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    Ben Hur
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Ben Hur
    Von René Malgo

    Ein Film, welcher sich mit elf Oscars schmücken kann, muss schon etwas Besonderes sein. Das zumindest mag sich der interessierte Kinogänger sagen und dies als Indiz für ein äußert gut beworbenes, glattes und kitschhaltiges Hollywoodprodukt nehmen. Technisch ohne Frage einwandfrei, ansonsten aber nicht sehr innovativ. Solch eine Einschätzung trifft oberflächlich gesehen auch auf „Ben Hur“ zu, trotzdem können jene elf Oscars in diesem Falle getrost als verdientes Prädikat angesehen werden.

    Judäa, ca. 30 Jahre nach Christi Geburt: Der römische, in Jerusalem aufgewachsene Tribun Messala (Stephen Boyd) kehrt in die israelische Hauptstadt zurück und feiert Wiedersehen mit seinem Jugendfreund Ben Hur (Charlton Heston). Doch die Zeiten haben sich geändert, die zwei Freunde sind erwachsen geworden und haben verschiedene politische Meinungen entwickelt. Anlässlich eines Besuches von Messala in Hurs Haus eskaliert die Situation. Ein politischer Streit macht aus den beiden Freunden Feinde. Als wenig später während der Willkommensparade für den neuen römischen Statthalter ein herabfallender Stein von Hurs Haus diesen knapp verfehlt, schickt Messala Ben Hur zu den Galeeren und lässt seine Mutter und Schwester ins Gefängnis werfen. Doch Ben Hurs Racheschwur hält ihn all die Jahre als Galeerensklave am Leben, bis Freibeuter mit einer römischen Flotte, für die er rudert, in eine Seeschlacht geraten…

    „Ben Hur“, eine Neuauflage des Stummfilmklassikers aus dem Jahr 1926 war die Rekordproduktion seiner Zeit. Dreieinhalb Stunden dauert das Werk an, welches in seinem Aufwand alles bis dahin Gedrehte übertreffen sollte. Das für seine Zeit astronomisch hohe Budget von 16,2 Millionen Dollar umfasst unter anderem über eine Million Requisiten, 50.000 Komparsen und ganze 365 Sprechrollen. Nicht zu vergessen die Topstars ihrer Zeit, angeführt von Charlton Heston in der Hauptrolle, mit Jack Hawkins, Hugh Griffith und Martha Scott in weiteren Rollen.

    Mit viel bösem Willen gäbe es einiges an „Ben Hur“ zu kritisieren und ließe sich sein Status als Klassiker nach modernen Maßstäben allzu leicht ankratzen. „Ben Hur“ verfügt über ein obligaten Hollywood’schen Kitschgehalt und entsprechendes Pathos. Der bombastische Soundtrack drängt sich mehr als einmal zu aggressiv in den Vordergrund und „Ben Hur“ ist christlich. Das alleine erweist sich schon für viele als Stein des Anstoßes und beliebtes Ziel für Spötteleien. Wenn die Figur des Jesus zum ersten Mal auf der Bildoberfläche erscheint, sorgt dies bei einer etwas religiöseren Person für Gänsehaut, bei allen anderen drängt sich in dem Zusammenhang eher der Wunsch nach einem Lachkrampf, um seiner Geringschätzung Ausdruck zu verleihen, auf. Besagte Szene hat allerdings Berühmtheit erlangt, wie viele andere aus dem Film auch. Es ist, allen Unkenrufen moderner Geister zum Trotz, ein schöner, filmischer Moment. Hierbei handelt es sich um jene Szenerie, wo Christus dem Gefangenen Ben Hur entgegen den Anweisungen eines römischen Hauptmanns zu trinken gibt und diesem dagegen nichts als Stottern einfällt. Der Kitschgehalt mag dabei gewisse Dimensionen erreicht haben, trotzdem erscheint das Gezeigte intelligent und subtil. Für diese Einschätzung fällt der Geschichte zur Entstehung des Romans von General Lew Wallace eine gewisse Bedeutung zu.

