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    Das finstere Tal
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Das finstere Tal
    Von Tim Slagman

    Kommen aus Österreich die besseren deutschsprachigen Genrefilme? Das zu beweisen scheint jedenfalls die Mission des in Klagenfurt geborenen Produzenten Helmut Grasser zu sein, der nur eine Woche nach dem hysterischen, aber unterhaltsamen Schocker „Blutgletscher“ nun auch noch den atmosphärisch gänzlich anders gelagerten Alpenwestern „Das finstere Tal“ in die deutschen Kinos bringt. Dafür holte sich Grasser zwar finanzstarke deutsche Partner an Bord (darunter die Berliner X-Filme-Schmiede und das ZDF), aber auf dem Regiestuhl sitzt mit Andreas Prochaska trotzdem ein alter österreichischer Spezl des Produzenten, der mit „In 3 Tagen bist du tot“ bereits ein Händchen für den Import amerikanischer Genre-Archetypen bewiesen hat. Die Romanvorlage von Thomas Willmann hat dieser nun atmosphärisch dicht, wenn auch übertrieben stilisiert in Szene gesetzt.

    Der unbedingte Stilwillen des Regisseurs zeigt sich schon in der Eröffnungssequenz, in der Prochaska den Ritt eines Fremden über die grauen Bergpässe im Spätherbst mit dem Spiritual „Sinner Man“ unterlegt. Der aus Amerika stammende Mann heißt Greider (Sam Riley) und sein Ziel ist ein kleines Dorf, das so abgeschnitten von der Außenwelt liegt, dass Besucher hier selten und noch seltener willkommen sind. Doch der Neuankömmling hat ein Säckchen Gold in der Tasche, mit dem er die Familie Brenner, die in dem Dorf das Sagen hat, davon überzeugen kann, bleiben zu dürfen. Er hat auch einen Fotoapparat dabei, den er „Spiegel mit Gedächtnis“ nennt. Aber ist der Fremde wirklich zum Fotografieren der knorrigen Gesichter und der weiten Gipfelpanoramen in den Ort gekommen? Schon bald legt sich der Winter wie ein Leichentuch über das Tal und macht es unmöglich, das Dorf zu verlassen. Und dann gibt es den ersten Toten…

    Die Berge in „Das finstere Tal“ sind nicht dazu da, um den Zuschauer mit ihrem Anblick zu überwältigen. Stattdessen prägen sie ganz konkret das karge Leben der schweigsamen Menschen und das sogar bis in den Tod hinein. Sie schützen und ersticken, sie bieten Ruhe vor der sich am Ende des 19. Jahrhunderts rasch modernisierenden Welt da draußen, aber sie bergen auch Gefahr. Prochaska verkneift sich schwelgerische Kamerafahrten über vom Schnee gezuckerte Gipfel oder weite Felder. Das Weiß bedeutet bei ihm nur Kälte und Mühsal. Entsprechend schweigsam sind die Gestalten des Dorfes, die ein dunkles Geheimnis vor dem Fremden verbergen wollen, das dieser jedoch längst kennt. Für die Exposition nimmt sich Regisseur Prochaska viel Zeit und lässt seine Figuren dabei wenig Worte verschwenden. Stattdessen werden in den finsteren Stuben Blicke voller Andeutungen ausgetauscht. Mit großem Geschick und viel Gespür für Atmosphäre zeichnet Prochaska eine Welt, in der Unterwerfung und Trauer den Alltag der Menschen bestimmen – eine Welt, die Greider verändern will, denn er weiß um die Gewalt und die Verrohung, die in Wahrheit im Dorf herrschen.

    Das Sterben, das bald beginnt, zelebriert Prochaska in Zeitlupen, die den Todeskampf immer wieder ins Mythologische überhöhen. Die Italo-Western-Ikone Sergio Leone („Spiel mir das Lied vom Tod“) war eine erklärte Inspiration des Romanautors Thomas Willmann, in Prochaskas Adaption treten hingegen die Anleihen an Sam Peckinpah („The Wild Bunch“) deutlicher hervor. Aber eines ist eh allen Erwähnten gemeinsam: Sie zelebrieren den Western nicht im ursprünglichen Sinne als Gründermythos, sondern als Erzählung vom Ende, als apokalyptische Fabel. Und in einer solchen kann es keine Erlösung geben, weshalb auch die zu großzügig eingesetzten Zeitlupen hier keine Gesten des Triumphs sind, sondern stilisierte Augenblicke des Untergangs. Die Streicher quälen sich in Matthias Webers Kompositionen durch ein Klagemotiv nach dem anderen - unterbrochen höchstens vom wummernden, Gefahr suggerierenden Bass. Manchmal wäre weniger auch hier mehr gewesen - der Kargheit dieser Welt hätte eine kargere Inszenierung gut gestanden.

    Fazit: Zeitlupe mit klagenden Streichern – mitunter trägt Andreas Prochaska in seiner archaischen Erzählung von Mord und Rache ein wenig zu dick auf. Trotzdem lohnt alleine die kunstvolle, emotional wuchtige Schilderung eines freudlosen Mikrokosmos am Rande der Zivilisation den Kinobesuch.

    Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2014. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 64. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

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