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    In Another Country
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    In Another Country
    Von Carsten Baumgardt

    Hong Sang-soo („Night And Day") gehört praktisch schon zum Inventar der Filmfestspiele in Cannes. Von seinen bisher zwölf Spielfilmen feierten ganze sieben ihre Weltpremiere an der Côte d'Azur. Nachdem er vor zwei Jahren mit „HA HA HA" den Hauptpreis in der Nebenreihe „Un Certain Regard" gewonnen hat, nimmt der Südkoreaner nun mit seiner relaxten Komödie „In Another Country" einen erneuten Anlauf in der Königsklasse, dem Wettbewerb um die Goldene Palme. Und wie es sich für einen gestandenen Autorenfilmer gehört, bleibt Hong sich in seiner wunderbaren Beiläufigkeit treu. Spielerisch und unaufdringlich sabotiert er konventionelle, lineare Erzählmuster und macht aus „In Another Country" eine sympathische und sehr lebendige künstlerische Fingerübung.

    Die französische Regisseurin Anne (Isabelle Huppert) besucht in der südkoreanischen Hafenstadt Mohang ihren Kollegen Jongsoo (Hyehyo Kwon). Der wartet zwar zusammen mit seiner hochschwangeren Frau Kumhee (Sori Moon) auf ihr erstes gemeinsames Kind, aber sobald der Filmemacher etwas zu viel trinkt, fängt er an, seine Fühler beinahe manisch nach fremden Frauen auszustrecken. Auch Anne hat er vor einiger Zeit schon einmal geküsst, die beiden sind jedoch nur Freunde. Während Jongsoo in Mohang eine Schauspielerin für seinen nächsten Film sucht, vertreibt sich die Französin die Zeit am Strand, wo sie auf einen attraktiven Rettungsschwimmer (Yu Junsang) trifft, den sie in sein Zelt begleitet. In der zweiten Geschichte trifft sich die mit einem Südkoreaner verheiratete Anne (wieder Isabelle Huppert) mit ihrem äußerst eifersüchtigen Liebhaber Munsoo (Sungkeun Moon) in Mohang. Am Strand läuft ihr der Rettungsschwimmer über den Weg, von dessen Präsenz Munsoo sich bedroht fühlt. Er macht Anne eine Szene. In einer weiteren Erzählung leidet die reiche Hausfrau Anne (Isabelle Huppert, wer sonst?!) unter der Trennung von ihrem Mann und sucht in Mohang Abwechslung. Auch sie begegnet dem Rettungsschwimmer und freundet sich mit Regisseur Jongsoo und dessen Frau Kumhee an...

    Der zuweilen als „koreanischer Woody Allen" bezeichnete Hong Sang-soo teilt mit dem berühmten New Yorker Stadtneurotiker die Lust am intellektuellen Gedankenspiel. Immer wieder bricht er die Regeln des klassischen filmischen Erzählens und interessiert sich insbesondere für die Bruchstellen zwischen fiktionalen Handlungsentwürfen und ihrer formalen Dekonstruktion. Eine solche Beschreibung lässt womöglich abgehoben-anstrengendes Experimentalkino befürchten, aber es fehlt noch eine wichtige Zutat, die Hong und Allen ebenfalls gemeinsam haben: der Humor. Durch ihn wird auch in „In Another Country" aus der selbstreflexiven Versuchsanordnung eine locker-flockige Freistil-Fabel. Das zeigt sich schon am augenzwinkernden Grundentwurf von Hongs Geschichte-in-der-Geschichte-Format: Bei den drei Handlungssträngen handelt es sich um verschiedene Drehbuchentwürfe der abgebrannten Filmstudentin Wonju (Yumi Jung), in denen jeweils eine französische Touristin in Mohang auf Einheimische trifft. Aus der Reibung zwischen den Gemeinsamkeiten und den Unterschieden dieser Variationen schlägt Hong amüsante Funken. So heißt die Französin immer Anne und wird immer von Isabelle Huppert („Liebe", „Die Klavierspielerin") gespielt und doch handelt es sich um drei verschiedene Figuren.

    Hong Sang-soo begnügt sich indes nicht mit einer cleveren Medienreflexion, sondern ergänzt diese abstrakte Ebene mit einem weitaus handfesteren Thema. Der Koreaner hat mit Isabelle Huppert erstmals einen internationalen Star für die Hauptrolle(n) engagiert und einen Großteil des Films auf Englisch gedreht. Allein dadurch rücken die Verständigungsschwierigkeiten vor und hinter der Kamera ins Blickfeld: „In Another Country" ist auch eine Komödie über die Untiefen der interkulturellen Kommunikation. Die wird hier zumeist in mehr oder weniger gutem Englisch ausgetragen, aber wenn es um die Feinheiten zwischen den Zeilen geht, dann reicht die Kenntnis der Weltsprache häufig nicht aus. Da kann dann Eifersucht in der Übersetzung schon einmal zu Bewunderung umgemünzt werden. Und auf ähnliche Weise können sich die drei sonst klar voneinander getrennten Geschichten durch wiederkehrende Situationen, Figuren oder Dialoge plötzlich doch überschneiden. Dies subtile und liebevolle Spiel mit dem „Was wäre, wenn?" lebt dabei vor allem von den feinfühligen Darstellern, ihnen gelingt es oft auf geradezu seismographische Weise, leisen Wandel und verborgene Nuancen aufzuspüren.

    Fazit: Beim launigen Arthouse-Gipfeltreffen zwischen dem südkoreanischen Autorenfilmer Hong Sang-soo und der französischen Kunstfilm-Königin Isabelle Huppert ist der Zuschauer der Gewinner: Ohne intellektuellen Ballast und mit viel Herz erzählen sie vom Geschichtenerzählen selbst und von der Natur des Menschen.

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