    Er wollte die Geschichte Jesu aus einer anderen, eher politischen Perspektive erzählen und wählte als Identifikationsfigur für die Leser einen zur gleichen Zeit geborenen fiktiven Israelit namens Judah Ben Hur. Wie das Leben aber so spielt, traf Autor Wallace während einer Zugfahrt einen überzeugten Atheisten, der allem Göttlichen vehement widersprach. Angewidert vom Atheismus dieses Mannes beschloss Wallace, eine Lanze für den göttlichen Aspekt der Geschichte zu brechen, brachte so einen christlichen Blickwinkel in die Geschichte ein und wurde nach Abschluss seines Buches zu einem frommen Gläubigen. Insoweit gibt die filmische Umsetzung eher unbewusst den Geist der Vorlage bestens wider, ohne allzu sehr nach der Holzhammer-Methode zu greifen. Denn beim Vergleich mit anderen biblisch-christlichen Hollywood-Epen der Zeit, wie beispielsweise „Quo Vadis“, kommt „Ben Hur“ doch erstaunlich subtil, nüchtern und nichtsdestotrotz christlich daher. Dem Film zugute kommt dabei die Entscheidung, das Gesicht Jesu nicht zu zeigen. Christen legen dies als Ehrerbietung seiner Person gegenüber aus, während Drehbuchautor Karl Tunberg darin die beste Möglichkeit sah, Klischees aus dem Weg zu gehen, ohne sein Publikum zu vergraulen.

    Überhaupt darf Tunberg bezüglich einer sehr gut gelungen Drehbuchadaption gelobt werden, der vor allem durch intelligente Dialoge und ansprechende Details den anspruchsvolleren Zuschauer für sich einnehmen kann.

    Zwischendrin wird dem Zuschauer aber ein größtenteils nüchternes, eher finsteres Rachedrama geboten, das nicht davor zurückschreckt, die Rachemotive seines Helden moralisch zu hinterfragen. Die Emotionen können berühren, was auch an den sehr guten Darstellern liegt. Der meist auf einen Rollentypus festgelegte, unterschätzte Charlton Heston verleiht Judah Ben Hur einen glaubwürdigen, vielschichtigen Charakter und bleibt in seiner persönlichen Entwicklung stets nachvollziehbar. Stephen Boyd alias Messala kann in seiner ersten großen Rolle ebenso überzeugen wie die israelische Hollywood-Debütantin Haya Harareet. An das Können eines Jack Hawkins sollte ohnehin keiner ernsthaft zweifeln, während Hugh Griffith als arabischer Scheich Ilderim eine mitreißende Performance zum Besten gibt und sich für die humoristischen Parts verantwortlich zeichnet.

    Bei all der Dramatik und großen Emotionen ist „Ben Hur“ aber auch ein Actionfilm. Die Seeschlacht und das Wagenrennen sind von solch einer inszenatorischen und technischen Perfektion und brutalen Intensität, dass sie bis heute als unerreicht gelten und in die Filmgeschichte eingegangen sind. Ein wahrer Eyecatcher also, gleichwie die imposanten Kulissen und tadellos gemalten Hintergrundbilder, die die Illusion von Authentizität aufrechterhalten. William Wyler und seine Crew haben eine inszenatorische Meisterleistung geliefert, die auch heute nichts von ihrem visuellen Reiz verloren hat.

    Noch ein paar Worte zu zwei hartnäckigen Gerüchten, die in Verbindung mit „Ben Hur“ immer wieder auftreten. In einer Dokumentation zum Film plaudert der unkreditierte Drehbuchautor Gore Vidal schön aus dem Nähkästchen und dementiert so das Gerücht, dass bei dem Wagenrennen einer der Statisten umgekommen sein solle. Bei besagter Szene, wo ein römischer Soldat unter die Pferde stürzt, handelte sich tatsächlich um eine Stunteinlage. Das Getratsche dagegen, dass die Figur des Messala homosexuell ausgelegt wurde, bestätigt er indes. Gemessen am Alter des Films wird solches aber sehr subtil angedeutet und war auch nur den Autoren, dem Regisseur und Messala-Darsteller Stephen Boyd bekannt. Im Nachhinein allerdings wollte der Regisseur davon nichts mehr wissen und Charlton Heston wurde es gänzlich verheimlicht. Wie dem auch sei, dieser Aspekt macht gerade die Reaktion Messalas auf Ben Hurs politischen Korb mehr nachvollziehbar.

    „Ben Hur“ gehört zu den Filmen, wo der moderne, von einem zynischen Zeitgeist geprägte Zuschauer durchaus Kritikpunkte finden kann. Sei es in der Klischeehaftigkeit einiger Charaktere und Geschehnisse, dem schönfärberischen Kitsch oder einiger Naivitäten. Anderseits gibt sich die Hochglanzproduktion aber vor allem in technischer Hinsicht erstaunlich fortschrittlich, liefert eine trotz Schwächen überwiegend intelligente, vielschichtige Drehbuchvorlage und kann ihrem Ruf formal gerecht werden. Auch wenn historisch vielleicht nicht ganz korrekt und oftmals stark pathetisch, unterhält das emotionale, eindrückliche Actiondrama auch heute noch tadellos.

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