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    Wenn ich bleibe
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Wenn ich bleibe
    Von Christoph Petersen

    Weil das katastrophal schlechte Eröffnungswochenende von „Sin City 2: A Dame to Kill For“ die Schlagzeilen dominierte, ist das beachtenswerte gute Ergebnis von R.J. Cutlers „Wenn ich bleibe“ fast ein wenig untergegangen. Denn während zuletzt eine Jugendbuch-Adaption nach der anderen floppte (etwa „Hüter der Erinnerung“, „Vampire Academy“, „Chroniken der Unterwelt“), sahnte die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Gayle Forman bei einem Budget von schlappen elf Millionen Dollar gleich am ersten Wochenende überzeugende 15,7 Millionen an den US-Kinokassen ab. Nach dem überraschenden weltweiten Erfolg der Krebs-Romanze „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ kristallisiert sich damit immer mehr heraus, dass die Zielgruppe weiblicher Teenager mit der Ausnahme von „Die Tribute von Panem“ offenbar genug hat von abgehobenen Fantasy- oder Science-Fiction-Szenarien und sich nach intimeren, persönlicheren Geschichten sehnt – und in dieser Hinsicht trifft „Wenn ich bleibe“ trotz seiner angedeuteten übersinnlichen Elemente tatsächlich voll ins Schwarze!

    Von einer Sekunde auf die nächste ist nichts mehr wie zuvor: Das Auto der Familie Hall kommt in einer glatten Kurve von der Fahrbahn ab, die Eltern Kat (Mireille Enos) und Denny (Joshua Leonard) überleben den Unfall nicht, ihr jüngerer Bruder Teddy (Jakob Davies) wird lebensgefährlich verletzt und die 17-jährige Mia (Chloë Grace Moretz) selbst fällt in ein tiefes Koma. Wie ein Geist beobachtet sie von außen, wie ihr lebloser Körper ins Krankenhaus gebracht wird, wie die Ärzte um ihr Leben kämpfen und wie ihre Freunde und Großeltern sie immer wieder bitten, doch endlich die Augen aufzumachen. Und während sie die vergangenen Monate in ihrem Leben inklusive ihrer ersten großen Liebe zu dem Rockband-Frontmann Adam (Jamie Blackley) Revue passieren lässt, muss sich die angehende Cellistin entscheiden, ob es sich ohne ihre Familie überhaupt noch lohnt, wieder aus dem Koma aufzuwachen…

    In den falschen Händen hätte eine Adaption von „Wenn ich bleibe“ leicht als purer Leinwandkitsch verenden können – aber zum Glück haben die Filmemacher um R.J. Cutler eine ganze Menge richtig gemacht: So haben sie etwa der Versuchung von weichgewaschenen Hollywood-Hochglanzbildern widerstanden, stattdessen setzen der vor allem als Dokumentarfilmer erfolgreiche Regisseur („The September Issue“) und sein Kameramann John de Borman („An Education“) ganz auf einen rauen Indie-Look. Zusätzlich erden auch „Kick-Ass“-Amazone Chloë Grace Moretz und Newcomer Jamie Blackley mit ihrem ungemein natürlichen Spiel das Geschehen: Selbst wenn der ohnehin recht konstruierte Gegensatz zwischen dem Rock-Sänger und der klassischen Cellistin (Moretz hat sich monatelang ein Cello in jedes Hotel hinterherschicken lassen, um ständig zu üben) etwas überstrapaziert wird, wirkt ihre im besten Sinne alltägliche Liebesgeschichte einfach echt! Unterdessen erweisen sich Mireille Enos (in „Sabotage“ noch als schießwütiger Junkie zu sehen) und Jakob Davies (einer der drei Protagonisten aus „The Blair Witch Project“) als die coolsten Leinwand-Eltern seit Patricia Clarkson und Stanley Tucci als Mama und Papa von Emma Stone in „Einfach zu haben“ – wobei ihre Szenen so nur noch tragischer erscheinen, da der Zuschauer ja längst weiß, dass sie den Unfall nicht überleben werden.

    Mias außerkörperliche Erfahrung ist übrigens kein simples Fantasy-Gimmick, sondern ein geschickter erzählerischer Kniff, um den Überlebenskampf der komatösen jungen Frau zu symbolisieren. Und als solcher braucht er keine große Erklärung, die Krankenschwester flüstert der Patientin nach der Operation lediglich ins Ohr, dass es nun allein an ihr liege, ob sie die kommenden Tage übersteht. Es werden auch keine klaren Regeln definiert, was Mia machen muss, um wieder aufzuwachen – so befürchtet man zwischendurch einmal, sie könnte wie Schneewittchen durch einen Kuss von Traumprinz Adam wieder zu sich kommen, aber zum Glück bleibt auch dieser wirkungslos. Die Filmemacher nehmen das herzzerreißende Schicksal ihrer jungen Protagonistin angenehm ernst, so dass jeder verlogen-versöhnliche Märchen-„Ausweg“ auch vollkommen fehl am Platze wäre. So fehlt den Krankenhaus-Szenen zwar mitunter ein erkennbarer erzählerischer Fluchtpunkt (man weiß ja nicht recht, worauf man eigentlich hinfiebern soll), aber zutiefst berührend sind sie dennoch allemal, zumal auch Schauspiellegende Stacy Keach („Nebraska“) als verzweifelnder Großvater eine großartige Leistung abliefert.

    Fazit: Sehenswerter und vor allem stark gespielter Nachschub für Fans von „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“.

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