Mike Flanagan ist ein sehr versierter Regisseur, der das Horrorgenre noch revolutionieren könnte. Seine bisherigen Filme stehen mit einem Bein in guter Tradition, mit dem anderen aber ziehen sie eine reizvolle Idee heran. Das sah man in "Oculus" und "Absentia" sehr eindrucksvoll. In beiden Filmen ging es darum, ob es wirklich einen realen Schrecken gab, oder die Figuren sich das nur einbilden, weil sie von einer düsteren, traumatischen Vergangenheit gezeichnet sind. In eine ähnliche Kerbe schlägt nun "Gerald's Game" (der passendere, englische Orignaltitel, den ich hier verwenden will). Wenig überraschend schafft es Flanagan auch hier eine wunderbare Leistung abzuliefern. Diese hat mir sogar einen Hauch besser gefallen als die kürzlich erschienene, größere King-Verfilmung "Es".
Die im Zentrum stehende Jessie durchlebt viel. Die Verknüpfung von Vergangenheit, der eigenen, zu findenen Stärke, und einigen Visionen. Flanagan hat die Vorlage sinnvoll eingeschränkt und gut verknüpft. Es ist gut nur Jessie und Gerald zu sehen, um so ihre Beziehung zu verstehen. Jessie ist dabei die naturgemäß interessantere Figur. Sie ist eine eher hilflose Frau, eine Art Mauerblümchen aus männlicher Sicht. Das hebt sie sehr wohltuend ab von all den Kampfamazonen und der relativ platten Umsetzung einer selbstbewussten Frau.
"Gerald's Game" ist letztlich mehr ein Drama. Und das ist gut! Ein wenig Feinschliff hätten die Dialoge vertragen, sowie die Abwechslung der Themen, welche Jessie in ihrem Leiden durch den Kopf gehen. Das Ende hingegen, hier und da als zu lang kritisiert, fand ich super! Es ist sehr untypisch für einen Horrorfilm. Mag es auch ein wenig vom Schrecken nehmen, ist es eben etwas ganz Anderes und führt die emotionale Reise der Hauptfigur sinnig zum Schluss.
Fazit: Eine sehr gute, neue King-Verfilmung, die behutsam innovativ ist. Doch Vorsicht: Eher ein Drama als ein Horrorfilm!