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    Die innere Zone
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Die innere Zone
    Von Lars-Christian Daniels

    Man denke zurück an Teil 1 der erfolgreichen „Resident Evil“-Reihe: Die an Gedächtnisverlust leidende Alice (Milla Jovovich) begibt sich mit einigen Mitstreitern in das unterirdische Hive-Labor und sucht dort nach den Ursachen für ein tragisches Unglück, bei dem alle Mitarbeiter ihr Leben ließen. Tiefer und tiefer dringt sie in die Laboranlage ein, schnell merkt der Zuschauer, das hier irgendetwas nicht stimmt, und dann passiert plötzlich: gar nichts. So in etwa muss man sich Fosco und Donatello Dubinis „Die innere Zone“ vorstellen: eine „Resident Evil“-Neuauflage, nur eben ohne Zombies. Auch hier begibt sich die an Erinnerungslücken leidende Protagonistin auf Spurensuche in eine zunächst wie ausgestorben wirkende Forschungseinrichtung, doch statt unter Tage auf blutdurstige Kreaturen zu treffen, gräbt sie lediglich ein wenig in der eigenen Vergangenheit. Klingt langweilig? Ist es auch: „Die innere Zone“, bei dessen Deutschlandpremiere auf den Hofer Filmtagen die Zuschauer gleich reihenweise den Saal verließen, entpuppt sich früh als wirres und spannungsarmes Science-Fiction-Drama.

    Lucens in der Schweiz, im Jahr 1969: In einem atomaren Forschungsreaktor, der tief in einem Tunnel angelegt wurde, ereignet sich ein Unfall. Bevor radioaktive Strahlung austreten kann, wird der Tunnel kurzerhand geschlossen, so dass der Vorfall über Jahrzehnte geheim gehalten werden kann. Im Jahr 2023 droht der Super-GAU jedoch an die Öffentlichkeit zu geraten: Aus einer Baustelle in der Nähe tritt ein unbekanntes Gasgemisch aus, das das gesamte Binnenklima nachhaltig verändert. Aus Sicherheitsgründen wird das gesamte Tal evakuiert – nur drei Ingenieure verbleiben vor Ort und zeigen schon bald Symptome von Verwirrung und Paranoia. Die Psychologin Marta (Jeanette Hain), die vor Jahren an einem Biosphärenprojekt teilgenommen hat und seitdem reale Erinnerungen und Wunschträume nicht mehr auseinanderhalten kann, erhält den Auftrag, die Ingenieure zu befragen und die Baustelle näher zu untersuchen. Sie dringt tief in das Stollensystem ein und verliert dort zunehmend die Orientierung…

    An welcher Stelle hätte man denn lachen sollen?“, fragte einer von vielen irritierten Zuschauern den Schweizer Filmemacher Fosco Dubini, als sich dieser nach der Deutschlandpremiere seines Films in Hof den kritischen Fragen des Publikums stellte. Dubini hatte zuvor zu Protokoll gegeben, dass sein Werk auch durchaus humorvoll zu verstehen sei und er sich gewundert habe, dass in den zurückliegenden 89 Minuten niemand im Kinosaal gelacht habe. Die Erklärung für dieses Phänomen ist simpel: „Die innere Zone“ ist einfach nicht im Geringsten komisch. Die in Zürich geborenen Dubini-Brüder, die im Laufe ihrer über dreißigjährigen Karriere vor allem mit Dokumentationen wie „Gösgen – Ein Film über die Volksbewegung gegen Atomkraftwerke“ oder zuletzt „Die große Erbschaft“ in Erscheinung getreten sind, servieren dem Publikum ein krudes Wissenschaftsdrama im futuristischen Science-Fiction-Mantel, das mit seinen skurrilen Charakteren und seiner künstlichen atmosphärischen Überhöhung allenfalls unfreiwillig zum Lachen einlädt.

    Hauptdarstellerin Jeanette Hain („Der Vorleser“, „Poll“), die zuletzt in „The Forbidden Girl“ einer der ganz wenigen Lichtblicke in einem ansonsten indiskutablen Fantasy-Flop war, ist dabei einmal mehr in ihrer Paraderolle zu sehen: Wie auch schon jüngst im Kölner „Tatort: Scheinwelten“ mimt die gebürtige Münchenerin auch hier eine unterkühlte Powerfrau, die diesmal bei der obsessiven Suche nach den Spuren des persönlichen Verlusts von vagen Erinnerungen und Wunschprojektionen gepeinigt wird und in den unterirdischen Tunnelanlagen nach Antworten auf Fragen sucht, die den Zuschauer gänzlich kalt lassen. Die Psychologin leidet an sogenannten „Echos“ – Bildern im Kopf, die angeblich entstehen sollen, wenn man veränderte Luftmischungen einatmet – und sucht in den Stollenanlagen lange vergeblich nach dem mysteriösen Dr. Abramowitsch (Hanns Zischler, „München“), der Licht ins Dunkel bringen kann. Die Geschichte plätschert dabei ohne echte Spannungsmomente vor sich hin: Hain wird schauspielerisch kaum gefordert, sticht aus der ansonsten mit Zischler und Nikolai Kinski („Die zwei Leben des Daniel Shore“) durchaus prominent besetzten Darstellerriege, die von den Dubinis immer wieder zu bühnenstückähnlichen Dialogen genötigt werden, aber noch am ehesten positiv heraus.

    Als besonders anstrengende Nebenfigur erweist sich die blondgelockte Natascha (Lili Fichtner, „Groupies bleiben nicht zum Frühstück“), die im Tunnel eine gefühlte Ewigkeit mit aufgeblasenen Plastiktüten spielt und in dieser einschläfernden, beispielhaft für viele weitere stehenden Sequenz einmal mehr das ohnehin schon geringe Tempo aus dem Geschehen nimmt. Auch als Abramowitsch endlich gefunden und das Rätsel um den Unfall gelöst ist, verpufft der erhoffte Aha-Effekt: Der Wissenschaftler residiert in einem raumschiffähnlichen Büro, das eher an „Star Trek“-Folgen aus den 60er Jahren als an das Hauptquartier einer futuristischen Forschungseinrichtung im Jahr 2023 erinnert. So bleiben das beste am Film, an dessen Drehbuch neben Fosco und Donatello Dubini auch deren Weggefährtin Barbara Marx und Filmemacherin Heike Fink („Eisheimat“) mitschrieben, die bombastischen Schauwerte der Anfangsminuten: Kameramann Carlo Varini („Badland“) nimmt den Zuschauer auf einer Kamerafahrt mit auf die Reise durch eine traumhaft schöne Schneelandschaft, dazu erklingt eine wunderbare Instrumentalversion von Metallicas grammyprämierter Rockballade „Nothing else matters“. Man hätte sich mehr Sequenzen dieser Art gewünscht.

    Fazit: Tschernobyl und Fukushima lassen grüßen – doch statt eines Atomunglücks, das die Welt in Atem hält, inszenieren die Schweizer Filmemacher Fosco und Donatello Dubini einen wirren und spannungsarmen Ritt durch verschiedene Filmgenres, bei dem Hauptdarstellerin Jeanette Hain gegenüber der schwachen Story auf verlorenem Posten steht.

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