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    Transcendence
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Transcendence
    Von Björn Becher

    Die Zutaten sind alle da: eine von Superstar Johnny Depp angeführte illustre Besetzung, ein hochaktuelles und hochinteressantes Thema, Oscarpreisträger Wally Pfister (Kamera bei „Inception“) mit seinem Debüt auf dem Regiestuhl, sein langjähriger Partner Christopher Nolan unterstützend als Ausführender Produzent, dazu ein bereits seit 2012 mit viel Lorbeeren bedachtes Drehbuch von Debütautor Jack Paglen, der im Vorfeld als neue Hoffnung des Science-Fiction-Genres gefeiert wurde. Doch bei „Transcendence“ zeigt sich einmal mehr, dass gute Zutaten noch keinen guten Film garantieren. Pfister wird der Komplexität des Stoffes zu keinem Zeitpunkt gerecht und macht sich das Leben  mit zahlreichen schlecht motivierten Schauplatzwechseln, die nur den Handlungsfluss stören, zusätzlich schwer. So bleibt am Ende nur die Ahnung einer thematisch interessanten Geschichte um künstliche Intelligenz, die Grenzen der Wissenschaft und menschlichen Kontrollverlust, die in dem unglaublich monoton erzählten Sci-Fi-Action-Drama aber nur sehr oberflächlich entfaltet und zwischendrin vollständig aus den  Augen verloren wird – und wenn nicht nur der Hauptdarsteller, sondern auch so erstklassige Schauspieler wie Morgan Freeman, Rebecca Hall und Cillian Murphy in den Nebenrollen gelangweilt und uninspiriert wirken, dann liegt definitiv etwas im Argen.

    Die Vereinigten Staaten von Amerika, in einer nahen Zukunft: Es gibt keinen Strom mehr. Der durch die Straßen ziehende Ex-Wissenschaftler Max Waters (Paul Bettany) erinnert sich daran zurück, wie alles vor fünf Jahren damit begann, dass sein bester Freund und genialer Kollege Dr. Will Caster (Johnny Depp) sich kurz vor der Erfüllung seines Traums von einer künstlichen Super-Intelligenz wähnte. Doch die Extremistengruppe R.I.F.T. sah und sieht diese immer fortschreitende Technisierung kritisch. An einem einzigen Tag verübt sie in einer konzertierten Aktion Terroranschläge im ganzen Land, tötet zahlreiche Wissenschaftler, zerstört die Arbeit von Jahren. Auch auf Caster wird ein Attentat verübt, an dessen Folgen er innerhalb eines Monats sterben wird. Seiner Ehefrau Evelyn Caster (Rebecca Hall) kommt durch die Forschung eines ermordeten Kollegen die rettende Idee und sie überträgt das Bewusstsein ihres Mannes mit Hilfe des skeptischen Max auf Wills Super-Computer: Ihr Ehemann lebt fortan als künstliche Intelligenz weiter, doch dieses neue Wesen strebt schnell nach Macht, will immer mehr Rechenleistung und einen Zugang zum Internet, um sich ausbreiten zu können. Während Evelyn das unterstützt, ist Max endgültig überzeugt, etwas erschaffen zu haben, was nicht mehr kontrollierbar ist. Er steigt aus und landet in den Fängen von R.I.F.T….

    Wally Pfister hat sich als Christopher Nolans Stammkameramann seit „Memento“ einen Namen gemacht, der in Hollywood mittlerweile einiges Gewicht hat: So sollen neben den vielen beteiligten Stars u. a. auch noch Noomi Rapace, Christoph Waltz, James McAvoy und Christian Bale daran interessiert gewesen sein, eine Rolle in „Transcendence“ zu übernehmen. Für sie gab es zwar keinen Platz mehr, trotzdem ist das Ensemble recht groß und selbst in Mini-Rollen mit nicht einmal einer Minute Leinwandzeit sind bekannte Gesichter wie Lukas Haas („Brick“) oder Xander Berkeley („24“) zu sehen. Die Vielzahl von wichtigen Nebenfiguren erweist sich dann allerdings auch als Problem, denn Pfister findet zu keinem Zeitpunkt eine zufriedenstellende Balance zwischen den verschiedenen Handlungssträngen. Er wechselt sehr oft den Schauplatz, aber die Zusammenhänge bleiben meist vage und beliebig. Selbst als er gleich zu Beginn Casters Weg zu einer wichtigen Rede parallel zu den Anschlagsvorbereitungen der verschiedenen Terrorzellen montiert, ist das trotz der absehbaren Konfrontation kaum spannend. Zwar wird schnell klar, dass es sich nicht um ein Alltagsgeschäft handelt, wenn etwa ein (vergifteter) Kuchen abgeholt wird, aber in Pfisters gedehnt-nüchterner Inszenierung kommt eben auch kein Gefühl der Bedrohung auf.

