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    Playing God
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Playing God
    Von Martin Soyka

    David Duchovnys Karriere ist von Aufs und Abs gekennzeichnet. In seiner Vita finden sich neben großen Erfolgen viele Fragwürdigkeiten und Flops. Auf der Haben-Seite zu verbuchen ist natürlich Akte X in Film und Fernsehen, darüber hinaus der hoch gelobte Indie-Thriller „Kalifornia“ und selbstredend Duchovnys neuester TV-Erfolg „Californication“. Dem stehen zweifelhafte Machwerke gegenüber wie die Softsex-Reihe „Red Shoe Diaries“ von Fummel-Papst Zalman King oder der Ghostbusters-Verschnitt Evolution. Im Jahr 1997 war gerade die Halbzeit der „X-Files“ erreicht, als Duchovny „Playing God“ drehte, einen Independent-Film, der nie in die deutschen Kinos kam. Völlig zu Recht, denn der von TV-Regisseur Andy Wilson inszenierte Thriller kann nicht wirklich überzeugen.

    Dr. Eugene Sands (David Duchovny) ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Der Chirurg hatte vor einem knappen Jahr aufgrund eines unter Drogeneinfluss begangenen Kunstfehlers seine Zulassung verloren. Als der süchtige Sands in einer Neon-Bar seinen Vorrat an synthetischen Drogen auffüllen will, wird der Mann neben ihm von zwei Unbekannten niedergeschossen. Da sich niemand bemüßigt fühlt, einen Krankenwagen zu rufen oder gar die Polizei zu verständigen, krempelt der Doktor kurzerhand die Ärmel hoch, bestellt Schläuche, Wasser, Messer und was der Arzt von Welt noch so braucht und führt eine Notoperation an dem Verwundeten durch, die diesem das Leben rettet. Nachdem er zu Hause einen netten Trip geschmissen hat, wacht Sands in einem Auto auf, das von zwei lichtscheuen Gestalten gefahren wird. Sie bringen ihn zu Raymond Blossom (Timothy Hutton), dem (Gangster-)Boss des Niedergeschossenen, der Eugene aufrichtigen Dank in Form von 10.000 Dollar zollt. Sie verbringen einen netten Tag miteinander, und der Arzt freundet sich auch mit Blossoms Lebensgefährtin an, der jungen Claire (Angelina Jolie). Kurz darauf bittet der Gangster Eugene um einen weiteren kleinen medizinischen Gefallen im Zusammenhang mit einer Schussverletzung. Es entwickelt sich eine hübsche kleine Geschäftsbeziehung…

    Dass der Film nicht zu fesseln vermag, ist dem unausgegorenen Drehbuch von Mark Haskell Smith geschuldet, der vor allem fürs Fernsehen gearbeitet hat. Zunächst wirkt die Geschichte wie ein Neo-Noir-Thriller: Voice-over-Monologe begleiten das Geschehen, die üblichen Zutaten der Schwarzen Serie sind alle dabei, angefangen beim ausgestoßenen Helden, über den fiesen Gangsterboss, Bandenkriege und falsche Frauen bis hin zu hinterhältigen FBI-Leuten. Wilson und Smith behalten diese Linie aber nicht bei, streckenweise wird sogar das Genre der Krimi-Komödie gestreift, bis der Film schließlich als Dreiecks-Liebesdrama endet, bei dem der Konflikt mit der Knarre in der Hand ausgetragen wird.

    Besonders ärgerlich ist, dass prinzipiell gute Ansätze einfach vergeudet werden. Ein drogensüchtiger Arzt als Protagonist? Klingt gut, da lässt sich was draus machen. Nur leider ist diese Abhängigkeit im Film kaum mehr als der Grund dafür, dass Sands seine Zulassung verloren hat. Stattdessen wird eine zweite Sucht etabliert, nämlich ein Gottkomplex, der Sands schließlich dazu treibt, illegal zu praktizieren, weil er den Rausch des Erfolges beim Operieren vermisst (daher auch der Titel). Auf der einen Seite steht so das Bild eines überlasteten Arztes, dem nach 28 Stunden Dienst eine weitere Operation aufgedrückt wird und der nur mit Drogen durchhält, während er andererseits den Kick braucht, das Leben anderer in den Händen zu halten. Wonach ist dieser Mann nun süchtig? Da eine ernsthafte Behandlung der Thematik nicht stattfindet, liegt die Antwort wohl in Sands' Beschluss, die illegalen Substanzen aufzugeben. Der Entzug wird kurzerhand mit ein paar Süßigkeiten und einer Wolldecke bewältigt. Als ihm mittendrin dann ein paar Killer nach dem Leben trachten, sind alle Qualen vergessen. Clean in zwei Minuten. Dass Duchovny im Film keine Sekunde als Süchtiger durchgeht, kommt hinzu. Aber das passt ins Gesamtbild, denn den übrigen Hauptdarstellern gelingt es ebenso wenig, ihre Rollen plausibel auszufüllen.

