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    Frauen ohne Unschuld
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Frauen ohne Unschuld
    Von Björn Becher

    Es dürfte kaum einen Regisseur geben, der so produktiv arbeitet wie Jess Franco. Mittlerweile fast 190 Regiearbeiten listet die InternetMovieDatabase und es erscheint durchaus möglich, dass dies nicht alle sind. Der spanische Globetrotter drehte oft mehrerer Filme gleichzeitig. Eine besonders fruchtbare Zusammenarbeit gab es von 1975 bis 1977 in der Schweiz mit Filmemacher Erwin C. Dietrich. Der unter anderem daraus entstandene und 1978 in den deutschen Kinos gelaufene „Frauen ohne Unschuld“ (mittlerweile auch bekannt als „Wicked Women“) gehört allerdings zu den schwächeren Ergebnissen dieser Kollaboration. Über weite Strecken ist Francos Abfilmen nackter Frauenkörper - garniert mit ein wenig Krimigeschichte und einem umgehenden Killer - einfach zu eintönig.

    In einer einsamen alten Villa am Lago Maggiore werden die Leichen zweier erstochener Frauen gefunden. Eine dritte Frau mit dem klangvollen Namen Margarita Martin (Lina Romay) irrt nackt, völlig verstört und verängstigt durch die Villa. Sie gibt nur komische Laute von sich und kann der Polizei nicht weiterhelfen. Sie wird daher in eine nahe gelegene psychiatrische Klinik für Frauen gebracht, wo die ungewöhnlichen Methoden von Dr. Antonio (Michael Maien) schon oft Erfolg gebracht haben. Der lässt seine Patientinnen nahezu nackt in der Klinik wilde Orgien feiern. Doch vor allem sein Boss Dr. Farkas und dessen Frau Irina (Nanda Van Bergen) sind an der neuen Patientin sehr interessiert. Denn die beiden Mordopfer waren Diamantenschmuggler und man vermutet, dass die schöne Margarita den Aufenthaltsort der wertvollen Steinen kennt. Zu allem Überfluss treibt bald noch ein maskierter Schlitzer sein Unwesen in der Klinik.

    In gerade einmal zwei Jahren Kooperation haben der Schweizer Filmmogul Erwin C. Dietrich und der spanische Vielfilmer Jess Franco über ein Dutzend Filme gemacht. Ein Großteil davon entstand 1977 im letzten und produktivsten Jahr ihrer Zusammenarbeit. Neben dem Nunsploitation-Film „Die Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne“, dem sehr billig nebenbei heruntergekurbelten „Die Sklavinnen“, dem von Franco für zwei Produzenten in gleich zwei Fassungen gedrehten „Das Frauenhaus“, dem Geschwister-Duell „Die teuflischen Schwestern“, dem Woman-In-Prison-Film „Frauen im Liebeslager“, dem Voodoo-Werk „Der Ruf der blonden Göttin“ und dem zum Jahresende noch schnell gefilmten „Frauen für Zellenblock 9“ fand sich dabei - wohl auch in der zweiten Jahreshälfte entstanden – noch „Frauen ohne Unschuld“. Im Gegensatz zu einigen der Filme, auf die Franco für seine Verhältnisse ungewöhnlich viel Sorgfalt legte („Die Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne“, „Das Frauenhaus“), hat er „Frauen ohne Unschuld“ wohl irgendwie in der freien Zeit zwischen den anderen Produktionen abgedreht. Denn über weite Strecken wirkt dieser Film selbst für Francos Verhältnisse recht schlampig und vor allem viel zu uninspiriert.

    Während Franco in anderen Werken wie zum Beispiel Greta - Haus ohne Männer noch einen recht ordentlichen Spannungsaufbau hinbekommt und das Zeigen von Fleischeslust in die Geschichte integriert, will ihm dies in der ersten Hälfte von „Frauen ohne Unschuld“ nie gelingen. Die aneinander gereihten erotischen Spielereien in der Klinik langweilen trotz der makellosen Körper der hübschen Darstellerinnen schnell und haben zudem lange nur wenig Bezug zur Story. Die unterschiedlichen Spleens der Insassinnen (z.B. eine Kleptomanin, eine „Opern-Diva“, eine Gottesanbeterin und natürlich eine Nymphomanin) werden viel zu wenig genutzt, stattdessen lassen Franco und sein Drehbuchautor (unter dem Pseudonym Manfred Gregor) und Produzent Erwin C. Dietrich ihre Damen immer nur das Erwartete machen... noch dazu immer wieder das Gleiche. Erst als die Hintergrundgeschichte in Gang kommt, legt der Film zu und erreicht im Finale schließlich noch ein passables Spannungsniveau. Die Geheimnisse und Intrigen in der Klinik bekommen ein wenig Platz, die recht moderat gefilmten erotischen Szenen fügen sich langsam besser ein, und ein paar schöne Wendungen können überraschen. Leider vergisst es Franco, seine Trumpfkarten richtig auszuspielen. Der Schlitzer darf immer nur (viel zu) kurz auftauchen, kurz sein Messer in einen Körper stecken und dann eine nackte, rot bemalte Frau zurücklassen. Von den scenes of shocking horror, vor denen das DVD-Cover auf der Rückseite warnt, ist nichts zu sehen. Diese Warnung muss sich von einem anderen Franco-Film her verirrt haben.

    Darstellerisch sieht man nicht nur Franco-bekannte Gesichter. In der Hauptrolle ist zwar natürlich seine spätere Ehefrau und ständige Mitstreiterin Lina Romay (hier leicht überfordert) zu sehen, neben ihr findet sich aber – in seiner einzigen Zusammenarbeit mit den „Enfant Terrible“-Filmemacher - ein Name, der klangvoll ins deutsche Filmgeschäft einstieg um dann recht rasant abzustürzte. Michael Maien sorgte gleich mit seinem Schauspieldebüt für Aufsehen. Die Thomas-Mann-Verfilmung „Wälsungenblut“ wurde 1965 nicht nur auf der Berlinale und beim Deutschen Filmpreis gefeiert, sondern brachte ihm auch den Goldenen Bambi als bester Darsteller. Doch danach rutschte er, von starken Alkohol-Problemen geplagt, ins Sexfilmbusiness ab und drehte so neben kultigeren internationalen Produktionen wie „Hexen bis aufs Blut gequält“ oder auch ein paar Folgen für TV-Langläufer wie „Der Alte“ oder „Derrick“ einige Filme mit so absurd-witzigen Titeln wie „Unterm Röckchen stößt das Böckchen“ oder „Ritter Orgas muss mal wieder“. Einen kleinen Auftritt als Kommissar feiert noch Erwin C. Dietrichs langjähriger Kameramann Peter Baumgartner, der natürlich auch in seiner eigentlichen Funktion tätig ist und dabei dem Film ein paar schöne Panoramaaufnahmen vom Lago Maggiore voran stellen darf.

    Die Bilder und das überzeugende Schlussdrittel verhindern, dass „Frauen ohne Unschuld“ ganz abstürzt. Von den besseren Werken Jess Francos ist der größtenteils eintönige Erotik-Horrorfilm aber trotzdem deutlich entfernt.

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