willkür der Bewacher, scheiternde Fluchtversuche – all das gab es schon unzählige Male zu sehen. Dennoch schafft es der Regisseur, sein Publikum zu fesseln. In fast monochromen Bildern, aus denen jedes Leben gewichen zu sein scheint, beschwört er die beklemmende Atmosphäre auf Bastøy herauf. Gut zum Ausdruck bringt er zudem die ganze Absurdität eines Erziehungssystems, das keine Belohnung, sondern nur Strafen kennt, und in dem man nicht aus Respekt, sondern einzig aus Furcht gehorcht. Darüber hinaus bereichern Holst und Drehbuchautor Dennis Magnusson die eigentliche Story mit einer poetisch-metaphorischen Walfanggeschichte. Auch sonst erweisen sie sich als gute Erzähler – und lassen das Aufbegehren der gepeinigten Jungen in ein hochdramatisches, tief aufwühlendes Finale münden.

    Lob gebührt auch den Darstellern, von denen nur Stellan Skårsgard („Good Will Hunting") und Kristoffer Joner („Hidden") echte Profis sind. Der von Skårsgard nuanciert gespielte autoritäre Anstaltsdirektor ist im Grunde kein Unmensch, eher nur ein Kind seiner Zeit – das freilich kaum Skrupel kennt, wenn sich die Dinge zu seinem Nachteil zu entwickeln drohen. Der Part des wahrhaft Bösen ist Joner vorbehalten, der dem pädophilen Sadisten Bråthen genau die feige Verschlagenheit verleiht, die das Hassfass schließlich zum Überlaufen bringt. Auf der Gegenseite entwickelt Benjamin Helstad, der noch nicht allzu oft vor der Kamera stand, als wortkarger Analphabet Erling, der sich nicht unterkriegen lässt, erstaunlich schnell eine enorme Präsenz. Auch der schauspielerisch bislang gänzlich unerfahrene Trond Nilssen vermag zu überzeugen, der für seine Leistung genau wie der Film als Ganzes den norwegischen Filmpreis Amanda erhielt. Und das als vielleicht interessanteste Figur des Films, gerät sein Olav doch in einen schweren moralischen Konflikt: Soll er die Schweinereien einfach hinnehmen oder Zivilcourage zeigen und etwas unternehmen – und damit seine Entlassung gefährden?

    Fazit: Marius Holsts historisches Drama über die teils unmenschlichen Verhältnisse in einer Jugendhaftanstalt ist ein kraftvolles und mitreißendes Werk, das in seiner Heimat Norwegen nicht zufällig mit 300.000 Zuschauern zu den meistbesuchten Filmen der vergangenen Jahre gehört.

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