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    Our Grand Despair
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Our Grand Despair
    Von Christoph Petersen

    Dreiecksgeschichten sind mindestens genauso alt wie das Geschichtenerzählen selbst. Deshalb ist es heutzutage alles andere als einfach, eine Kombination zu finden, die in Büchern und Filmen nicht wenigstens schon hundertmal variiert wurde. Doch mit der Geschichte der beiden WG-Kumpel Ender und Cetin, die die Schwester eines gemeinsamen Freundes in einer Notsituation aufnehmen und sich beide in die neue Mitbewohnerin verlieben, ist es dem türkischen Schriftsteller Baris Bicakci tatsächlich gelungen, dem ausgelutschten Genre noch einmal eine frische Perspektive abzutrotzen. Gemeinsam mit dem Regisseur Seyfi Teoman („Summer Book") hat der Autor seinen Roman „Our Grand Despair" nun zu einem Leinwanddrama umgearbeitet, das im Wettbewerb der Berlinale seine Weltpremiere feierte. Aber so sympathisch das Werk auch sein mag, irgendwo auf dem Weg vom Roman zum Kinofilm scheint das Duo steckengeblieben zu sein.

    Ender (İlker Aksum) und Cetin (Fatih Al) sind wie ein altes Ehepaar, nur dass sie nicht miteinander schlafen. Nach der Schulzeit verschlug es sie erst in verschiedene Richtungen, aber sie vermissten sich so sehr, dass sie jeden Tag miteinander telefonierten. Nun haben sie es endlich geschafft zusammenzuziehen. Sie genießen ihren gemeinsamen Alltag in vollen Zügen und fahren sogar zusammen in den Urlaub. Doch nach nur drei Monaten steht das harmonische WG-Leben schon wieder auf der Kippe. Ihr guter Freund Fikret (Baki Davrak) bittet die Kumpel, sich um seine kleine Schwester Nihal (Güneş Sayın) zu kümmern, weil ihre Eltern gerade bei einem Unfall ums Leben gekommen sind und er selbst in Deutschland noch zu Ende studieren muss. Plötzlich sollen Ender und Cetin, die sich im Umgang miteinander noch immer wie kleine Jungs benehmen, Verantwortung übernehmen. Und als ob das nicht schon schwer genug wäre, verlieben sich die Junggesellen auch noch beide in ihre neue Mitbewohnerin...

    „Our Grand Despair" ist keine dieser typischen Dreiecksgeschichten, in denen eine Freundschaft an einer Frau zerbricht. Als Ender und Cetin feststellen, dass sie sich beide in Nihal verguckt haben, lachen sie sogar herzhaft darüber. Schließlich hingen sie schon in der Schule immer der Phantasie nach, sich irgendwann einmal in dieselbe Frau zu verlieben. Seyfi Teoman erzählt in seinem Film von Menschen, die alle nur das Beste füreinander wollen. „Our Grand Despair" ist ein schöner, ein warmherziger Film, ganz nach der alten Weisheit: „Wenn man jemanden wirklich liebt, dann lässt man ihn ziehen, wenn er woanders glücklicher ist."

    Aber so berührend das alles auch ist, vergisst der Regisseur darüber offenbar immer wieder, dass er gerade einen Kinofilm dreht. Ist es im Roman vollkommen okay, wenn sich alles aus den Gesprächen der Charaktere ergibt, hätte Seyfi Teoman gut daran getan, den einen oder anderen Konflikt in starke Bilder zu übersetzen, anstatt seine Protagonisten alles breit erklären zu lassen und dies äußerst konventionell abzufilmen. Passend zu seinem Darstellertrio, das bisher hauptsächlich in TV-Serien mitgespielt hat, erinnert „Our Grand Despair" deshalb mitunter an einen aufgeblasenen Fernsehfilm, was auf der gigantischen Leinwand des Berlinale-Palasts natürlich gleich doppelt deutlich ins Auge sticht.

    Fazit: „Our Grand Despair" ist der seltene Fall eines locker-leichten Dramas, dessen Macher sich aber zu sehr auf das gesprochene Wort verlassen und nur wenige kraftvolle Kinobilder finden.

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