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    Mit besten Absichten
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Mit besten Absichten
    Von Frank Schnelle

    Sie ist die Art Mutter, die jeder gern hätte – außer man ist selbst ihr Kind. Denn mit all ihrer Aufmerksamkeit, Neugier und Liebe entpuppt sie sich als der klassische Fall von gut gemeint, aber schlecht gemacht: Eine personifizierte Grenzüberschreitung, die ihren Nachwuchs – egal welchen Alters – buchstäblich in den Wahnsinn treiben kann. Unablässig hinterlässt sie Nachrichten, ständig taucht sie unangekündigt auf, in alles, aber auch alles mischt sie sich ein. „Mit besten Absichten“ zwar, wie der deutsche Verleih das aggressivere Original durchaus angemessen entschärft (eigentlich: „The Meddler“, „Der Eindringling“), aber eben auch ganz schön nervtötend. Doch keine Sorge: Lorene Scarafia macht in ihrer zweiten Regiearbeit (ihr Debüt gab sie mit dem subtil-vergnüglichen „Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt“) aus diesem Stoff weder ein tristes Drama noch eine plumpe Komödie. Ihr gelingt vielmehr eine heitere, sehr entspannte Kombination aus Ernsthaftigkeit und Humor: die charmante, vielschichtige Charakterstudie einer komplexen, von Oscar-Preisträgerin Susan Sarandon („Thelma & Louise“) mit großem Aplomb gespielten Frau, die immer in Bewegung bleibt, um bloß nicht bei sich selbst ankommen zu müssen.

    Nach dem Tod ihres Mannes zieht Marnie Minervini (Susan Sarandon) von New York nach Los Angeles, um ihrer Tochter, der Drehbuchautorin Lori (Rose Byrne), näher zu sein. Die wohlhabende Witwe geht der zur Depression neigenden Lori mit ihrer übertriebenen Fürsorglichkeit bald auf die Nerven. Als die Tochter schließlich sehr entschieden um mehr Abgrenzung bittet, überschüttet Marnie eine Reihe anderer Menschen mit Aufmerksamkeit und Zuwendung: Jillian (Cecily Strong), eine Freundin Loris, unterstützt sie als Babysitterin und Hochzeitsplanerin; Freddy (Jerrod Carmichael), einen Apple-Verkäufer, kutschiert sie zur Abendschule; und mit Zipper (J.K. Simmons), einem pensionierten Cop, beginnt sie ein zögerliches Techtelmechtel. Zu wahrer Zufriedenheit aber kann Marnie nur finden, wenn sie sich endlich ihren inneren Dämonen stellt ...

    Wer weiß, vielleicht stand ja Hitchcocks „Marnie“ Pate bei der Namensgebung, immerhin auch eine Frau mit verdrängten psychischen Problemen. Das wäre die Art gezielter kleiner Gemeinheit, die einer Filmemacherin, die das Verhältnis zur eigenen Mutter aufarbeitet, durchaus zuzutrauen ist. Denn es steht fest, dass „Mit besten Absichten“ auf Scarafias eigener Familiengeschichte basiert, dem Tod ihres Vaters vor sechs Jahren und dem anschließenden Umzug ihrer Mutter Gail von New Jersey nach Kalifornien. Der Legende nach war die Frau Mama bei jedem Drehtag vom „Freund fürs Ende der Welt“ am Set, blieb aus Sicherheitsgründen bei „Mit besten Absichten“ jedoch ausgesperrt ...

    Der persönliche Bezug ist Scarafias Film deutlich anzumerken: Sie kümmert sich herzlich wenig um dramaturgische Zwänge, die Story ist eine lose Aneinanderreihung von hübschen Miniaturen, die sich trotz mancher Exaltiertheit immer echt und lebensnah anfühlen. Während der ersten Hälfte scheint es gar, als solle hier gar keine „normale“ Geschichte erzählt werden, so locker-flockig (und manchmal auch arg repetitiv) bringt uns Scarafia den sonnigen Alltag ihrer Protagonistin näher. Da geht es immer wieder darum, wie eine im Grunde einsame und immer noch trauernde Frau mit allen Mitteln die innere Leere bekämpft – beim Shopping, beim Cruisen durch die Stadt, im sofort engen Kontakt mit jeder neuen Begegnung. Faszinierend dabei ist, wie es gelingt, Marnie weder zu verteufeln noch lächerlich zu machen: Sie wirkt, auch weil Susan Sarandon sie mit einer wunderbaren Mischung aus Engagement und Warmherzigkeit ausstattet, jederzeit glaubwürdig und menschlich. Sie ist zwar aufdringlich und instinktlos, aber dahinter schimmern stets Empathie und guter Wille durch. Und sie erweist sich dann gegen Ende auch als lernfähig, bekommt die Kurve, ohne dass erst ein großes Drama stattfinden müsste. Ein hübscher, unaufgeregter, sehr erwachsener Film.

    Fazit: Susan Sarandon brilliert in dieser hübschen Charakterstudie als nervende Übermutter, die nicht bloß die eigene Tochter, sondern alle Welt mit Liebe und Aufmerksamkeit überschüttet: „Mit besten Absichten“ ist komisch, traurig und vor allem menschlich.

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