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    Die Standesbeamtin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Die Standesbeamtin
    Von Björn Becher

    Es fällt schwer zu glauben, aber die romantische Komödie zählt zu den schwierigsten Genres überhaupt. Nirgends sonst ist die Story so vorhersehbar, der Ausgang so offensichtlich und weist der Handlungsverlauf verschiedener Genrevertreter oftmals so frappierende Ähnlichkeiten auf. Micha Lewinsky und seinem Co-Autor Jann Preuss war dieses Dilemma offenbar wohl bewusst – deshalb versuchen sie auch gar nicht erst, etwas Innovatives zu schaffen, das dann sowieso in die Hose geht. Stattdessen achten sie die Regeln und Grenzen des Genres, vermeiden - mit Ausnahme des Schweizer Dialekts - Außergewöhnliches, bleiben dabei aber immer sympathisch und unterhaltsam. „Die Standesbeamtin“ krankt zwar an uninspirierten Nebenfiguren, macht dieses Manko mit seiner großartigen Hauptdarstellerin aber locker wieder wett. So funktioniert die Schweizer Romanze als heimatliche Alternative für die auch immer gleichen Rom-Coms aus der Traumfabrik Hollywood ganz hervorragend.

    Das Leben der biederen Standesbeamtin Rahel (Marie Leuenberger) ist trist. Ihren Alltag bestimmen die Arbeit, der Haushalt und ihr Sohn Flo (Luca Majer). Ihren Mann Thomas (Beat Marti, I Was A Swiss Banker) bekommt sie kaum noch zu Gesicht, macht der doch jeden Tag mehr Überstunden. Der Job zieht sie nur noch runter: Wie soll man auch Paare mit einem Lächeln trauen, wenn sich die eigene Ehe gerade als einzige Enttäuschung entpuppt. Da trifft Rahel beim Shopping ihren Jugendfreund Ben (Dominique Jann) wieder. Einst spielten sie in einer Band, waren unzertrennlich, aber nie ein Paar. Dann ging Ben nach Berlin und schrieb einen Nummer-Eins-Hit, der zwar schon acht Jahre zurückliegt, ihn aber in der Schweiz prominent gemacht hat. Seit er mit der Schauspielerin Tinka (Oriana Schrage) liiert ist, haben ihn zudem die Klatschblätter wiederentdeckt. In Rahel kommen sofort die alten Gefühle, immerhin war sie einst unsterblich in Ben verliebt, wieder hoch. Umso größer der Schock am nächsten Tag, als Ben und Tinka plötzlich vor ihrem Schreibtisch stehen: Das Paar will heiraten und ausgerechnet Rahel soll die beiden trauen...

    „Die Standesbeamtin“ hat wie bereits Micha Lewinskys Langfilmdebüt „Der Freund“ eine unerfüllte Liebe zu einem Musiker zum Ausgangspunkt. In Lewinskys Erstling himmelt ein junger Mann eine Sängerin an, doch er traut sich nie, sie anzusprechen. Als sie ihn bittet, ihren Freund zu spielen, weiß er nicht, wie er reagieren soll. Als ihn später die Nachricht vom Tod der Angebeteten ereilt, zieht er das Spiel doch noch durch und findet sich plötzlich inmitten der trauernden Familie wieder. „Der Freund“ ist ein berührendes Drama um eine Lüge, Trauer, Verlust, aber auch den Beginn eines neuen Lebens. In seinem neuen Film startet Lewinsky mit einer ähnlichen Idee, schlägt dann aber einen völlig anderen Weg ein. Die angehimmelte Person stirbt nicht, sondern wird für die Hauptfigur immer greifbarer, rückt ihr immer näher. Statt in einem Drama mündet der neue Film in eine romantische Komödie.

    Das Drehbuch von „Die Standesbeamtin“ wandelt zwar auf ausgetretenen Pfaden, das macht die hervorragende Hauptdarstellerin aber wieder wett. Marie Leuenberger bügelt locker über jegliche Skriptschwächen hinweg. Die Schauspielerin feierte bisher vor allem auf der Bühne Erfolge, und knüpft nun nach einigen Kurzfilmrollen (etwa im Oscar-nominierten „Auf der Strecke“ oder dem „Shocking Shorts“-Award-Gewinner „Für Julian“) mit ihrer ersten Langfilmhauptrolle nahtlos an ihre früheren Leistungen an. Sie gestaltet ihre Figur trotz Rahels vieler kleiner Fehler höchst sympathisch. Rahel bemitleidet sich selbst ein wenig zu sehr selbst und vermeidet es, die Konkurrentin Tinka direkt anzugehen. Die Gefahr, in eine Zicken-Klamotte abzugleiten, wird so von Anfang an ad acta gelegt. Auch das von Oriana Schrage sehr over the top angelegte Starlet fährt schlussendlich nicht die Krallen aus. Dank diesem allgemeinen Kuschelkurs bleiben alle Charaktere sympathisch - selbst der fremdgehende Ehemann oder der Wendehals von einem Gemeindepräsidenten (Beat Schlatter, Mein Name ist Eugen) bekommen ihre positiven Szenen zugestanden.

    Zur omnipräsenten Feel-Good-Atmosphäre passen auch das per se sympathische Schwyzerdütsch, die Kulisse des leicht verschlafenen Schweizer Städtchens und der locker-leichte Soundtrack, der auch schon Lewinskys Debüt „Der Freund“ auszeichnete. Inszenatorisch kann Lewinsky zwar nicht an seinen starken Erstling anknüpfen, hält aber ein solides Niveau. Eine Szene, in der sich Thomas mit Rahel versöhnen will, während sich Hintergrund der halbnackte Ben im Hintergrund unter einer zu kleinen Decke zu verstecken versucht, ist zwar ein wenig albern, funktioniert aber dennoch als Slapstick-Hommage an alte Stummfilmklassiker. Immer wieder, wenn er in Niederungen zu platter Komik abzustürzen droht, bekommt Lewinsky so doch noch die Kurve.

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