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    Der Tod von Ludwig XIV.
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Der Tod von Ludwig XIV.
    Von Christoph Petersen

    Der katalanische Regisseur Albert Serra ist jeder Form des Mainstream geradezu inbrünstig abgewandt. Da ist es schon als krasses Zugeständnis zu werten, dass er nach seinem zweieinhalbstündigen Casanova-trifft-Dracula-Experimentalwerk „The Story Of My Death“ (in Locarno ausgezeichnet mit dem Goldenen Leoparden) nun erstmals mit professionellen Schauspielern statt mit Laiendarstellern arbeitet: Nouvelle-Vague-Legende Jean-Pierre Léaud („Sie küssten und sie schlugen ihn“ von François Truffaut, „Maskulin – Feminin“ von Jean-Luc Godard) verkörpert in „Der Tod von Ludwig XIV.“ den gottgesandten absolutistischen Herrscher Ludwig, der schon zu Beginn des Films so schwach und bettlägerig ist, dass der ganze Hofstaat erleichtert applaudiert, wenn der 76-jährige Monarch beim Essen auch nur einen einzigen Keks herunterbekommt. In den folgenden 105 Minuten zeigt Serra in seinem malerisch schönen, historisch extrem gut recherchierten Kerzenschein-Kammerspiel, wie der König sehr, sehr langsam und sehr, sehr qualvoll (eines seiner Beine ist in Folge einer Gangräne bereits pechschwarz) verreckt.

    Auf der Grundlage der Memoiren des Politikers, Schrifstellers und Höflings Saint-Simon sowie weiterer historischer Dokumente exerziert Serra das Sterben in qualvoller Ausführlichkeit durch. Das Dahinsiechen ist eben oftmals eine extrem repetitive Angelegenheit, weshalb wir hier zigfach dabei zuschauen, wie Ludwig XIV. einen Schluck Wasser oder auch mal einen Löffel voll Suppe herunterzuschlucken beziehungsweise -würgen versucht. So holt der Filmemacher den Sonnenkönig auf eine Stufe mit uns Normalsterblichen herunter: Wenn Louis an einer Stelle riskiert eher zu ersticken, bevor er Wasser aus einem nicht kristallenen Glas trinkt, ist dies ein letzter verzweifelter Versuch, an seiner längst verlorengegangenen Monarchenwürde festzuhalten. Aber mitunter ist so ein öffentliches Königssterben auch ganz schön absurd – und das nicht nur, wenn bei jedem Biss tief berührt applaudiert wird: Gerade die im Rückblick herrlich abwegigen Ausführungen des überforderten Ärzteteams („wenn man verliebt ist, trocknet das Gehirn aus“) sind auf eine sehr makabre Art sogar ziemlich lustig – bis hin zur finalen Szene, in der Ludwigs Leibarzt Fagon (Patrick D’Assumçao) den Film mit dem trockenen Statement schließt: „Beim nächsten Mal machen wir es besser.“

    Fazit: In seiner absoluten Konsequenz ein auf faszinierende Weise streng-spröder Sterbefilm (mit einer ordentlichen Prise schwarzen Humors).

    Wir haben „The Death Of Louis XIV“ im Rahmen der 69. Filmfestspiele von Cannes gesehen, wo der Film außer Konkurrenz im offiziellen Programm gezeigt wurde.

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