    David Duchovny wirkt irgendwie immer gleich jungenhaft, egal wen er spielt. Eine große darstellerische Bandbreite hat er nicht. So erscheint sein Filmcharakter Eugene Sands ein wenig wie eine Vorwegnahme von Hank Moody aus „Californication“. Beide haben den Anschluss ans Leben und vor allem an den Beruf verloren. Beide lassen sich durch den Tag treiben und versuchen, ihre Misere auf die leichte Schulter zu nehmen. Aber wo Moody sich mit Sex betäubt, greift Sands dann doch gleich zu verschreibungspflichtigen Mitteln. Völlig fehlbesetzt ist Timothy Hutton (Kinsey, Das geheime Fenster), einer der Oscarpreisträger auf der Besetzungsliste. Sein Gangsterboss mutet wie eine Kleinstadtkopie von Tony Montana aus Scarface an, cholerische Anfälle und stilistisch bedenkliche Garderobe inklusive. Hutton strahlt aber nichts Gefährliches oder Bedrohliches aus, da mag er noch so wild mit Waffen herumfuchteln. Letztlich ist er nur ein Würstchen mit Knarre und zu viel Geld. Das ist für einen guten Thriller zu wenig.

    Das Bemerkenswerteste an „Playing God“ ist die noch blutjunge und erfrischend pausbäckige Angelina Jolie (Mr. And Mrs. Smith, Wanted, Der fremde Sohn), zwei Jahre vor ihrem Oscargewinn für Durchgeknallt. Von den späteren Star-Qualitäten der Aktrice ist hier allerdings noch nicht viel zu spüren. Sie ist viel zu jung und süß für die Rolle des durchtriebenen Gangsterliebchens. Zudem bietet ihr das uninspirierte Drehbuch wenig Raum zur Entfaltung. Claire soll im Wesentlichen als Liebschaft der Hauptfigur dienen und somit den Anlass für das spätere Zerwürfnis zwischen Blossom und Sands liefern, nur dass zu allem Unglück die Chemie zwischen Jolie und den beiden Kontrahenten nicht stimmt. Auch das Potenzial von Nebendarsteller Peter Stormare (Fargo, Minority Report, Brothers Grimm) bliebt sträflich ungenutzt. Der Schwede wird als Klischee eines ukrainischen Mafiosos schlicht verheizt.

    Logik ist insgesamt nicht die Stärke des Skripts. Warum nimmt der heruntergekommene Arzt gerne immer wieder Geld vom Schurken an, wenn seine Mutter ein hochherrschaftliches Strandhaus mit gefühlten fünfundzwanzig Schlafzimmern besitzt, über das der Doktor frei verfügen kann? Warum hat der asthmakranke FBI-Agent in der Stadt und in verdreckten Räumen keine Probleme mit dem Atemholen, muss aber in der klaren Seeluft sofort zum Inhaliergerät greifen? Die Inszenierung weist ebenfalls erhebliche Schwächen auf. Das beginnt bei einfachsten Grundlagen: In dem Club, in dem die erste Schießerei stattfindet, wird getanzt, nur passt die Musik überhaupt nicht zu den Bewegungen der Statisten. Auch von einer Führung der Schauspieler ist kaum etwas zu merken.

    Insgesamt ist „Playing God“ also ein verzichtbarer Film, der im Schaffen aller Beteiligten eine Fußnote ohne wesentliche Auswirkung bleiben wird. Er enthält von allem etwas – Komik, Gewalt, Blut und Drama -, aber nichts in ausreichender Konzentration, um zu einem lohnenden Zeitvertreib zu werden.

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