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    The Swinging' Stewardesses
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    The Swinging' Stewardesses
    Von Björn Becher

    Es gab mal eine Zeit in Deutschland, in der Millionen Menschen in die Kinos stürmten, nur weil auf dem Plakat nackte Frauenbrüste abgebildet waren und im Film noch davon mehr erwartet werden durften. In dieser Zeit, Ende der Sechziger und Anfang der Siebziger Jahre, entstanden eine Menge solcher Werke, die qualitativ oft in der untersten Schublade rangierten in den Einspielrankings aber ernste Werke weit hinter sich ließen. Viele dieser Filme sind heute allenfalls noch aus filmhistorischer oder nostalgischer Sicht sowie im Wissen von Randgeschichten um die Produktion und Entstehungsgeschichte einen Blick wert, nur einige lobenswerte Ausnahmen zeigen darüber hinaus noch überzeugende, tiefer gehende Ideen von Regisseur und Autor. Die Erwin-C.-Dietrich-Produktion „Die Stewardessen“, der jetzt unter dem internationalen Titel „The Swinging' Stewardesses“ gemeinsam mit dem „Women In Prison“-Film Ilsa – The Wicked Warden in der Sammlung Masters Of Grindhouse Vol. 1 erscheint, ist klar der ersteren Kategorie zuzuordnen. Abgesehen von ein paar kleinen wenigen Spielereien sowie zwei gelungenen inhaltlichen Ideen, langweilt die wahllose Aneinanderreihung von Erotikszenen nicht nur, sondern nervt auch noch mit ihrem fast nie endenden wollenden Off-Kommentar.

    „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“, singt der deutsche Liedermacher Reinhard Mey in einem seiner bekanntesten Schlager. Wenn man „Die Stewardessen“ ernst nehmen würde, müsste Mey statt von der Freiheit von der Freizügigkeit singen, denn die Flugbegleiterin sind hier einer Runde Sex nie abgeneigt. Nachdem sie sich gerade erst mit dem Piloten vergnügt hat, macht sich zum Beispiel Jenny (Margrit Siegel) an einen älteren Passagier ran, der aber leider bei der anschließenden Verabredung im Hotel einschläft. Da sich der Zimmerkellner weigert für Erleichterung zu sorgen, muss Jenny schließlich im Hotelschwimmbad einen jungen Muskelprotz aufreißen. Auch ihre Kolleginnen haben regen Verkehr, ob in Rom mit anschließender Hochzeit, in Kopenhagen beim Schauen und Zerpflücken eines Pornofilms in trauter Viersamkeit oder in München, wo es vom Oktoberfest in eine Hippie-Kommune geht.

    Schon früh träumte der Schweizer Erwin C. Dietrich davon, sein Geld im Filmgeschäft zu verdienen, doch was bei Anderen ein Traum bleibt, setzte er einfach in die Realität um. 1954, gerade mal 24 Jahre alt und ohne Berufsausbildung, schrieb er ein Drehbuch und organisierte in mühevoller Kleinarbeit Regisseur, Schauspieler, Geldgeber sowie die Wiener Sängerknaben für einen musikalischen Auftritt. Der fertige Film „Das Mädchen vom Pfarrhof“ kam 1955 in die Kinos, von Dietrich war in den Credits allerdings keine Spur. Der naive Newcomer wurde von den Geldgebern über den Tisch gezogen. Doch er hatte Blut geleckt und fing nun an, weiter Heimatfilme und später – wie so oft in seiner Karriere auf einen Trend aufspringend – Klone von Edgar-Wallace-Filmen zu produzieren. Doch der finanzielle Erfolg ließ noch auf sich warten. Erst 1966, die Erfolgswelle der Sexklamottenfilmchen aufnehmend, war der Grundstein für die nächste Stufe gelegt. Auch hier hatte Dietrich zwar mit Startschwierigkeiten zu kämpfen, doch als er schließlich anfing, seine Filme selbst zu vertreiben, war der Erfolg nicht mehr fern. 1968 kam dann der Durchbruch: „Die Nichten der Frau Oberst“ spielte nicht nur unglaublich viel Geld in die Kassen des sich bis dato von Schuldentilgung zu Schuldentilgung hangelnden Dietrich, sondern avancierte zu einem der meistbesuchten Kinofilme des Jahres 1968 überhaupt in Deutschland (mit geschätzten fünf Millionen Besuchern, genaue Erhebungen gab es damals noch nicht). Von da an war für Dietrich der Weg des Geldes klar vorgezeichnet. Möglichst viele Filme rund um junge nackte Frauen wurden so schnell wie möglich abgedreht und mit ihnen die Kinos überflutet. Im Schnitt lief so zu Hochzeiten alle zwei Wochen ein neuer Film aus dem Dietrich-Verleih an.

