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    Carjacked
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Carjacked
    Von Constantin von Harsdorf

    In Sofia Coppolas Venedig-Erfolg „Somewhere" von 2010 spielt Stephen Dorff einen Hollywood-Star, der depressiv in einem Nobelhotel vor sich hinvegetiert. Tatsächlich ist der Schauspieler das glatte Gegenteil seiner Rolle: Obgleich er ein ausgesprochen fähiger Mime ist, muss Dorff sich ständig mit oftmals fragwürdigen B- und C-Movies wie der filmischen Bankrotterklärung „Bucky Larson: Born to Be a Star" oder zuletzt „Brake" über Wasser halten. Mit John Bonitos Low-Budget-Thriller „Carjacked" geht Dorffs Karriere-Schleichfahrt tief unter dem Radar der cinephilen Öffentlichkeit in die nächste Runde. Auch seine Co-Pilotin, die ausdrucksstarke Maria Bello („A History of Violence"), kann das Ruder nicht rumreißen: Trotz engagierter Hauptdarsteller und vielversprechendem Auftakt erweist sich „Carjacked" als zähe, oft unlogische Direct-to-DVD-Stangenware.

    Seit der Trennung von ihrem Mann Gary (Jeff Joslin) ist Lorraine (Maria Bello) schwer mit ihrem Leben überfordert. Ohne die finanzielle Unterstützung des Ex-Gatten versucht sie, sich mit ihrem siebenjährigen Sohn Chad (Connor Hill) durchzuschlagen und hat dabei oft vor allem mit sich selbst zu kämpfen. Nach einem abendlichen Stopp an einer Tankstelle werden sie und Chad von Bankräuber Roy (Stephen Dorff) überwältigt. Roy ist auf der Flucht vor der Polizei und zwingt Lorraine dazu, ihn zu einem vereinbarten Treffpunkt in der Nähe der mexikanischen Grenze zu bringen, wo sich auch die Beute befindet. Erst langsam begreift Lorraine die von Roy ausgehende Gefahr – im Kampf um das Leben ihres Sohnes muss die psychisch angeknackste Frau nun alle Register ziehen...

    Die Prämisse von „Carjacked" erinnert frappierend an Michael Manns meditativen Großstadt-Thriller „Collateral": In beiden Filmen wird ein vom Leben enttäuschter Eigenbrötler von einem selbstgerechten Kriminellen entführt, um darüber aus seiner Apathie zu erwachen, Rückgrat zu entwickeln und eine bedrohte geliebte Person beschützen zu können. Die thematische Schärfe und Eloquenz des Mann-Films erreichen die beiden „Carjacked"-Autoren Michael und Sherry Compton allerdings zu keinem Zeitpunkt. Dazu ist bereits die Figurenzeichnung viel zu vage geraten. Lorraine schwelgt in Selbstmitleid, Roy schwelgt in Selbstüberschätzung – viel mehr kommt in den phrasenhaften und zunehmend redundanten Dialogen nicht rum, in denen es immer wieder etwa um Lorraines Ex-Mann oder Roys verquaste Moralvorstellungen geht.

    Hinzu kommt, dass sich Bonito ausgerechnet für einen Kammerspiel-Rahmen und damit eine in der Regel sehr dialogbetonte Erzählform entschieden hat. „Carjacked" spielt überwiegend in Lorraines entführtem Auto, nur gelegentlich wird an diversen Tankstellen Halt gemacht. Aber insbesondere durch die Dialogschwächen kommt die Spannung, die der Situation innewohnt, nie wirklich zum Tragen. Vielmehr geht es in dumpfem Rhythmus ermüdend voran. Handlungsverlauf und Figurenzeichnung folgen dabei alsbald kaum noch einer nachvollziehbaren Logik. So wird Lorraine in einer Gruppentherapie-Sitzung als ein labiles Nervenbündel eingeführt, das vom kleinsten Windstoß aus der Bahn geworfen wird und für alles die Schuld bei sich selbst sucht. Als der raubeinige Verbrecher sie und ihren Sohn entführt, scheint sie dann aber erstaunlicherweise gar Sympathien für Roy zu hegen. Erst einige Räuber-Wutausbrüche später dämmert ihr die drohende Gefahr - und wenn sie im Finale plötzlich völlig über sich hinauswächst und eine gnadenlose Jagd auf ihren Peiniger startet, fehlt dieser Charakterwandlung jegliche Grundlage.

    Zuweilen nehmen die elementaren erzählerischen Defizite geradezu haarsträubende Dimensionen an. So kann sich Lorraine in einer Szene etwa mit einer Knarre aus dem Kofferraum eines brennenden Autos freiballern und zügig davonhechten, während ihr Häscher den Wagen nur wenige Sekunden zuvor verlassen hat, bloß scheinbar taub für die Frequenz von Pistolenschüssen und mutmaßlich blind für den Anblick panisch fliehender Geiseln ist. Auch in inszenatorischer Hinsicht wirkt die zweite Hälfte des Films merkwürdig fahrlässig. Plötzliche Reißschwenks und eine wild gewordene Montage sollen Rasanz und Dramatik schaffen, sind aber bloß verwirrend. Dass der Film nicht völlig absäuft, ist dem sehr fähigen Duo Stephen Dorff und Maria Bello zu verdanken. Die beiden holen alles heraus, was eben aus Phrasen, Posen und Stereotypen herauszuholen ist – dass sie in bessere Produktionen gehören, müssen sie längst nicht mehr beweisen.

    Fazit: „Carjacked" ist ein dramaturgisch zäher, inhaltlich sprunghafter und oft viel zu hektisch inszenierter Direct-to-DVD-Thriller, in dem Stephen Dorff und Maria Bello ihr Potential nicht ansatzweise entfalten können.

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