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    7 Tage in Havanna
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    7 Tage in Havanna
    Von Gregor Torinus

    „7 Tage in Havanna“ steht in der Tradition von „Paris, je t‘aime“ und „New York, I Love You“:  Verschiedene Regisseure zelebrieren in einzelnen Episoden den Zauber einer besonderen Stadt. In diesem Fall handelt es sich um Benicio del Toro, Pablo Trapero, Julio Medem, Elia Suleiman, Gaspar Noé, Juan Carlos Tabío und Laurent Cantet, die jeweils einen Tag in der kubanischen Hauptstadt Havanna zeigen. Das Ergebnis ist ein buntes Mosaik, in dem die einzelnen Episoden sich zu einem schillernden Portrait der karibischen Metropole formen. Auch wenn kaum ein Klischee ausgelassen wird und die Qualität der einzelnen Segmente schwankt, entsteht insgesamt doch ein ebenso komplexes wie faszinierendes Bild einer Stadt, die gleichermaßen von Wehmut wie von Lebensfreude gekennzeichnet ist.

    Die „7 Tage in Havanna“ beginnen an einem Montag - mit Benicio del Toros „El Yuma“, der ebenso spritzig, wie klischeebeladen ist. Gezeigt wird ein junger Amerikaner (Josh Hutcherson), der während seines ersten Tages in der kubanischen Hauptstadt aufgrund fehlender Sprachkenntnisse desorientiert herumirrt. Am Dienstag folgen wir in Pablo Traperos „Jam Session“ dem serbischen Regisseur Emir Kusturica, der in der kubanischen Hauptstadt seinen neuen Film vorstellt und betrunken das offizielle Festivaltreiben ablehnt. Am Mittwoch muss sich in Julio Menems "Cecilias Versuchung" die junge kubanische Sängerin Cecilia (Melvis Estéves) zwischen der Heimat mit ihrem Basketball spielenden Freund Jose (Leonardo Benitez) sowie einer möglichen Karriere und Beziehung mit einem von Daniel Brühl verkörperten Talentscout in Spanien entscheiden. Am Donnerstag folgen wir dem palästinensische Regisseur Elia Suleiman, der in seiner Episode "Tagebuch eines Neuankömmlings" sich selbst zeigt, wie er auf einen offiziellen Termin mit Fidel Castro wartet, der niemals zu kommen scheint. Am Freitag wird es abgründig mit dem von Gaspar Noé inszenierten "Ritual", in welchem die Eltern der jungen Kubanerin Yamilslaidi (Cristela Herrera) ihrer Tochter ihre lesbischen Neigungen mittels magischer Rituale auszutreiben versuchen. In Juan Carlos Tabíos „Bittersüß“ sehen wir dann einen chaotischen Samstag im Leben der Psychologin Mirta (Mirta Ibarra), die nicht nur eine eigene Sendung im Fernsehen hat, sondern nebenbei auch noch aufwändige Torten für spezielle Kunden backt. Auch am Sonntag steht eine quirlige Frau mit Improvisationstalent im Mittelpunkt der Handlung: In Laurent Cantets „Der Brunnen“ mobilisiert eine ältere Kubanerin (Natalia Amore) die gesamte Nachbarschaft, um aufgrund einer religiösen Eingebung innerhalb eines Tages ihr gesamtes Wohnzimmer umzubauen und ein großes Fest zu veranstalten.

    Dafür, dass „7 Tage in Havanna“ nicht in einzelne unzusammenhängende Teile zerfällt, hat Drehbuchkoordinator Leonardo Padura gesorgt, der auch selbst an den Segmenten „El Yuma“, „Cecilias Versuchung“ und „Bittersüß“ mitgeschrieben hat. Nicht nur diese Episoden zeigen eine vielschichtige, widersprüchliche und auch chaotische Gesellschaft, die gleichermaßen von großer Spontaneität und Lebensfreude geprägt ist. Gezeigt wird kein Postkartenidyll, sondern eine Stadt im Verfall, deren Bewohner trotz relativer Armut zumeist glücklich sind. Und dies trotz Problemen wie Alkoholismus, Lebensmittelknappheit und Stromausfällen, die das tägliche Leben zu einem stetigen Kampf machen. Nicht zuletzt Improvisationstalent ist vonnöten, um immer wieder Lösungen zu finden. Vor allem aber die Solidarität, die „7 Tage in Havanna“ immer wieder beschwört. Da es an vielem fehlt, müssen sich eben alle zusammentun, um trotzdem etwas erreichen zu können.

    Von dieser Spontaneität lässt sich auch der missmutige serbische Regisseur Emir Kusturica („Arizona Dream“) anstecken und mitreißen, der bei einer Jam-Session zu neuem Leben erwacht. Diese Episode zählt zu den gelungensten, verzichtet sie doch weitestgehend auf  pittoreske Bilder, vermittelt dafür aber viel von der speziell kubanischen Sensibilität. Ähnlich überzeugend, wenngleich mit ganz anderem Ausgang, schildert Elia Suleiman in seiner Episode „Tagebuch eines Neuankömmlings" seine Erfahrung auf Kuba. Doch während der mürrisch wirkende Kusturica in Havanna aufzutauen beginnt, bleibt dem von Suleiman selbst gespielten Neuankömmling diese fremdartig wirkende Welt weitestgehend verschlossen. Noch einen Schritt weiter entfernt sich Gaspar Noé vom Klischee des karibischen Paradieses: „Ritual“ zeigt erneut das herausragende Talent des argentinisch-französischen Provokateurs. Doch gerade aufgrund seiner großen künstlerischen Eigenständigkeit fällt diese weitestgehend ohne Schnitte auskommende Episode mit ihrem bedrohlichen pumpenden Beat vollkommen aus dem Gesamtzusammenhang von „7 Tage in Havanna“ heraus. Bei nur sieben Teilen stört es durchaus, wenn einzelne stilistisch völlig aus dem Rahmen fallen.

    Fazit: „7 Tage in Havanna“ ist ein solider und überdurchschnittlicher Episodenfilm über die karibische Metropole. Überzeugend fangen die meisten Episoden den besonderen Zauber, aber auch die Widersprüchlichkeit der kubanischen Hauptstadt ein und zeichnen eine Stadt zwischen Lebensfreude und Spontaneität auf der einen und Melancholie und Verfall auf der anderen Seite.

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