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    Reykjavik Whale Watching Massacre
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Reykjavik Whale Watching Massacre
    Von Ulf Lepelmeier

    2008 machte Island mit der drohenden Zahlungsunfähigkeit und der Verstaatlichung des isländischen Bankensektors von sich reden. Dieses Jahr brach dann der Vulkan Eyjafjallajökull aus, der den europäischen Flugverkehr lahmlegte und dem kleinen nordeuropäischen Inselstaat wieder Negativschlagzeilen bescherte. Nicht gerade die beste Publicity, um den Tourismus anzukurbeln, der nach dem Fischfang die wichtigste Devisenquelle darstellt. Dabei bietet Island wunderbare Naturschauspiele, eine artenreiche Fauna und natürlich die berühmten Geysire. Doch auch Júlíus Kemps „Reykjavik Whale Watching Massacre", der gern als isländische Variante von „The Texas Chainsaw Massacre" verstanden werden möchte, wird wohl kaum eine positive Tourismus-Wirkung entfalten. Dass sich die Isländer gegenüber den durchweg unsympathischen Whale-Watching-Touristen nicht gerade gastfreundlich verhalten, ist genrebedingt zu verschmerzen. Doch auch hartgesottenen Splatterfans wird dieser Film nur wenig Freude bereiten. Das blutige Massaker erweist sich als recht langweilige und schlecht getimte Kutterfahrt, die bestenfalls einen mild-trashigen Unterhaltungswert aufweist.

    Auf einem heruntergekommenen Steg finden sich Touristen aus mehreren Ländern ein, um auf dem Schiff Poseidon aufs Meer hinauszufahren und die zu den bedrohten Arten zählenden Riesen der Weltmeere zu beobachten. Doch die zehn Walbegeisterten sollen die majestätischen Tiere niemals zu Gesicht bekommen, denn kaum befindet sich das Boot auf hoher See, kommt der Kapitän (Gunnar Hansen) durch einen Unfall ums Leben, woraufhin der einzige Schiffsmitarbeiter mit dem Rettungsboot Reißaus nimmt. Die Touristen sitzen verlassen und verängstigt auf der Poseidon fest. Doch dann kommt scheinbar zufällig ein Kutter vorbei und bringt die Ahnungslosen auf ein ehemaliges Walfangschiff. Die sich gerettet Wähnenden müssen schon bald feststellen, dass sie es nun mit einer blutrünstigen Familie zu tun haben, die nur darauf wartet, die Jagd zu eröffnen und die geborgenen Touristen mit Harpune, Messer und Beil durch die engen Gänge des Schiffes zu scheuchen...

    Der erste isländische Horrorfilm, beworben als maritime Version des Slasher-Klassikers „The Texas Chainsaw Massacre", hat sicherlich einige Bezüge zu dem blutigen Kultfilm aus den 70ern vorzuweisen, geht in dessen Fahrwasser aber sang- und klanglos unter. Júliús Kemps („Wallpaper: An Erotic Love Story") lehnt die Handlung zwar lose an die hinterwäldlerische Schlächtersippe an (er konnte sogar den ehemaligen Leatherface-Darsteller Gunnar Hansen als Darsteller des zuerst ins Gras beißenden Kapitäns gewinnen), aber zusammen mit dem reißerischen und marketingtechnisch raffiniert gewählten Titel war es das dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten.

    Enge Schiffsgänge, geistig gestörte Ex-Walfänger und ein paar nette Touristen hätten in Verbindung mit dem Whale-Watching-Setting an der schroffen isländischen Küste eigentlich für einen launigen Horrorfilm ausreichen sollen. Doch die lasche Menschenhatz verläuft zu deutlich in den Bahnen eines genreüblichen Abzählreims. Die Größe der Truppe verringert sich also erwartungsgemäß, doch auch wenn blutige Tode gestorben werden, fällt es bei solch unsympathischen Touristen und solch lächerlichen Menschenschlächtern schwer mitzubangen. Opfer wie auch Täter werden entweder gar nicht oder nur stereotyp vorgestellt und sind einem von Anfang an einfach nur egal.

    Ob „Reykjavik Whale Watching Massacre" als ernstgemeinter Horrorfilm oder eher als Parodie auf das ewig gleich ablaufende Dezimierungsschema gedacht ist, wird in den 84, teils unfreiwillig komischen Minuten nicht klar. Auf jeden Fall sollte Regisseur Kemps für seinen nächsten Film noch gehörig an seinem Timing feilen, um die als Spannungsspitzen geplanten Momente nicht einfach verpuffen zu lassen oder gleich gänzlich zu verschlafen.

    Die wirklich blutigen Szenen halten sich in Grenzen und die Gore-Effekte wirken eher billig und sind wenig überzeugend. Einziger Lichtblick bei dieser nicht gerade empfehlenswerten Whale-Watching-Tour, die auch in puncto Schauspiel nicht viel zu bieten hat, ist eine der Nebenfiguren, die sich immer mehr zur Verfechterin ihres eigenen Glückes aufschwingt und mit zunehmender Laufzeit der blutrünstigen Familie in nichts mehr nachsteht. Doch nicht nur die Japanerin Endo ist mit allen Wassern gewaschen, auch die übrigen Touristen sind sich grundsätzlich selbst am nächsten und haben für Teamwork wenig übrig.

    Fazit: Die erste Horrorfilmproduktion von der größten Vulkaninsel der Welt erleidet üblen Schiffbruch und gelangt gar nicht erst in das anvisierte Fahrwasser seines berüchtigten Vorbilds. Das frische Island-Setting wird nicht genügend ausgespielt und der Whale-Watching-Kahn dafür mit Figuren bevölkert, deren Schicksal den Zuschauer gänzlich kalt lässt. Weder die blutigen Verfolgungsszenen, noch die ruhigeren Passagen wollen gelingen und auch Logik und Schauspielkunst gehen an der isländischen Küste bereits früh über Bord. So erweist sich „Reykjavik Whale Watching Massacre" als weitestgehend spannungsfreier Abzählreim und ist trotz einiger Gore-Momente in etwa so erinnerungswürdig wie eine Whale-Watching-Fahrt in der Badewanne.

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