    Wenn es nach dem überlangen Prolog mit den Upload von Caster zur künstlichen Super-Intelligenz dann richtig losgeht, wird die Zersplitterung der Handlung sogar zu einem noch größeren Problem: Während sich die Casters in der Wüste ein mächtiges Technik-Imperium aufbauen, wird immer wieder entweder zu Max gewechselt, der sich inzwischen in der Hand von Terroranführerin Bree (Kate Mara) befindet, oder wahlweise zum technikaffinen FBI-Agenten Anderson Buchanan (Cillian Murphy), der bei der Terroristenjagd von Casters Lehrmeister Joseph (Morgan Freeman) unterstützt wird. Was auf dem Papier noch nach einer sinnvollen Spannungsdramaturgie klingen mag, wirkt hier über weiteste Strecken leb- und belanglos. Max ist als Gefangener ohnehin zur Passivität verurteilt, aber auch das dramatische Potential seines inneren Konflikts (er erkennt, dass Caster eine Gefahr sein könnte, will aber auf keinen Fall mit mordenden Terroristen zusammenarbeiten) scheint Pfister nicht zu interessieren. Die FBI-Leute und Joseph wiederum haben lange Zeit schlicht keine Ahnung, dass Caster noch „lebt“ und was dieser treibt. Wenn wir trotzdem immer wieder vorgeführt bekommen, was sie machen oder auch nicht, dann hat das meist entsprechend wenig mit der Haupthandlung zu tun und wirkt wie eine  im Übrigen auch noch uninteressante Beschäftigungstherapie für ein paar namhafte Schauspieler, die im großen Finale noch gebraucht werden.

    Es ist unübersehbar, dass Regisseur Wally Pfister eigentlich Kameramann ist, jedenfalls erscheinen der metallen-monotone Look und die unterkühlte Atmosphäre durchdachter als die wirre Handlungsführung und die nur rudimentäre Figurenentwicklung: Mit kaltblütig mordenden Terroristen fällt die Identifikation schwer, zumal ihre Motivation auch eher vage ausfällt; FBI-Agent Buchanan ist zu sehr blasse Randfigur; Supercomputer Caster bleibt trotz der späteren Versuche ihm wieder eine menschliche Gestalt zu geben abstrakt. Zudem ist Johnny Depps Darstellung des verschroben-größenwahnsinnigen Wissenschaftlers, der bereits in einer der ersten Dialogzeilen zugibt, einen neuen Gott erschaffen zu wollen, schon arg roboterhaft bevor Will tatsächlich zu einer Art Maschine wird. Am ehesten lässt sich noch mit Max fiebern, der den Zuschauer auch als Erzähler in die Geschichte einführt, aber der sitzt lange Zeit als Gefangener im Käfig fest und kann kaum Einfluss auf das Geschehen nehmen. So fehlt „Transcendence“ letztlich ein emotionaler Anker: Im US-Kino-Trailer sagt Morgan Freeman an einer Stelle mit seiner markanten Stimme den Satz „It will be the end of mankind as we know it“. Regisseur Pfister kritisierte diesen Marketing-Schachzug und merkte an, dass es diesen Monolog im Film gar nicht gibt. Das kräftige Pathos, das in dieser bedeutungsschweren Aussage liegt, hätte dem allzu kühlen Science-Fiction-Traktat allerdings hin und wieder ganz gut gestanden.

    Warum Drehbuchautor Jack Paglen als große neue Sci-Fi-Hoffnung gehandelt wird (er soll nun auch für Ridley Scott „Prometheus 2“ schreiben und einen schon seit Jahren geplanten „Battlestar Galactica“-Kinofilm endlich auf den Weg bringen), erschließt sich aus dem fertigen Film nicht so ganz. Allerdings gibt es auch reichlich Gerüchte, dass Wally Pfister selbst kräftig Hand angelegt hat und von dem 2012 auf der berühmten Black List der besten noch nicht verfilmten Drehbücher platzierten Skript gar nicht mehr so viel übrig geblieben sein soll. Immerhin sind die interessanten Ideen trotz allem noch so präsent, dass „Transcendence“ zumindest ein paar Fragen aufwirft, die zur anschließenden eigenen Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Technik, Macht und künstliche Intelligenz einladen – zugleich lässt sich daran aber auch besonders deutlich feststellen, welche Chance Pfister und Co. hier vergeben haben, denn über das Verbreiten von Schlagwörtern kommen sie nicht hinaus. Wenigstens schüttelt der Neu-Regisseur gegen Ende des Films die Lethargie zeitweise ab und sorgt im Finale trotz hanebüchener Handlungsdetails für einige Action-Schauwerte, die erkennen lassen, dass „Transcendence“ nicht nur wegen des Salärs von Depp und Co. kolportierte 100 Millionen Dollar gekostet hat.

    Fazit: Wally Pfister schafft es nicht, in die Fußstapfen seines langjährigen Partners Christopher Nolan zu treten. Trotz interessanter Ideen und hochkarätiger Besetzung ist „Transcendence“ vor allem eins: langweilig.

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