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    Draußen am See
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Draußen am See
    Von Ulf Lepelmeier

    Die 27. Auflage des Münchner Filmfests war ein großer Erfolg. Mit hochkarätigen Filmen und Gästen konnte die Festivalleitung 2009 eine durchschnittliche Vorführungsauslastung von 75 Prozent verzeichnen und mit 74.669 Zuschauern einen Besucherrekord vermelden. Es gab allerdings auch ein medienwirksames Debakel, nämlich als die Jury um Regisseurin Caroline Link (Nirgendwo in Afrika, Im Winter ein Jahr) bei der Vergabe des Förderpreises Deutscher Film verkündete, dass die Nominiertenriege qualitativ nicht repräsentativ für den jungen deutschen Film sei und man daher von der Vergabe der Preise für Regie sowie Drehbuch absehen würde. Trotzdem sollte diese heftige und umstrittene Kritik an der Vorauswahl die Leistungen der drei dann doch mit einem Preis bedachten Filmschaffenden nicht schmälern. So konnte sich unter anderem Hauptdarstellerin Elisa Schlott für ihr sensibles Spiel in Felix Fuchssteiners „Draußen am See“ zu Recht über eine Ehrung freuen. Die Natürlichkeit der Kinodebütantin ist begeisternd, aber das Drama um den Zerfall einer vormals glücklichen Familie leidet trotz guter Ansätze unter der Unausgewogenheit von Regie und Drehbuch, die zentrale Coming-Of-Age-Geschichte gerät zu häufig an den Rand der Erzählung und kommt nicht zur vollen Entfaltung.

    Die 14-jährige Jessika (Elisa Schlott) liebt das Familienleben und genießt die gemeinsame Zeit mit ihrer großen Schwester Cora (Sina Tkotsch) und ihren Eltern. Doch dann beginnt das Idyll sich langsam aufzulösen: Cora hat nur noch Jungs im Kopf und keine Lust mehr auf die Wochenendausflüge an den See. Und auch die Eltern streiten sich zunehmend. Als der Vater (Michael Lott) seinen Job verliert, sich die Konflikte zwischen den Eltern verschärfen und Jessika sich das erste Mal verliebt, gerät ihre Welt aus den Fugen. Die Situation in der zerrütteten, nur noch zum Schein harmonischen Familie ist für den Teenager immer schwerer zu ertragen, zumal sich ihr geliebter Vater langsam zu ihrem Gegenspieler entwickelt. Als der Zerfall der familiären Strukturen in einen erschreckendem Vorfall mündet, den alle zu verschweigen suchen, droht Jessika an dem ungeheuerlichen Geheimnis zu zerbrechen. Doch keiner scheint ihre psychische Pein und ihre immer lauter werdenden stillen Hilferufe wahrzunehmen.

    „Familien sind künstlich geschaffene Biotope – ändert sich die Grundtemperatur, so ist es nicht auszuschließen, dass alles aus dem Gleichgewicht gerät und sämtliche Lebewesen verenden.“ - Jessika

    „Draußen am See“ thematisiert die Probleme des Erwachsenwerdens in einer nach und nach zerbrechenden Familie. Im Drehbuch von Felix Fuchssteiner und Katharina Schöde wird eine wahre Fülle möglicher Schwierigkeiten aufgeboten: emotionale Entfremdung, finanzielle Nöte, Arbeitslosigkeit, der ganz normale Pubertätswahnsinn und dann noch das ungeheuerliche Geheimnis am See. Mit letzterem wird dem ohnehin überladenen Film allzu gewollt ein hochbrisantes, aktuelles Thema hinzugefügt, das allerdings nur sehr oberflächlich behandelt wird. Der Fokus wechselt viel zu häufig, um den vielfältigen Problemen gerecht zu werden und um den Zuschauer nachhaltig zu fesseln.

    Der optisch stark an ein Fernsehspiel erinnernde Film funktioniert immer dann am besten, wenn er sich auf seine junge Protagonistin und ihre Nöte konzentriert. Leider ist dies allzu selten der Fall, aus der Story wäre mit einer subtileren und stärker auf die Gefühlswelt der Protagonistin zugeschnittenen, entzerrten Inszenierung mehr herauszuholen gewesen. Oftmals werden Szenen nach einem vielversprechenden Beginn zu früh abgebrochen, so dass die ihnen innewohnende emotionale Kraft nicht zur Entfaltung kommen kann. Zudem verlieren die aus dem Off vorgetragenen, etwas altklugen Ausschnitte aus dem Tagebuch der 14-jährigen Hauptfigur allmählich ihre anfänglich bewegende Wirkung durch inflationären Gebrauch. Zum einen bleiben also Gelegenheiten ungenutzt, zum anderen werden gute Ideen überstrapaziert – erzählerisch liegt hier einiges im Argen.

    Aufgewertet wird „Draußen am See“ durch die frische Ausstrahlung der Newcomerin Elisa Schlott („Giulias Verschwinden“), die zuvor nur in einer Handvoll Fernsehproduktionen zu sehen war. Sie stellt mit Natürlichkeit und viel Einfühlungsvermögen äußerst glaubhaft ein junges Mädchen dar, das am Untergang ihrer Familie psychisch langsam zu zerbrechen droht und sich nichts sehnlicher wünscht als etwas Schutz und Beständigkeit. Schlott versieht ihre Jessika sowohl mit einer noch kindlichen Naivität, als auch mit einem schon erwachsenen Habitus, sie arbeitet die ruhige, zurückgezogene Seite des Teenagers ebenso gekonnt heraus wie seine Wut und seine selbstzerstörerischen Tendenzen. Sina Tkotsch (Gangs) tut sich derweilen wie schon in Beautiful Bitch äußerst schwer und vermag es nicht, den abrupten Wandel von Jessikas großer Schwester Cora überzeugend rüberzubringen. Petra Kleinert (Last Minute, Drei Stern Rot) und Michael Lott (Männersache, Vollidiot) füllen ihre Rollen als die Eltern der Problemfamilie zwar adäquat aus, hinterlassen aber trotz zahlreicher Gefühlsausbrüche keinen bleibenden Eindruck.

    Fazit: „Draußen am See“ ist ein Drama der verschenkten Möglichkeiten, das allein durch die einfühlsame und natürliche Darstellung von Elisa Schlott Profil gewinnt und Interesse verdient.

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