    In dieser Phase entstand auch „Die Stewardessen“, den Dietrich mit seiner Crew schrieb und inszenierte. In den Credits standen dann Namen wie Manfred Gregor (Drehbuch) und Michael Thomas (Regie), die Dietrich als Pseudonyme dienten und es auch endgültig verschleiern, wie viel der Chef selbst bei jedem Film gemacht hat. Bei den Stewardessen hat er einfach nur das bewährte Erfolgsrezept der deutschen Sexfilme wiederholt. Die einzelnen kleinen Geschichten hängen überhaupt nicht zusammen und verfolgen jeweils nur das Ziel, die hübsche Hauptdarstellerin möglichst früh nackt zu zeigen und mit einem Mann ins Bett zu bringen. Dass es sich um Stewardessen handelt, ist fast völlige Nebensache, denn das Geschehen in der Luft ist recht überschaubar. Das meiste findet auf dem Boden statt und der Beruf der Protagonistinnen ist dann bedeutungslos. Nichtsdestotrotz gingen in München zum Kinostart zahlreiche Flugbegleiterinnen auf die Straße und demonstrierten gegen das Werk, das ein falsches Bild ihres Berufes vermitteln würde. Zu Beginn findet sich daher auch ein Hinweis: „Dieser Film ist kein Report – es liegen ihm keine Tatsachen zugrunde. Wir sind auch nicht der Ansicht, dass sich Stewardessen so verhalten, wie es dieser Film zeigt.“

    Dietrich spielt damit natürlich auf die so genannten Aufklärungsfilme an. Unter Titeln wie „Schulmädchen“, „Hausfrauen“ oder „St. Pauli“-Report wurde dem Zuschauer, untermauert von einem Wissenschaftler, bei dem es nur wichtig war, dass sein Name von einem Doktortitel geziert wurde, suggeriert, er bekäme Einblicke in die Wirklichkeit. So unglaubwürdig dies aus heutiger Sicht klingt, ein Teil des Publikums muss es geglaubt haben. Dietrich hintertreibt dies nicht nur mit seinem Vorspann, sondern auch im Finale. Darin entpuppt sich das bisher gesehene als Film-im-Film, der in einem einschlägigen Kino konsumiert wurde. Ein Mann verlässt, kopfschütteln aufgrund des abstrusen, realitätsfremden Reports, das Kino und rennt direkt in die Arme einer Stewardess, die ihn sogleich ins nächste Haus zerrt und sich dort entkleidet. Zu seinem Pech ist er ein Tagträumer.

    Dies ist eine von zwei gelungenen Szenen. Die andere zeigt zwei Pärchen (darunter Ulknudel Ingrid Steeger, die heute als ernste Schauspielerin Nebenrollen in TV-Produktionen wie „Der große Bellheim“ oder Kinofilmen wie Goldene Zeiten hat) beim Anschauen eines Pornofilms. Die eine der beiden Damen (Evelyne Traeger) langweilt sich immer mehr und setzt sich in ihren Gedanken mit dem miserablen Film auseinander. Dietrich nutzt diese Szene geschickt in zweierlei Hinsicht. Zum einen bringt der Sexfilmer seine persönliche Abscheu gegen Hardcore-Pornos zum Ausdruck, zum anderen schleppt er aber gerade solche Hardcoreszenen, die er normalerweise nie an der FSK vorbeigebracht hätte, durch die Hintertür in seinen Film. Auch wenn diese Szenen immer nur für wenige Sekunden auf einer Leinwand im Hintergrund des Bildes zu sehen sind, lockte die Mundpropaganda über das Existieren der Szenen zusätzliche Zuschauer in die Kinosäle. Für das restliche Publikum sorgten die legendären Dietrich-Werbesprüche, die er auf den Plakaten platzierte - hier so Gassenhauer wie „Sie fliegen durch die Lüfte – Vögeln gleich“ oder „Mädchen zwischen Jet und Bett“.

    Leider könnte man die komplette Kritik, welche die blonde (und am Ende natürlich nackte) Evelyne über den Porno ausschüttet, auch auf „Die Stewardessen“ übertragen. Das Geschehen ist langweilig. Die Frivolitäten hauen selbst den größten Nostalgiker nicht vom Hocker und die Gags zünden nur in den seltensten Ausnahmen. Was den Film aber über weite Strecken unerträglich macht, ist der nervige Off-Kommentar. In einer Tour müssen die Protagonisten dem Zuschauer so ihre platte Gedankenwelt mitteilen. Und wenn dann in der letzten Episode dieses Stilmittel eingestellt wird, bekommt man es mit einem dauerschwätzenden Hippie zu tun, dessen kommunistisches Geschwafel das vorangegangene auf der Nervtötungsskala noch locker überbietet. Das sorgt dafür, dass die Erotikklamotte über weite Strecken lautlos erträglicher ist als mit der Tonspur. Empfehlenswert ist sie so aber noch lange nicht.

    Diese Kritik ist Teil der Retrospektive FILMSTARTS.de goes Grindhouse.

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