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    Creed - Rocky's Legacy
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Creed - Rocky's Legacy
    Von Carsten Baumgardt

    Mit „Rocky V“ hätte Sylvester Stallone sein legendäres Boxer-Franchise beinahe schon 1990 beerdigt – und zwar in doppeltem Sinne. Denn in seiner ursprünglichen, später geänderten Version des Drehbuchs sollte Rocky Balboa, der den jungen aufstrebenden Boxer Tommy Gunn trainiert, am Ende sterben. Doch stattdessen folgte auf den verunglückten fünften Teil 2007 das überzeugende Reihencomeback mit „Rocky Balboa“. Nun führt „Fruitvale Station“-Regisseur Ryan Coogler Rockys Erbe fort und geht dabei ausgesprochen clever vor: Im Mittelpunkt seines Spin-offs „Creed - Rocky’s Legacy“ steht Apollo Creeds Sohn, während Sylvester Stallones Rocky als dominante Nebenfigur zu sehen ist – so verbindet der Regisseur die Reihen-Tradition mit einer frischen, modernen Perspektive zu einem elektrisierendes Feel-Good-Boxer-Drama.

    Adonis „Donnie“ Johnson (Michael B. Jordan), der uneheliche Sohn von Boxlegende Apollo Creed, hat eine schwere Kindheit als Vollwaise hinter sich. Erst als ihn 1998 Creeds reiche Witwe Mary Anne (Phylicia Rashad) adoptiert, wendet sich das Blatt zum Guten. Wie sein Vater, der bereits vor seiner Geburt starb, strebt der junge Mann eine Karriere als Boxer an und feiert in Mexiko bald erste Siege als Amateur. Gegen den Rat seiner Adoptivmutter zieht Donnie schließlich nach Philadelphia, um Profi zu werden. Apollos ehemaliger Gegner und späterer Freund Rocky Balboa (Sylvester Stallone) soll ihn trainieren. Rocky, der immer noch sein italienisches Restaurant führt, lehnt zunächst ab, aber er erkennt Johnsons Talent und willigt ein, ihm ein paar Tipps zu geben. Dem frisch in die R&B-Sängerin Bianca (Tessa Thompson) verliebten Donnie gelingt es unterdessen nicht lange, seine wahre Herkunft als Apollo Creeds Sohn in der Boxerszene geheimzuhalten.

    Sylvester Stallone, der Erfinder und offizielle Gralshüter des „Rocky“-Franchise (er schrieb zu allen vorherigen sechs Filmen das Drehbuch und inszenierte vier von ihnen selbst), hat Vertrauen gezeigt und seine Reihe aus der Hand gegeben – und das an einen Filmemacher, der zuvor erst einmal Regie geführt hatte. Doch Ryan Cooglers Debüt „Nächster Halt: Fruitvale Station“ war eine ideale Visitenkarte und dessen Hauptdarsteller Michael B. Jordan („The Wire“) engagierte Stallone gleich mit. Die Reihenneulinge sorgen für frische Akzente, ihr Adonis „Donnie“ Johnson ist zwar ein junger hungriger Boxer wie es auch Rocky Balboa war, anders als dieser kommt er aber trotz der Kindheit als Waisenkind nicht wirklich aus der Gosse („You are not street“) – im Gegenteil: Er ist ein Millionärssohn und hat einen guten Bürojob. Aber seines Vaters Gene kann er nicht verleugnen und so brennt das Feuer für den Kampfsport in ihm  - und er taucht ganz natürlich in das Milieu der Straßenboxer ein. So wird aus einer typischen Aufsteigerstory vom amerikanischen Traum in „Creed“ zugleich auch die Geschichte einer Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln, die ihre besondere Würze durch die Verbindung der Figur Adonis Johnson zu den Legenden Apollo Creed (aus „Rocky I bis IV“) und vor allem Rocky Balboa bezieht.

    Immer wenn Michael B. Jordan und Sylvester Stallone auf der Leinwand aufeinandertreffen, ist sofort eine ganz spezielle Energie zu spüren. Es stimmt nicht nur die Chemie zwischen den Schauspielern, sondern auch die Verbindung zwischen den Generationen: Mit der Hilfe seiner Stars baut Regisseur Ryan Coogler eine filmgeschichtliche Brücke und integriert die inzwischen nostalgisch angehauchte klassische „Rocky“-Atmosphäre und viele Bezüge zur Reihenvergangenheit geschickt in einen ansonsten ganz und gar heutigen Film. Jordan übernimmt dabei als ehrgeizig-ambitionierter Halbschwergewichtsboxer gleichsam Rockys alte Rolle und versieht sie mit viel zeitgemäßer Energie und Eigensinn, während Stallone seiner Figur neue Tiefe gibt. Stieg der Action-Veteran in „Rocky Balboa“ noch als Faustkampf-Opa in den Ring, lässt er die Boxhandschuhe nun glücklicherweise am Nagel hängen (zum Zeitpunkt des Drehs war Stallone immerhin auch schon 68) und glänzt vielmehr als Charakterdarsteller – nicht umsonst ist er für eine Oscarnominierung als Bester Nebendarsteller im Gespräch. Rocky ist das Herz von „Creed“, eine gereifte Persönlichkeit, die ihren Frieden mit den Kämpfen der Vergangenheit gemacht hat. Stallone spielt das mit einer erstaunlichen Beiläufigkeit - er braucht keine großen Gesten. Ihm genügen ein schlurfender Gang, schwerfällige Gesichtszüge und ein bisschen Brummeligkeit für das zutiefst menschliche Porträt einer Legende.

    Auch bei den Boxszenen findet Regisseur Ryan Coogler eine gute Balance zwischen der Verbeugung vor den Vorgängern und eigenen neuen Akzenten. Zunächst inszeniert er die Fights noch halbwegs realistisch, aber wenn es zum finalen Kampf kommt, brechen alle Dämme und das tatsächliche (und im Vergleich weit langweiligere) Boxen, wie man es aus dem Fernsehen kennt, wirkt plötzlich wie eine Micky-Maus-Veranstaltung. Donnie und sein Gegner, Box-Weltmeister Ricky Conlan (gespielt vom ehemaligen Halbschwergewichts-Champion Tony Bellew), pfeffern sich die Volltreffer um die Ohren, als seien es gutgemeinte Klapse. Aber gerade diese zu übermenschlichen Fantasy-Kämpfen überhöhten Duelle lieben wir bei der „Rocky“-Reihe, sie haben eine unglaubliche Dynamik und bieten pure Emotionalität. Wenn „Creed“ dennoch nicht ganz in einer Liga mit Genre-Schwergewichten wie „Wie ein wilder Stier“, „The Fighter“ oder auch dem Original-„Rocky“ spielt, dann liegt das vor allem an den zahlreichen holzschnittartigen Nebenfiguren - vom schmierigen Manager bis zum großkotzigen Gegner -, die über Boxerfilmklischees kaum hinauskommen.

    Fazit: Ryan Coogler ist mit seinem hochunterhaltsamen und bewegenden Boxer-Drama „Creed - Rocky’s Legacy“ eine überzeugende Weiterführung der „Rocky“-Saga geglückt. Ein hervorragender Sylvester Stallone hält den Spirit der alten Filme lebendig und der neue Hauptdarsteller Michael B. Jordan macht das Franchise zukunftsfähig.

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